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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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a. Declination der Nomina.
dürfen, und haben von diesem Standpunkt aus die Formen unserer drei Familien
anzusehen. Slavisch und Litauisch haben gemeinsam die pronominale Endung
beim msc. vilkai, vluci, die litauische Form bildet geradezu die Grundform der
slavischen, und es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieselbe während einer
gemeinsamen Entwicklungsperiode entstanden ist. Innerhalb des Slavischen ist
es zwar vollkommen begreiflich, dass die alte Form *varkas, die nur hätte *vluka
geben können, verloren ging, sie wäre mit dem gen. sg. und nom.-acc. dual.
zusammengefallen, und die Anlehnung an die pronominale Form ti = * tai lag
nahe. Allein derselbe Grund gilt nicht auch für das Litauische, wo ein aus der
Grundform zu erwartendes *vilkos erhalten bleiben und eine vollkommen kennt-
liche Pluralform abgeben konnte, deren Zusammenfallen mit der Femininalform
rankos die pluralische Beziehung ja nicht hinderte. Ich meine daher, dass wir
es hier mit einer älteren Erscheinung zu thun haben, die nicht so zu sagen aus
lautlicher Noth, sondern durch eine mehr spontane Ausgleichung von nominaler
und pronominaler Declination eingetreten ist: die beim Pronomen seit uralter Zeit
bestehende Scheidung zwischen msc. und fem. in diesem Casus wurde bei den
msc. a-stämmen nominaler Art bereits in der litauisch-slavischen Periode nach-
geahmt.

Was das Femininum betrifft, so hat das Litauische die nominale Form in
ursprünglicher Weise, rankos, das Slavische den acc. statt des Nominativs, raky
(bei ja-stamm duse = -jans); in diesem Umstand liegt aber ein indirecter Beweis
für das einstige Vorhandensein der dem Litauischen entsprechenden Form auch
hier: * rankas hätte zu * raka werden müssen, fiel also mit dem nom. sg. raka
zusammen, wurde eins mit seinem geraden Gegensatz. Die Uebertragung der
Accusativform auf den Nominativ bei diesen zahlreichen Stämmen hat dann die
Folge gehabt, dass überhaupt ausser den vereinzelten consonantischen Formen
wie matere kein femininaler nom. plur. im Slavischen mehr vorkommt (vgl. oben
die i-stämme).

Wie früher schon einmal erwähnt, bildet das Preussische mit seinem Femi-
ninum eine merkwürdige Ausnahme, in den Katechismen heisst es z. B. gennai
(l. genai) zu genna (l. gena) wie msc. greikai zu greiks. Dass diese Erscheinung
in der Sprache der Katechismen jung ist, zeigt ganz zweifellos der Dialekt des
Elbinger Vocabulars, indem hier nur die nominale Form wie im Litauischen vor-
kommt: wayos (Wiesen, lit. vejos zu veja, Rasen), lauksnos (Gestirne) u. s. w.,
s. Pauli, Preuss. Stud. Beitr. VII, 180. Ausserdem aber liegt im Katechismus III,
27 die oben beim gen. sg. schon besprochene Pluralform staweidas madlas (zu
madla, Gebet) wirklich vor. Möglicherweise kommen daher alle femininalen
Plurale auf -ai nur auf Rechnung des Uebersetzers; natürlich ist es aber auch
denkbar, dass in der damaligen Sprache bereits eine Confusion der Art bestand.
Uns genügt es, dass das i beim Femininum sicher nur der besonderen preussi-
schen Entwicklung angehört.

Die germanischen Sprachen kennen nur eine einzige, die nominale Form,
beim Nomen, deren Grundform uns das got. vulfos, gibos giebt, wenigstens zu
geben scheint. Einen durch seine Consequenzen interessanten Einwurf gegen

a. Declination der Nomina.
dürfen, und haben von diesem Standpunkt aus die Formen unserer drei Familien
anzusehen. Slavisch und Litauisch haben gemeinsam die pronominale Endung
beim msc. vilkai, vlŭcī, die litauische Form bildet geradezu die Grundform der
slavischen, und es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieselbe während einer
gemeinsamen Entwicklungsperiode entstanden ist. Innerhalb des Slavischen ist
es zwar vollkommen begreiflich, dass die alte Form *varkās, die nur hätte *vlŭka
geben können, verloren ging, sie wäre mit dem gen. sg. und nom.-acc. dual.
zusammengefallen, und die Anlehnung an die pronominale Form ti = * tai lag
nahe. Allein derselbe Grund gilt nicht auch für das Litauische, wo ein aus der
Grundform zu erwartendes *vilkōs erhalten bleiben und eine vollkommen kennt-
liche Pluralform abgeben konnte, deren Zusammenfallen mit der Femininalform
rankōs die pluralische Beziehung ja nicht hinderte. Ich meine daher, dass wir
es hier mit einer älteren Erscheinung zu thun haben, die nicht so zu sagen aus
lautlicher Noth, sondern durch eine mehr spontane Ausgleichung von nominaler
und pronominaler Declination eingetreten ist: die beim Pronomen seit uralter Zeit
bestehende Scheidung zwischen msc. und fem. in diesem Casus wurde bei den
msc. a-stämmen nominaler Art bereits in der litauisch-slavischen Periode nach-
geahmt.

Was das Femininum betrifft, so hat das Litauische die nominale Form in
ursprünglicher Weise, rankōs, das Slavische den acc. statt des Nominativs, rąky
(bei -stamm dušę = -jāns); in diesem Umstand liegt aber ein indirecter Beweis
für das einstige Vorhandensein der dem Litauischen entsprechenden Form auch
hier: * rankās hätte zu * rąka werden müssen, fiel also mit dem nom. sg. rąka
zusammen, wurde eins mit seinem geraden Gegensatz. Die Uebertragung der
Accusativform auf den Nominativ bei diesen zahlreichen Stämmen hat dann die
Folge gehabt, dass überhaupt ausser den vereinzelten consonantischen Formen
wie matere kein femininaler nom. plur. im Slavischen mehr vorkommt (vgl. oben
die i-stämme).

Wie früher schon einmal erwähnt, bildet das Preussische mit seinem Femi-
ninum eine merkwürdige Ausnahme, in den Katechismen heisst es z. B. gennai
(l. genai) zu genna (l. gena) wie msc. grîkai zu grîks. Dass diese Erscheinung
in der Sprache der Katechismen jung ist, zeigt ganz zweifellos der Dialekt des
Elbinger Vocabulars, indem hier nur die nominale Form wie im Litauischen vor-
kommt: wayos (Wiesen, lit. vejós zu vejà, Rasen), lauksnos (Gestirne) u. s. w.,
s. Pauli, Preuss. Stud. Beitr. VII, 180. Ausserdem aber liegt im Katechismus III,
27 die oben beim gen. sg. schon besprochene Pluralform stawîdas madlas (zu
madla, Gebet) wirklich vor. Möglicherweise kommen daher alle femininalen
Plurale auf -ai nur auf Rechnung des Uebersetzers; natürlich ist es aber auch
denkbar, dass in der damaligen Sprache bereits eine Confusion der Art bestand.
Uns genügt es, dass das i beim Femininum sicher nur der besonderen preussi-
schen Entwicklung angehört.

Die germanischen Sprachen kennen nur eine einzige, die nominale Form,
beim Nomen, deren Grundform uns das got. vulfôs, gibôs giebt, wenigstens zu
geben scheint. Einen durch seine Consequenzen interessanten Einwurf gegen

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[82/0118] a. Declination der Nomina. dürfen, und haben von diesem Standpunkt aus die Formen unserer drei Familien anzusehen. Slavisch und Litauisch haben gemeinsam die pronominale Endung beim msc. vilkai, vlŭcī, die litauische Form bildet geradezu die Grundform der slavischen, und es ist wenigstens sehr wahrscheinlich, dass dieselbe während einer gemeinsamen Entwicklungsperiode entstanden ist. Innerhalb des Slavischen ist es zwar vollkommen begreiflich, dass die alte Form *varkās, die nur hätte *vlŭka geben können, verloren ging, sie wäre mit dem gen. sg. und nom.-acc. dual. zusammengefallen, und die Anlehnung an die pronominale Form ti = * tai lag nahe. Allein derselbe Grund gilt nicht auch für das Litauische, wo ein aus der Grundform zu erwartendes *vilkōs erhalten bleiben und eine vollkommen kennt- liche Pluralform abgeben konnte, deren Zusammenfallen mit der Femininalform rankōs die pluralische Beziehung ja nicht hinderte. Ich meine daher, dass wir es hier mit einer älteren Erscheinung zu thun haben, die nicht so zu sagen aus lautlicher Noth, sondern durch eine mehr spontane Ausgleichung von nominaler und pronominaler Declination eingetreten ist: die beim Pronomen seit uralter Zeit bestehende Scheidung zwischen msc. und fem. in diesem Casus wurde bei den msc. a-stämmen nominaler Art bereits in der litauisch-slavischen Periode nach- geahmt. Was das Femininum betrifft, so hat das Litauische die nominale Form in ursprünglicher Weise, rankōs, das Slavische den acc. statt des Nominativs, rąky (bei jā-stamm dušę = -jāns); in diesem Umstand liegt aber ein indirecter Beweis für das einstige Vorhandensein der dem Litauischen entsprechenden Form auch hier: * rankās hätte zu * rąka werden müssen, fiel also mit dem nom. sg. rąka zusammen, wurde eins mit seinem geraden Gegensatz. Die Uebertragung der Accusativform auf den Nominativ bei diesen zahlreichen Stämmen hat dann die Folge gehabt, dass überhaupt ausser den vereinzelten consonantischen Formen wie matere kein femininaler nom. plur. im Slavischen mehr vorkommt (vgl. oben die i-stämme). Wie früher schon einmal erwähnt, bildet das Preussische mit seinem Femi- ninum eine merkwürdige Ausnahme, in den Katechismen heisst es z. B. gennai (l. genai) zu genna (l. gena) wie msc. grîkai zu grîks. Dass diese Erscheinung in der Sprache der Katechismen jung ist, zeigt ganz zweifellos der Dialekt des Elbinger Vocabulars, indem hier nur die nominale Form wie im Litauischen vor- kommt: wayos (Wiesen, lit. vejós zu vejà, Rasen), lauksnos (Gestirne) u. s. w., s. Pauli, Preuss. Stud. Beitr. VII, 180. Ausserdem aber liegt im Katechismus III, 27 die oben beim gen. sg. schon besprochene Pluralform stawîdas madlas (zu madla, Gebet) wirklich vor. Möglicherweise kommen daher alle femininalen Plurale auf -ai nur auf Rechnung des Uebersetzers; natürlich ist es aber auch denkbar, dass in der damaligen Sprache bereits eine Confusion der Art bestand. Uns genügt es, dass das i beim Femininum sicher nur der besonderen preussi- schen Entwicklung angehört. Die germanischen Sprachen kennen nur eine einzige, die nominale Form, beim Nomen, deren Grundform uns das got. vulfôs, gibôs giebt, wenigstens zu geben scheint. Einen durch seine Consequenzen interessanten Einwurf gegen

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/118>, abgerufen am 21.11.2024.