Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.ii. Die Casus des Plurals. vaurstvjan- (Arbeiter) ist zu beziehen auf ein von vaurstva- abgeleitetes Verbum *vaurstvjan, gebildet ähnlich wie bandvjan. Ich will damit nicht sagen, dass ein solches Verbum im Gotischen wirklich gebräuchlich ge- wesen sei. Gab es einmal Bildungen der Art von abgeleiteten Verben wie das oben angeführte haurn-jan-, so konnte die Sprache nach dieser Analogie natürlich auch unmittelbar vom Stamm aus solche Worte bilden. Mit Leo Meyer hier eine besondere Suffixform -jan- anzunehmen, ist kein Grund vorhanden. Ebenso wird es sich verhalten mit: svigljan- (Pfeifer), zu dem das Substantiv svigla-, das Verbum sviglon, aber kein *svigljan vorhanden ist, skattjan- (Geldwechsler), zu skatta- (Geld), liugnjan, subst. liugna- (Lüge), fiskjan-, subst. fiska-, kasjan- (Töpfer), kasa- (Gefäss). Dazu kommt nun eine Reihe secundärer Bildungen, deren Bedeutung sich ga- hlaiban- zu hlaiba- (Genosse), "der das Brot mit hat", ga-jukan- (Genosse), "der das Joch (juka-) mit trägt", ga-laistan- (Gefährte, Begleiter) zu laisti- (Spur, Ziel), entweder so zu er- klären, dass eine Nebenform laista- bestand, oder dass i vor dem neuen Suffixe abfiel; ebenso ga-dailan- (Theilhaber) zu St. daili- (Theil), galeikan- (thiudos galeikans ethne sussoma, Eph. 3, 6) zu leika- (Leib), vgl. man-leikan- (Ebenbild), eigentl. "Mannesgestalt habend", garaznan- (Nachbar), "das Haus mit habend", zu razna-; dass ga-daukan- (wenn so nach acc. plur. gadaukans I. Cor. 1, 16 anzusetzen, was wahrscheinlich ist) ebenso zu erklären, liegt nahe, ga-sinthan- (Gefährte) braucht nicht mit Leo Meyer auf ein muthmassliches *sinthan (gehen) bezogen zu werden, sondern kommt von sintha- (Gang) und bedeutet "Theilnehmer am Gange, der Reise", ga-vaurstvan- (Mitarbeiter) zu vaurstva- (Arbeit), vgl. auch alla-vaurstvan- (allwirkend), in-kunjan- (Stammesgenoss) zu kunja- (Geschlecht), vgl. Bildungen wie enoikios, und got. ingardjan- (Hausgenoss) zu gardi- (Haus), us-lithan- (Gichtbrüchiger) zu lithu- (Glied), wo das u vor dem neuen Suffixe abgefallen ist, eigentlich "einer der die Glieder aus hat", vgl. die nieder- deutsche Redewendung: "den Arm ut't Lid hebben" = verrenkt haben. Die Uebereinstimmung in diesen Bildungen ist ja unverkennbar, es sind spillan- (Verkündiger), der mit spilla- (Erzählung) zu thun hat, ii. Die Casus des Plurals. vaurstvjan- (Arbeiter) ist zu beziehen auf ein von vaurstva- abgeleitetes Verbum *vaurstvjan, gebildet ähnlich wie bandvjan. Ich will damit nicht sagen, dass ein solches Verbum im Gotischen wirklich gebräuchlich ge- wesen sei. Gab es einmal Bildungen der Art von abgeleiteten Verben wie das oben angeführte haurn-jan-, so konnte die Sprache nach dieser Analogie natürlich auch unmittelbar vom Stamm aus solche Worte bilden. Mit Leo Meyer hier eine besondere Suffixform -jan- anzunehmen, ist kein Grund vorhanden. Ebenso wird es sich verhalten mit: svigljan- (Pfeifer), zu dem das Substantiv svigla-, das Verbum sviglôn, aber kein *svigljan vorhanden ist, skattjan- (Geldwechsler), zu skatta- (Geld), liugnjan, subst. liugna- (Lüge), fiskjan-, subst. fiska-, kasjan- (Töpfer), kasa- (Gefäss). Dazu kommt nun eine Reihe secundärer Bildungen, deren Bedeutung sich ga- hlaiban- zu hlaiba- (Genosse), «der das Brot mit hat», ga-jukan- (Genosse), «der das Joch (juka-) mit trägt», ga-laistan- (Gefährte, Begleiter) zu laisti- (Spur, Ziel), entweder so zu er- klären, dass eine Nebenform laista- bestand, oder dass i vor dem neuen Suffixe abfiel; ebenso ga-dailan- (Theilhaber) zu St. daili- (Theil), galeikan- (þiudôs galeikans ἔϑνη σύσσωμα, Eph. 3, 6) zu leika- (Leib), vgl. man-leikan- (Ebenbild), eigentl. «Mannesgestalt habend», garaznan- (Nachbar), «das Haus mit habend», zu razna-; dass ga-daukan- (wenn so nach acc. plur. gadaukans I. Cor. 1, 16 anzusetzen, was wahrscheinlich ist) ebenso zu erklären, liegt nahe, ga-sinþan- (Gefährte) braucht nicht mit Leo Meyer auf ein muthmassliches *sinþan (gehen) bezogen zu werden, sondern kommt von sinþa- (Gang) und bedeutet «Theilnehmer am Gange, der Reise», ga-vaurstvan- (Mitarbeiter) zu vaurstva- (Arbeit), vgl. auch alla-vaurstvan- (allwirkend), in-kunjan- (Stammesgenoss) zu kunja- (Geschlecht), vgl. Bildungen wie ἐνοίκιος, und got. ingardjan- (Hausgenoss) zu gardi- (Haus), us-liþan- (Gichtbrüchiger) zu liþu- (Glied), wo das u vor dem neuen Suffixe abgefallen ist, eigentlich «einer der die Glieder aus hat», vgl. die nieder- deutsche Redewendung: «den Arm ut’t Lid hebben» = verrenkt haben. Die Uebereinstimmung in diesen Bildungen ist ja unverkennbar, es sind spillan- (Verkündiger), der mit spilla- (Erzählung) zu thun hat, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0127" n="91"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">ii. 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ii. Die Casus des Plurals.
vaurstvjan- (Arbeiter) ist zu beziehen auf ein von vaurstva- abgeleitetes
Verbum *vaurstvjan, gebildet ähnlich wie bandvjan. Ich will damit nicht
sagen, dass ein solches Verbum im Gotischen wirklich gebräuchlich ge-
wesen sei. Gab es einmal Bildungen der Art von abgeleiteten Verben
wie das oben angeführte haurn-jan-, so konnte die Sprache nach dieser
Analogie natürlich auch unmittelbar vom Stamm aus solche Worte bilden.
Mit Leo Meyer hier eine besondere Suffixform -jan- anzunehmen, ist
kein Grund vorhanden. Ebenso wird es sich verhalten mit:
svigljan- (Pfeifer), zu dem das Substantiv svigla-, das Verbum sviglôn, aber
kein *svigljan vorhanden ist,
skattjan- (Geldwechsler), zu skatta- (Geld),
liugnjan, subst. liugna- (Lüge),
fiskjan-, subst. fiska-,
kasjan- (Töpfer), kasa- (Gefäss).
Dazu kommt nun eine Reihe secundärer Bildungen, deren Bedeutung sich
nur dadurch von der eines eigentlichen nom. ag. unterscheidet, dass sie nicht
den Vollzieher einer Handlung, sondern den Theilhaber, Empfänger, Bearbeiter
einer Sache bezeichnen:
ga- hlaiban- zu hlaiba- (Genosse), «der das Brot mit hat»,
ga-jukan- (Genosse), «der das Joch (juka-) mit trägt»,
ga-laistan- (Gefährte, Begleiter) zu laisti- (Spur, Ziel), entweder so zu er-
klären, dass eine Nebenform laista- bestand, oder dass i vor dem neuen
Suffixe abfiel; ebenso
ga-dailan- (Theilhaber) zu St. daili- (Theil),
galeikan- (þiudôs galeikans ἔϑνη σύσσωμα, Eph. 3, 6) zu leika- (Leib), vgl.
man-leikan- (Ebenbild), eigentl. «Mannesgestalt habend»,
garaznan- (Nachbar), «das Haus mit habend», zu razna-; dass
ga-daukan- (wenn so nach acc. plur. gadaukans I. Cor. 1, 16 anzusetzen,
was wahrscheinlich ist) ebenso zu erklären, liegt nahe,
ga-sinþan- (Gefährte) braucht nicht mit Leo Meyer auf ein muthmassliches
*sinþan (gehen) bezogen zu werden, sondern kommt von sinþa- (Gang)
und bedeutet «Theilnehmer am Gange, der Reise»,
ga-vaurstvan- (Mitarbeiter) zu vaurstva- (Arbeit), vgl. auch alla-vaurstvan-
(allwirkend),
in-kunjan- (Stammesgenoss) zu kunja- (Geschlecht), vgl. Bildungen wie
ἐνοίκιος, und got.
ingardjan- (Hausgenoss) zu gardi- (Haus),
us-liþan- (Gichtbrüchiger) zu liþu- (Glied), wo das u vor dem neuen Suffixe
abgefallen ist, eigentlich «einer der die Glieder aus hat», vgl. die nieder-
deutsche Redewendung: «den Arm ut’t Lid hebben» = verrenkt haben.
Die Uebereinstimmung in diesen Bildungen ist ja unverkennbar, es sind
Bâhuvrhi-composita, wie sie überall häufig sind, deren erstes Glied eine Präpo-
sition bildet. Dazu kommen noch ausserhalb der Composition:
spillan- (Verkündiger), der mit spilla- (Erzählung) zu thun hat,
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