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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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ii. Die Casus des Plurals.
der Auslautsgesetze, denn hätten diese den nom. als * bandja vorgefunden, diesen
zu * bandja verändert, wie der Accusativ * bandjan zu bandja wurde, und wäre
dann erst die Contraction eingetreten, so ist es unverständlich, warum nicht nom.
und acc. gleich behandelt sind, da die Sprache doch beim fem. a-stamm die
beiden Casus nicht scheidet (nom.-acc. giba). Wir haben also ein *bandi aus
* bandja, vor dem Wirken der Auslautsgesetze entstanden, als nom. einem acc.
* bandjan gegenüberzustellen.

2. Mit Ausnahme von hlasei zu hlasa-, frijei zu frija-, latei -- lata-, afgudei
-- afguda-, inahei -- inaha-, unagei
zu einem zu erschliessenden *unaga-, faihuf-
rikei
zu faihufrika- (anaviljei und gafrathjei zu den Adjectivst. -vilja- und -frathja-)
sind alle andern Adjectiva, die den Abstracten zu Grunde liegen, der Art, dass
sie entweder lange Wurzelsilbe haben oder mehrere Bildungssilben nach der
Wurzel (vgl. das Verzeichniss bei Leo Meyer, Gr. Spr. § 465), also von allen
diesen uns vorliegenden Beispielen musste der nom. sg. eines Abstractums auf
-ja- einmal den Auslaut -i haben, z. B. * faurhtei, * handugei, oder, um durch
die gotische Schreibweise nicht irre zu führen, * faurhti u. s. w.

3. Wenn sich nun, wie oben ausgeführt, die Sprache daran gewöhnte, eine
grosse Anzahl derartiger Bildungen promiscue mit den Verbalabstracten auf -eini-
zu gebrauchen, so war damit der Grund zu einer Heteroklisie gelegt. Es konnte
z. B. ein acc. * faurhteinin, der zu * faurhteinis gehört, zugleich als zu * faurhti
beziehbar empfunden werden, umgekehrt aber auch natürlich ein acc. *faurhtjan
zum nom. *faurhteinis. Dass nun die letztere Möglichkeit keine Spuren hinter-
lassen hat, liegt offenbar darin, dass das erst im Germanischen zu starker An-
wendung gekommene -ni- in seiner ganz einseitigen Bedeutung lebendiger em-
pfunden wurde, als das auch andern Zwecken dienende -ja-, wie sich überhaupt
unmittelbar auf Verba zurückgehende, ihre verbale Natur gewissermassen halb
bewahrende Abstractbildungen immer in den Sprachen die grössere Beweglich-
keit und Sinnlichkeit bewahren. Mit einem Worte also: der nom. sg. * faurhti
verlor seine Casus obl.; dieser Verlust ist weniger gross, als es scheinen möchte,
wenn man bedenkt, dass die Plurale von den allermeisten dieser Abstracta kaum
je vorkommen können, dass von den cass. obl. des Singulars aber der acc. in
der Häufigkeit der Anwendung den gen. und dat. bei weitem übertreffen muss,
sodass in der That auf die Accusativform das grösste Gewicht zu legen ist, und
von ihr die weitere Entwicklung abhangen wird; vgl. Grimm, Gr.3 p. 544, wenn
auch in etwas anderer Beziehung: "Uebergänge veranlasste schon im Gothischen
der gleichlautende acc. sg. beider Declinationen." -- Nach der Wirkung des con-
sonantischen Auslautsgesetzes entstand der acc. *fauhrteini, die Nominative
*faurhti, *faurhteinis blieben noch unberührt. Nun wurde durch das vocalische
Auslautsgesetz der acc. *faurhteini zu faurhtein, der nom. *faurhti hätte zu *faurhti
werden sollen. Diese Verkürzung wurde verhindert durch die Zugehörigkeit der-
selben im Sprachgefühl zum acc. faurhtein, oder was auf dasselbe hinausläuft,
dieses schuf zu dem acc. faurhtein einen entsprechenden neuen Nominativ, wel-
cher der alten Form gleich war, d. h. den nom. eines n-stammes, während bei den

Leskien, slav.-lit. u. germ. Decl. 7

ii. Die Casus des Plurals.
der Auslautsgesetze, denn hätten diese den nom. als * bandjā vorgefunden, diesen
zu * bandjă verändert, wie der Accusativ * bandjān zu bandja wurde, und wäre
dann erst die Contraction eingetreten, so ist es unverständlich, warum nicht nom.
und acc. gleich behandelt sind, da die Sprache doch beim fem. a-stamm die
beiden Casus nicht scheidet (nom.-acc. giba). Wir haben also ein *bandi aus
* bandjā, vor dem Wirken der Auslautsgesetze entstanden, als nom. einem acc.
* bandjān gegenüberzustellen.

2. Mit Ausnahme von hlasei zu hlasa-, frijei zu frija-, latei — lata-, afgudei
— afguda-, inahei — inaha-, unagei
zu einem zu erschliessenden *unaga-, faihuf-
rikei
zu faihufrika- (anaviljei und gafraþjei zu den Adjectivst. -vilja- und -fraþja-)
sind alle andern Adjectiva, die den Abstracten zu Grunde liegen, der Art, dass
sie entweder lange Wurzelsilbe haben oder mehrere Bildungssilben nach der
Wurzel (vgl. das Verzeichniss bei Leo Meyer, Gr. Spr. § 465), also von allen
diesen uns vorliegenden Beispielen musste der nom. sg. eines Abstractums auf
-- einmal den Auslaut -ī haben, z. B. * faurhtei, * handugei, oder, um durch
die gotische Schreibweise nicht irre zu führen, * faurhtī u. s. w.

3. Wenn sich nun, wie oben ausgeführt, die Sprache daran gewöhnte, eine
grosse Anzahl derartiger Bildungen promiscue mit den Verbalabstracten auf -eini-
zu gebrauchen, so war damit der Grund zu einer Heteroklisie gelegt. Es konnte
z. B. ein acc. * faurhteinin, der zu * faurhteinis gehört, zugleich als zu * faurhti
beziehbar empfunden werden, umgekehrt aber auch natürlich ein acc. *faurhtjān
zum nom. *faurhteinis. Dass nun die letztere Möglichkeit keine Spuren hinter-
lassen hat, liegt offenbar darin, dass das erst im Germanischen zu starker An-
wendung gekommene -ni- in seiner ganz einseitigen Bedeutung lebendiger em-
pfunden wurde, als das auch andern Zwecken dienende --, wie sich überhaupt
unmittelbar auf Verba zurückgehende, ihre verbale Natur gewissermassen halb
bewahrende Abstractbildungen immer in den Sprachen die grössere Beweglich-
keit und Sinnlichkeit bewahren. Mit einem Worte also: der nom. sg. * faurhti
verlor seine Casus obl.; dieser Verlust ist weniger gross, als es scheinen möchte,
wenn man bedenkt, dass die Plurale von den allermeisten dieser Abstracta kaum
je vorkommen können, dass von den cass. obl. des Singulars aber der acc. in
der Häufigkeit der Anwendung den gen. und dat. bei weitem übertreffen muss,
sodass in der That auf die Accusativform das grösste Gewicht zu legen ist, und
von ihr die weitere Entwicklung abhangen wird; vgl. Grimm, Gr.3 p. 544, wenn
auch in etwas anderer Beziehung: «Uebergänge veranlasste schon im Gothischen
der gleichlautende acc. sg. beider Declinationen.» — Nach der Wirkung des con-
sonantischen Auslautsgesetzes entstand der acc. *fauhrteini, die Nominative
*faurhti, *faurhteinis blieben noch unberührt. Nun wurde durch das vocalische
Auslautsgesetz der acc. *faurhteini zu faurhtein, der nom. *faurhti hätte zu *faurhti
werden sollen. Diese Verkürzung wurde verhindert durch die Zugehörigkeit der-
selben im Sprachgefühl zum acc. faurhtein, oder was auf dasselbe hinausläuft,
dieses schuf zu dem acc. faurhtein einen entsprechenden neuen Nominativ, wel-
cher der alten Form gleich war, d. h. den nom. eines n-stammes, während bei den

Leskien, slav.-lit. u. germ. Decl. 7
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[97/0133] ii. Die Casus des Plurals. der Auslautsgesetze, denn hätten diese den nom. als * bandjā vorgefunden, diesen zu * bandjă verändert, wie der Accusativ * bandjān zu bandja wurde, und wäre dann erst die Contraction eingetreten, so ist es unverständlich, warum nicht nom. und acc. gleich behandelt sind, da die Sprache doch beim fem. a-stamm die beiden Casus nicht scheidet (nom.-acc. giba). Wir haben also ein *bandi aus * bandjā, vor dem Wirken der Auslautsgesetze entstanden, als nom. einem acc. * bandjān gegenüberzustellen. 2. Mit Ausnahme von hlasei zu hlasa-, frijei zu frija-, latei — lata-, afgudei — afguda-, inahei — inaha-, unagei zu einem zu erschliessenden *unaga-, faihuf- rikei zu faihufrika- (anaviljei und gafraþjei zu den Adjectivst. -vilja- und -fraþja-) sind alle andern Adjectiva, die den Abstracten zu Grunde liegen, der Art, dass sie entweder lange Wurzelsilbe haben oder mehrere Bildungssilben nach der Wurzel (vgl. das Verzeichniss bei Leo Meyer, Gr. Spr. § 465), also von allen diesen uns vorliegenden Beispielen musste der nom. sg. eines Abstractums auf -jā- einmal den Auslaut -ī haben, z. B. * faurhtei, * handugei, oder, um durch die gotische Schreibweise nicht irre zu führen, * faurhtī u. s. w. 3. Wenn sich nun, wie oben ausgeführt, die Sprache daran gewöhnte, eine grosse Anzahl derartiger Bildungen promiscue mit den Verbalabstracten auf -eini- zu gebrauchen, so war damit der Grund zu einer Heteroklisie gelegt. Es konnte z. B. ein acc. * faurhteinin, der zu * faurhteinis gehört, zugleich als zu * faurhti beziehbar empfunden werden, umgekehrt aber auch natürlich ein acc. *faurhtjān zum nom. *faurhteinis. Dass nun die letztere Möglichkeit keine Spuren hinter- lassen hat, liegt offenbar darin, dass das erst im Germanischen zu starker An- wendung gekommene -ni- in seiner ganz einseitigen Bedeutung lebendiger em- pfunden wurde, als das auch andern Zwecken dienende -jā-, wie sich überhaupt unmittelbar auf Verba zurückgehende, ihre verbale Natur gewissermassen halb bewahrende Abstractbildungen immer in den Sprachen die grössere Beweglich- keit und Sinnlichkeit bewahren. Mit einem Worte also: der nom. sg. * faurhti verlor seine Casus obl.; dieser Verlust ist weniger gross, als es scheinen möchte, wenn man bedenkt, dass die Plurale von den allermeisten dieser Abstracta kaum je vorkommen können, dass von den cass. obl. des Singulars aber der acc. in der Häufigkeit der Anwendung den gen. und dat. bei weitem übertreffen muss, sodass in der That auf die Accusativform das grösste Gewicht zu legen ist, und von ihr die weitere Entwicklung abhangen wird; vgl. Grimm, Gr.3 p. 544, wenn auch in etwas anderer Beziehung: «Uebergänge veranlasste schon im Gothischen der gleichlautende acc. sg. beider Declinationen.» — Nach der Wirkung des con- sonantischen Auslautsgesetzes entstand der acc. *fauhrteini, die Nominative *faurhti, *faurhteinis blieben noch unberührt. Nun wurde durch das vocalische Auslautsgesetz der acc. *faurhteini zu faurhtein, der nom. *faurhti hätte zu *faurhti werden sollen. Diese Verkürzung wurde verhindert durch die Zugehörigkeit der- selben im Sprachgefühl zum acc. faurhtein, oder was auf dasselbe hinausläuft, dieses schuf zu dem acc. faurhtein einen entsprechenden neuen Nominativ, wel- cher der alten Form gleich war, d. h. den nom. eines n-stammes, während bei den Leskien, slav.-lit. u. germ. Decl. 7

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/133>, abgerufen am 21.11.2024.