Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

b. Declination der Pronomina.
litauischen manes, taves, saves zu verbinden, oder, lassen wir raky, duse als
möglicher Weise erst dem Pronomen entlehnte Formen bei Seite, toje mit den
litauischen Genitiven in Zusammenhang zu setzen? Sieht man die Sache von
ihrer historischen Seite an, so wird man nach der folgenden Auseinandersetzung,
bei der ich etwas ins Personalpronomen übergreifen muss, zugeben, dass manes
u. s. w. eher litauische Neubildungen sind als irgend etwas anderes, altererbtes.
Im Slavischen lauten die obliquen Casus des Singulars der Personalpronomina,
das Reflexivum eingerechnet, so:
[Tabelle]
Dazu kommen als enclitische Nebenformen des Dativs: mi, si, ti. Man wird ohne
weiteres bemerken, dass der loc.-dat. und instr. nach Analogie der femininalen
a-stämme gebildet sind (zene, dusi, zenoja), also für die pronominale Flexion zu-
nächst nicht in Betracht kommen. Die acc. sind = skrt. mam u. s. w. und
stehen zunächst für * men, *ten, *sen; die Dative mi u. s. f. = altem *mai u. s. w.
Die Genitive haben nichts von den sonst gebräuchlichen Genitivendungen an sich,
gleichen aber so genau den arischen, zend. mana, tava, skrt. mama (wohl nur
durch Assimilation der beiden Silben an einander für mana; über das slav. b
vgl. unten die Personalpronomina), dass man nicht den geringsten Zweifel an der
Identität des mene mit mana hegen kann. Die Färbung zu e hat der Vocal des
Pronominalstammes fast überall in den europäischen Sprachen, und das aus-
lautende a ist zu e geworden, wie z. B. im voc. vluce = *varka.

Stellen wir nun dazu die preussischen Formen:

[Tabelle]
so kann wieder kein Zweifel sein an der Identität des acc. mit dem slavischen,
noch eigenthümlicher aber ist die vollständige Uebereinstimmung der Dativformen,
sogar in dem b der 2. und 3. Person. Es ist daher im höchsten Grade wahr-
scheinlich, dass die Flexion dieser Pronomina im Slavischen und Litauischen
einst ganz dieselbe war, dass also der ursprüngliche Genitiv, der slavischen Form
entsprechend, dem Litauischen verloren gegangen ist. Schon im Preussischen
ist das der Fall, es braucht dafür den gen. sing. msc. des Possessivums, denn
twaise ist = * tvajasja, nom. sing. twais = * tvajas (slav. tvoji). Im Litauischen
dient für die possessive Bedeutung des Genitivs ebenfalls der gen. sing. msc. des
Possessivpronomens: mano (nom. sing. manas), tavo, savo. Dass der loc. sing.
und instr. sing. lit. manyje, tavyje, savyje; manimi, tavimi, savimi, der dat. man-
(ei) mit ihren den nominalen i-stämmen nachgebildeten Formen litauisch-lettische
Neubildungen sind, liegt auf der Hand. Dass die acc. mane, tave, save ebenfalls
solche sind, lässt sich gegenüber den preussischen Formen und dem erhaltenen
litauischen acc. refl. si und dem vereinzelten mi (= si, mi) nicht bestreiten.

b. Declination der Pronomina.
litauischen manę́s, tavę́s, savę́s zu verbinden, oder, lassen wir rąky, dušę als
möglicher Weise erst dem Pronomen entlehnte Formen bei Seite, toję mit den
litauischen Genitiven in Zusammenhang zu setzen? Sieht man die Sache von
ihrer historischen Seite an, so wird man nach der folgenden Auseinandersetzung,
bei der ich etwas ins Personalpronomen übergreifen muss, zugeben, dass manę́s
u. s. w. eher litauische Neubildungen sind als irgend etwas anderes, altererbtes.
Im Slavischen lauten die obliquen Casus des Singulars der Personalpronomina,
das Reflexivum eingerechnet, so:
[Tabelle]
Dazu kommen als enclitische Nebenformen des Dativs: mī, sī, tī. Man wird ohne
weiteres bemerken, dass der loc.-dat. und instr. nach Analogie der femininalen
ā-stämme gebildet sind (ženě, duši, ženoją), also für die pronominale Flexion zu-
nächst nicht in Betracht kommen. Die acc. sind = skrt. mām u. s. w. und
stehen zunächst für * mēn, *tēn, *sēn; die Dative u. s. f. = altem *mai u. s. w.
Die Genitive haben nichts von den sonst gebräuchlichen Genitivendungen an sich,
gleichen aber so genau den arischen, zend. mana, tava, skrt. mama (wohl nur
durch Assimilation der beiden Silben an einander für mana; über das slav. b
vgl. unten die Personalpronomina), dass man nicht den geringsten Zweifel an der
Identität des mene mit mana hegen kann. Die Färbung zu e hat der Vocal des
Pronominalstammes fast überall in den europäischen Sprachen, und das aus-
lautende a ist zu e geworden, wie z. B. im voc. vlŭče = *varka.

Stellen wir nun dazu die preussischen Formen:

[Tabelle]
so kann wieder kein Zweifel sein an der Identität des acc. mit dem slavischen,
noch eigenthümlicher aber ist die vollständige Uebereinstimmung der Dativformen,
sogar in dem b der 2. und 3. Person. Es ist daher im höchsten Grade wahr-
scheinlich, dass die Flexion dieser Pronomina im Slavischen und Litauischen
einst ganz dieselbe war, dass also der ursprüngliche Genitiv, der slavischen Form
entsprechend, dem Litauischen verloren gegangen ist. Schon im Preussischen
ist das der Fall, es braucht dafür den gen. sing. msc. des Possessivums, denn
twaise ist = * tvajasja, nom. sing. twais = * tvajas (slav. tvojĭ). Im Litauischen
dient für die possessive Bedeutung des Genitivs ebenfalls der gen. sing. msc. des
Possessivpronomens: manō (nom. sing. manas), tavō, savō. Dass der loc. sing.
und instr. sing. lit. manyjè, tavyjè, savyjè; manimì, tavimì, savimì, der dat. mán-
(ei) mit ihren den nominalen i-stämmen nachgebildeten Formen litauisch-lettische
Neubildungen sind, liegt auf der Hand. Dass die acc. manę̀, tavę̀, savę̀ ebenfalls
solche sind, lässt sich gegenüber den preussischen Formen und dem erhaltenen
litauischen acc. refl. si und dem vereinzelten mi (= si̧, mi̧) nicht bestreiten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0158" n="122"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#k">b. Declination der Pronomina</hi>.</fw><lb/>
litauischen <hi rendition="#i">man&#x0119;&#x0301;s, tav&#x0119;&#x0301;s, sav&#x0119;&#x0301;s</hi> zu verbinden, oder, lassen wir <hi rendition="#i">r&#x0105;ky, du&#x0161;&#x0119;</hi> als<lb/>
möglicher Weise erst dem Pronomen entlehnte Formen bei Seite, <hi rendition="#i">toj&#x0119;</hi> mit den<lb/>
litauischen Genitiven in Zusammenhang zu setzen? Sieht man die Sache von<lb/>
ihrer historischen Seite an, so wird man nach der folgenden Auseinandersetzung,<lb/>
bei der ich etwas ins Personalpronomen übergreifen muss, zugeben, dass <hi rendition="#i">man&#x0119;&#x0301;s</hi><lb/>
u. s. w. eher litauische Neubildungen sind als irgend etwas anderes, altererbtes.<lb/>
Im Slavischen lauten die obliquen Casus des Singulars der Personalpronomina,<lb/>
das Reflexivum eingerechnet, so:<lb/><table><row><cell/></row></table> Dazu kommen als enclitische Nebenformen des Dativs: <hi rendition="#i">m&#x012B;, s&#x012B;, t&#x012B;</hi>. Man wird ohne<lb/>
weiteres bemerken, dass der loc.-dat. und instr. nach Analogie der femininalen<lb/><hi rendition="#i">&#x0101;-</hi>stämme gebildet sind (<hi rendition="#i">&#x017E;en&#x011B;, du&#x0161;i, &#x017E;enoj&#x0105;</hi>), also für die pronominale Flexion zu-<lb/>
nächst nicht in Betracht kommen. Die acc. sind = skrt. <hi rendition="#i">m&#x0101;m</hi> u. s. w. und<lb/>
stehen zunächst für * <hi rendition="#i">m&#x0113;n, *t&#x0113;n, *s&#x0113;n;</hi> die Dative <hi rendition="#i">m&#x012B;</hi> u. s. f. = altem *<hi rendition="#i">mai</hi> u. s. w.<lb/>
Die Genitive haben nichts von den sonst gebräuchlichen Genitivendungen an sich,<lb/>
gleichen aber so genau den arischen, zend. <hi rendition="#i">mana, tava</hi>, skrt. <hi rendition="#i">mama</hi> (wohl nur<lb/>
durch Assimilation der beiden Silben an einander für <hi rendition="#i">mana;</hi> über das slav. <hi rendition="#i">b</hi><lb/>
vgl. unten die Personalpronomina), dass man nicht den geringsten Zweifel an der<lb/>
Identität des <hi rendition="#i">mene</hi> mit <hi rendition="#i">mana</hi> hegen kann. Die Färbung zu <hi rendition="#i">e</hi> hat der Vocal des<lb/>
Pronominalstammes fast überall in den europäischen Sprachen, und das aus-<lb/>
lautende <hi rendition="#i">a</hi> ist zu <hi rendition="#i">e</hi> geworden, wie z. B. im voc. <hi rendition="#i">vl&#x016D;&#x010D;e</hi> = *<hi rendition="#i">varka</hi>.</p><lb/>
                <p>Stellen wir nun dazu die preussischen Formen:<lb/><table><row><cell/></row></table> so kann wieder kein Zweifel sein an der Identität des acc. mit dem slavischen,<lb/>
noch eigenthümlicher aber ist die vollständige Uebereinstimmung der Dativformen,<lb/>
sogar in dem <hi rendition="#i">b</hi> der 2. und 3. Person. Es ist daher im höchsten Grade wahr-<lb/>
scheinlich, dass die Flexion dieser Pronomina im Slavischen und Litauischen<lb/>
einst ganz dieselbe war, dass also der ursprüngliche Genitiv, der slavischen Form<lb/>
entsprechend, dem Litauischen verloren gegangen ist. Schon im Preussischen<lb/>
ist das der Fall, es braucht dafür den gen. sing. msc. des Possessivums, denn<lb/><hi rendition="#i">twaise</hi> ist = * <hi rendition="#i">tvajasja</hi>, nom. sing. <hi rendition="#i">twais</hi> = * <hi rendition="#i">tvajas</hi> (slav. <hi rendition="#i">tvoj&#x012D;</hi>). Im Litauischen<lb/>
dient für die possessive Bedeutung des Genitivs ebenfalls der gen. sing. msc. des<lb/>
Possessivpronomens: <hi rendition="#i">man&#x014D;</hi> (nom. sing. <hi rendition="#i">manas</hi>), <hi rendition="#i">tav&#x014D;, sav&#x014D;</hi>. Dass der loc. sing.<lb/>
und instr. sing. lit. <hi rendition="#i">manyjè, tavyjè, savyjè; manimì, tavimì, savimì</hi>, der dat. <hi rendition="#i">mán-</hi><lb/>
(<hi rendition="#i">ei</hi>) mit ihren den nominalen <hi rendition="#i">i-</hi>stämmen nachgebildeten Formen litauisch-lettische<lb/>
Neubildungen sind, liegt auf der Hand. Dass die acc. <hi rendition="#i">man&#x0119;&#x0300;, tav&#x0119;&#x0300;, sav&#x0119;&#x0300;</hi> ebenfalls<lb/>
solche sind, lässt sich gegenüber den preussischen Formen und dem erhaltenen<lb/>
litauischen acc. refl. <hi rendition="#i">si</hi> und dem vereinzelten <hi rendition="#i">mi</hi> (= <hi rendition="#i">si&#x0327;, mi&#x0327;</hi>) nicht bestreiten.<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[122/0158] b. Declination der Pronomina. litauischen manę́s, tavę́s, savę́s zu verbinden, oder, lassen wir rąky, dušę als möglicher Weise erst dem Pronomen entlehnte Formen bei Seite, toję mit den litauischen Genitiven in Zusammenhang zu setzen? Sieht man die Sache von ihrer historischen Seite an, so wird man nach der folgenden Auseinandersetzung, bei der ich etwas ins Personalpronomen übergreifen muss, zugeben, dass manę́s u. s. w. eher litauische Neubildungen sind als irgend etwas anderes, altererbtes. Im Slavischen lauten die obliquen Casus des Singulars der Personalpronomina, das Reflexivum eingerechnet, so: Dazu kommen als enclitische Nebenformen des Dativs: mī, sī, tī. Man wird ohne weiteres bemerken, dass der loc.-dat. und instr. nach Analogie der femininalen ā-stämme gebildet sind (ženě, duši, ženoją), also für die pronominale Flexion zu- nächst nicht in Betracht kommen. Die acc. sind = skrt. mām u. s. w. und stehen zunächst für * mēn, *tēn, *sēn; die Dative mī u. s. f. = altem *mai u. s. w. Die Genitive haben nichts von den sonst gebräuchlichen Genitivendungen an sich, gleichen aber so genau den arischen, zend. mana, tava, skrt. mama (wohl nur durch Assimilation der beiden Silben an einander für mana; über das slav. b vgl. unten die Personalpronomina), dass man nicht den geringsten Zweifel an der Identität des mene mit mana hegen kann. Die Färbung zu e hat der Vocal des Pronominalstammes fast überall in den europäischen Sprachen, und das aus- lautende a ist zu e geworden, wie z. B. im voc. vlŭče = *varka. Stellen wir nun dazu die preussischen Formen: so kann wieder kein Zweifel sein an der Identität des acc. mit dem slavischen, noch eigenthümlicher aber ist die vollständige Uebereinstimmung der Dativformen, sogar in dem b der 2. und 3. Person. Es ist daher im höchsten Grade wahr- scheinlich, dass die Flexion dieser Pronomina im Slavischen und Litauischen einst ganz dieselbe war, dass also der ursprüngliche Genitiv, der slavischen Form entsprechend, dem Litauischen verloren gegangen ist. Schon im Preussischen ist das der Fall, es braucht dafür den gen. sing. msc. des Possessivums, denn twaise ist = * tvajasja, nom. sing. twais = * tvajas (slav. tvojĭ). Im Litauischen dient für die possessive Bedeutung des Genitivs ebenfalls der gen. sing. msc. des Possessivpronomens: manō (nom. sing. manas), tavō, savō. Dass der loc. sing. und instr. sing. lit. manyjè, tavyjè, savyjè; manimì, tavimì, savimì, der dat. mán- (ei) mit ihren den nominalen i-stämmen nachgebildeten Formen litauisch-lettische Neubildungen sind, liegt auf der Hand. Dass die acc. manę̀, tavę̀, savę̀ ebenfalls solche sind, lässt sich gegenüber den preussischen Formen und dem erhaltenen litauischen acc. refl. si und dem vereinzelten mi (= si̧, mi̧) nicht bestreiten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/158
Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/158>, abgerufen am 21.11.2024.