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Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.

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i. Der nicht-persönlichen Pronomina.
auslautenden kurzen a des Gotischen, nämlich den in -u. Da nun Braune trotz-
dem die für tage vorausgesetzte Form * dagai und z. B. blindamma für dieselbe dati-
vische Casusform hält, muss er annehmen, dass das urgermanische Auslautsgesetz
aus * blindammai das i fallen liess, daher ahd. blintemu, dagegen in * dagai das i
festhielt, daher tage, und so kommt er zu der Formulirung: "indogerm. ai bleibt
im Germanischen in der zweiten Silbe, in der dritten wird es zu a verkürzt".
Darnach kann also der gotische nominale Dativ daga nicht = * dagai sein, und
Braune hält ihn für den Instrumental = althd. tagu. Nun blieben aber wieder
thamma, himma u. s. w. unerklärt, denn in diesen zweisilbigen Formen müsste
ja nach dem obigen Gesetze * thammai u. s. w. stehen, und Braune nimmt an,
dass thamma erst durch die Analogie von blindamma herbeigeführt sei. Dagegen
hat Paul a. a. O. mit Recht eingewandt, "dass die Flexion des Adjectivs sich immer
mehr der der Pronomina anbequemt, nicht umgekehrt" und als positiven Beweis
gegen Braunes Auffassung die Formen wie hvammeh angeführt, die das a von
thamma beweisen, das in einem vorausgesetzten * thammai nicht vorhanden ist. Da
aber auch Paul annimmt, dass mit Ausnahme der Medialformen (nimada etc.) u. s. w.
ai im Gotischen erhalten bleiben musste (für den Wegfall des i in den Medial-
endungen fehlt ihm die Erklärung), so bleibt ihm nichts übrig, als in thamma
einen anderen Casus zu suchen, und das kann dann nur der Ablativ tasmat sein.

Ich halte diese ganzen Auseinandersetzungen nicht für zutreffend. Bei Braune
(p. 34 des Sonderabdr.) heisst es: "von den Endungen [des Althochdeutschen]
auf unveränderliches o, welche sämmtlich aus langen Vocalen verkürzt sind, muss
man die Endungen trennen, die in den alten Quellen auslautendes u zeigen, das
dann in o übergeht. Diese Endvocale sind schon alte germanische Kürzen. Es
sind folgende sechs: 1) I. sg. praes. ind. st. v. und schw. v. I, nimu; 2) instr.
msc. ntr. tagu; 3) dat. sg. msc. st. adj. blintemu; 4) dat. sg. fem. st. adj. blin-
teru;
5) dat. sg. fem. a-Decl. gibu; 6) n. a. sg. der u-Decl. sunu, filu"; hinzu-
zufügen ist noch 7) der nom. acc. plur. ntr. auf -u, giuuatiu, cunnu. Der sechste
Fall, wo u ursprünglich ist, muss bei Seite gelassen werden, mit den anderen
hat es aber doch eine eigene Bewandtniss. Woher wissen wir denn so bestimmt,
dass gerade diese a, aus denen die u hervorgegangen sind, im Germanischen,
d. h. vor der Trennung der Dialekte, kurz waren? Für die Formen blintemu,
blinteru, gibu
trifft das nur dann zu, wenn man (angenommen, sie seien wirk-
liche Dative, und so lange die Annahme nicht absolut unmöglich wird, ist daran
festzuhalten, wie es ja auch Braune thut) -ai als Auslaut ansetzt, nimmt man
aber eine Grundform * gebai, * blindammai etc. an, wie es doch sicher ursprüng-
lich richtig ist (vgl. skrt. acvai fem., tasmai, griech. -e, -an), so ergiebt sich, die
bisherige Fassung des Auslautsgesetzes beibehalten, zunächst * geba. Die 1. sg.
praes. nimu, got. nima hat einen Nasal verloren, und wir wissen aus anderen
Fällen (got. gen. pl. e, o), wie der Nasal die Verkürzung verhindert. Braune
nimmt z. B. an, dass althd. hano nicht auf die gotische Form hana zurückgehe,
sondern auf ein * hano = hana, also wenn man auch die Auslaute nima, hana
des Gotischen für kurz hält, so folgt daraus nicht, dass das a für das Germanische
als kurz anzusetzen, sondern nur, dass es im Gotischen verkürzt ist. Bleibt allein

i. Der nicht-persönlichen Pronomina.
auslautenden kurzen a des Gotischen, nämlich den in -u. Da nun Braune trotz-
dem die für tage vorausgesetzte Form * dagai und z. B. blindamma für dieselbe dati-
vische Casusform hält, muss er annehmen, dass das urgermanische Auslautsgesetz
aus * blindammai das i fallen liess, daher ahd. blintemu, dagegen in * dagai das i
festhielt, daher tage, und so kommt er zu der Formulirung: «indogerm. ai bleibt
im Germanischen in der zweiten Silbe, in der dritten wird es zu a verkürzt».
Darnach kann also der gotische nominale Dativ daga nicht = * dagai sein, und
Braune hält ihn für den Instrumental = althd. tagu. Nun blieben aber wieder
þamma, himma u. s. w. unerklärt, denn in diesen zweisilbigen Formen müsste
ja nach dem obigen Gesetze * þammai u. s. w. stehen, und Braune nimmt an,
dass þamma erst durch die Analogie von blindamma herbeigeführt sei. Dagegen
hat Paul a. a. O. mit Recht eingewandt, «dass die Flexion des Adjectivs sich immer
mehr der der Pronomina anbequemt, nicht umgekehrt» und als positiven Beweis
gegen Braunes Auffassung die Formen wie hvammēh angeführt, die das ā von
þamma beweisen, das in einem vorausgesetzten * þammai nicht vorhanden ist. Da
aber auch Paul annimmt, dass mit Ausnahme der Medialformen (nimada etc.) u. s. w.
ai im Gotischen erhalten bleiben musste (für den Wegfall des i in den Medial-
endungen fehlt ihm die Erklärung), so bleibt ihm nichts übrig, als in þammā
einen anderen Casus zu suchen, und das kann dann nur der Ablativ tasmāt sein.

Ich halte diese ganzen Auseinandersetzungen nicht für zutreffend. Bei Braune
(p. 34 des Sonderabdr.) heisst es: «von den Endungen [des Althochdeutschen]
auf unveränderliches o, welche sämmtlich aus langen Vocalen verkürzt sind, muss
man die Endungen trennen, die in den alten Quellen auslautendes u zeigen, das
dann in o übergeht. Diese Endvocale sind schon alte germanische Kürzen. Es
sind folgende sechs: 1) I. sg. praes. ind. st. v. und schw. v. I, nimu; 2) instr.
msc. ntr. tagu; 3) dat. sg. msc. st. adj. blintemu; 4) dat. sg. fem. st. adj. blin-
teru;
5) dat. sg. fem. a-Decl. gibu; 6) n. a. sg. der u-Decl. sunu, filu»; hinzu-
zufügen ist noch 7) der nom. acc. plur. ntr. auf -u, giuuâtiu, cunnu. Der sechste
Fall, wo u ursprünglich ist, muss bei Seite gelassen werden, mit den anderen
hat es aber doch eine eigene Bewandtniss. Woher wissen wir denn so bestimmt,
dass gerade diese a, aus denen die u hervorgegangen sind, im Germanischen,
d. h. vor der Trennung der Dialekte, kurz waren? Für die Formen blintemu,
blinteru, gibu
trifft das nur dann zu, wenn man (angenommen, sie seien wirk-
liche Dative, und so lange die Annahme nicht absolut unmöglich wird, ist daran
festzuhalten, wie es ja auch Braune thut) -ai als Auslaut ansetzt, nimmt man
aber eine Grundform * gebāi, * blindammāi etc. an, wie es doch sicher ursprüng-
lich richtig ist (vgl. skrt. açvāi fem., tasmāi, griech. -ῃ, -ᾱͅ), so ergiebt sich, die
bisherige Fassung des Auslautsgesetzes beibehalten, zunächst * gebā. Die 1. sg.
praes. nimu, got. nima hat einen Nasal verloren, und wir wissen aus anderen
Fällen (got. gen. pl. ê, ô), wie der Nasal die Verkürzung verhindert. Braune
nimmt z. B. an, dass althd. hano nicht auf die gotische Form hana zurückgehe,
sondern auf ein * hanō = hanā, also wenn man auch die Auslaute nima, hana
des Gotischen für kurz hält, so folgt daraus nicht, dass das a für das Germanische
als kurz anzusetzen, sondern nur, dass es im Gotischen verkürzt ist. Bleibt allein

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[127/0163] i. Der nicht-persönlichen Pronomina. auslautenden kurzen a des Gotischen, nämlich den in -u. Da nun Braune trotz- dem die für tage vorausgesetzte Form * dagai und z. B. blindamma für dieselbe dati- vische Casusform hält, muss er annehmen, dass das urgermanische Auslautsgesetz aus * blindammai das i fallen liess, daher ahd. blintemu, dagegen in * dagai das i festhielt, daher tage, und so kommt er zu der Formulirung: «indogerm. ai bleibt im Germanischen in der zweiten Silbe, in der dritten wird es zu a verkürzt». Darnach kann also der gotische nominale Dativ daga nicht = * dagai sein, und Braune hält ihn für den Instrumental = althd. tagu. Nun blieben aber wieder þamma, himma u. s. w. unerklärt, denn in diesen zweisilbigen Formen müsste ja nach dem obigen Gesetze * þammai u. s. w. stehen, und Braune nimmt an, dass þamma erst durch die Analogie von blindamma herbeigeführt sei. Dagegen hat Paul a. a. O. mit Recht eingewandt, «dass die Flexion des Adjectivs sich immer mehr der der Pronomina anbequemt, nicht umgekehrt» und als positiven Beweis gegen Braunes Auffassung die Formen wie hvammēh angeführt, die das ā von þamma beweisen, das in einem vorausgesetzten * þammai nicht vorhanden ist. Da aber auch Paul annimmt, dass mit Ausnahme der Medialformen (nimada etc.) u. s. w. ai im Gotischen erhalten bleiben musste (für den Wegfall des i in den Medial- endungen fehlt ihm die Erklärung), so bleibt ihm nichts übrig, als in þammā einen anderen Casus zu suchen, und das kann dann nur der Ablativ tasmāt sein. Ich halte diese ganzen Auseinandersetzungen nicht für zutreffend. Bei Braune (p. 34 des Sonderabdr.) heisst es: «von den Endungen [des Althochdeutschen] auf unveränderliches o, welche sämmtlich aus langen Vocalen verkürzt sind, muss man die Endungen trennen, die in den alten Quellen auslautendes u zeigen, das dann in o übergeht. Diese Endvocale sind schon alte germanische Kürzen. Es sind folgende sechs: 1) I. sg. praes. ind. st. v. und schw. v. I, nimu; 2) instr. msc. ntr. tagu; 3) dat. sg. msc. st. adj. blintemu; 4) dat. sg. fem. st. adj. blin- teru; 5) dat. sg. fem. a-Decl. gibu; 6) n. a. sg. der u-Decl. sunu, filu»; hinzu- zufügen ist noch 7) der nom. acc. plur. ntr. auf -u, giuuâtiu, cunnu. Der sechste Fall, wo u ursprünglich ist, muss bei Seite gelassen werden, mit den anderen hat es aber doch eine eigene Bewandtniss. Woher wissen wir denn so bestimmt, dass gerade diese a, aus denen die u hervorgegangen sind, im Germanischen, d. h. vor der Trennung der Dialekte, kurz waren? Für die Formen blintemu, blinteru, gibu trifft das nur dann zu, wenn man (angenommen, sie seien wirk- liche Dative, und so lange die Annahme nicht absolut unmöglich wird, ist daran festzuhalten, wie es ja auch Braune thut) -ai als Auslaut ansetzt, nimmt man aber eine Grundform * gebāi, * blindammāi etc. an, wie es doch sicher ursprüng- lich richtig ist (vgl. skrt. açvāi fem., tasmāi, griech. -ῃ, -ᾱͅ), so ergiebt sich, die bisherige Fassung des Auslautsgesetzes beibehalten, zunächst * gebā. Die 1. sg. praes. nimu, got. nima hat einen Nasal verloren, und wir wissen aus anderen Fällen (got. gen. pl. ê, ô), wie der Nasal die Verkürzung verhindert. Braune nimmt z. B. an, dass althd. hano nicht auf die gotische Form hana zurückgehe, sondern auf ein * hanō = hanā, also wenn man auch die Auslaute nima, hana des Gotischen für kurz hält, so folgt daraus nicht, dass das a für das Germanische als kurz anzusetzen, sondern nur, dass es im Gotischen verkürzt ist. Bleibt allein

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Zitationshilfe: Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leskien_declination_1876/163>, abgerufen am 21.11.2024.