Leskien, August: Die Declination im Slavisch-Litauischen und Germanischen. Leipzig, 1876.a. Declination der Nomina. gleichung des althd. Dativs gebo, -u mit gibai und dem gegenüber des ahd. tagemit got. daga wird es ferner (s. Scherer a. a. O. 115 ff.) höchst wahrscheinlich, dass letzteres nicht auf -ai, sondern auf -ai ausging, also auch eine Locativform war. Die pronominalen Dative wie thamma, die äusserlich dem dat.-loc. daga gleichen, verhalten sich doch im althd. anders: demo, demu, und sind beim Pro- nomen besonders zu betrachten. Eine zweite Frage ist nun allerdings, ob wir in den übrigen germanischen Sprachen durchaus dieselbe Form haben, ob also das Gotische dazu die Grundform giebt. Unzweifelhaft ist das bei den consonanti- schen Stämmen der Fall, bei den a-stämmen steht der Identificirung wenigstens nichts im Wege. Bei den u-stämmen liegt altsächs. sunu, suno ein sunau zu Grunde, ebenso dem ags. suna und der von Scherer (a. a. O. S. 435) ange- führten altfriesischen Form auf -a = a = au; wenigstens möglich ist dieselbe Zurückführung auch bei der andern ags. Form sunu. Wenn Scherer den dat. fet, St. fotu- mit Recht zu den echten u-formen zählt und wegen des Umlauts auf die Endung -iu recurrirt, so tritt hier schon die abweichende Form, die im ahd. suniu und vielleicht im nord. velli (St. vallu-) gebildet wird, hervor. Jedenfalls haben wir sie im Ahd. klar vorliegen, dazu im dat. der i-stämme ensti = enstei. So kommen wir zu derselben Frage, wie oben beim gen. sg. der i-stämme, got. an- stais, ahd. ensti. Das ahd. suniu kann gotischem sunau nur unter der Voraussetzung gleichgestellt werden, dass das ältere * sunavi hier den Vocal a bewahrte, dort zu i schwächte; aus * sunivi aber musste suniu werden. Ebenso kann enstei nicht unmittelbar = anstai aus * anstaji sein, aus dem vielmehr hätte * ansta, * anste werden müssen, sondern nur durch die Mittelform * anstiji. So können die Formen erklärt werden; ob sie so erklärt werden müssen? Im Ahd. lautet der angenommene intsr. sg. ebenfalls suniu, und wenn man überlegt, dass der im Altsächsischen thatsächlich bestehende Fall der Lautgleichheit von gen. und dat. (beide suno) im Ahd. bei Zugrundelegung der gotischen Formen sunaus, sunau ebenfalls eintreten musste, liegt es durchaus nicht ausser dem Bereiche der Mög- lichkeit, dass hier die Instrumentalform, von der unten zu reden sein wird, den Dativ ersetze. Beim i-stamme aber bleibt die Ansetzung einer dem gen. enstei = urspr. *anstij-as (gebildet wie polios) analogen Bildungsweise *anstiji (wie polii) ebenfalls denkbar, so dass wir die im Griechischen bekannte Doppelbildung auch im Deutschen in zwei Singularcasus der i-sämme, gen. und loc., vermuthen dürfen. Eigentliche Dativformen können auch in den althochdeutschen Formen nicht gesucht werden. B. Die Locative und Dative des Litauischen und Slavischen. a) Die Locative des Litauischen. Können wir im Germanischen eigentliche Dative nicht nachweisen und a. Declination der Nomina. gleichung des althd. Dativs gëbo, -u mit gibāi und dem gegenüber des ahd. tagemit got. daga wird es ferner (s. Scherer a. a. O. 115 ff.) höchst wahrscheinlich, dass letzteres nicht auf -āi, sondern auf -ai ausging, also auch eine Locativform war. Die pronominalen Dative wie þamma, die äusserlich dem dat.-loc. daga gleichen, verhalten sich doch im althd. anders: dëmo, dëmu, und sind beim Pro- nomen besonders zu betrachten. Eine zweite Frage ist nun allerdings, ob wir in den übrigen germanischen Sprachen durchaus dieselbe Form haben, ob also das Gotische dazu die Grundform giebt. Unzweifelhaft ist das bei den consonanti- schen Stämmen der Fall, bei den a-stämmen steht der Identificirung wenigstens nichts im Wege. Bei den u-stämmen liegt altsächs. sunu, suno ein sunau zu Grunde, ebenso dem ags. suna und der von Scherer (a. a. O. S. 435) ange- führten altfriesischen Form auf -a = â = au; wenigstens möglich ist dieselbe Zurückführung auch bei der andern ags. Form sunu. Wenn Scherer den dat. fêt, St. fotu- mit Recht zu den echten u-formen zählt und wegen des Umlauts auf die Endung -iu recurrirt, so tritt hier schon die abweichende Form, die im ahd. suniu und vielleicht im nord. velli (St. vallu-) gebildet wird, hervor. Jedenfalls haben wir sie im Ahd. klar vorliegen, dazu im dat. der i-stämme ensti = enstî. So kommen wir zu derselben Frage, wie oben beim gen. sg. der i-stämme, got. an- stais, ahd. ensti. Das ahd. suniu kann gotischem sunau nur unter der Voraussetzung gleichgestellt werden, dass das ältere * sunavi hier den Vocal a bewahrte, dort zu i schwächte; aus * sunivi aber musste suniu werden. Ebenso kann enstî nicht unmittelbar = anstai aus * anstaji sein, aus dem vielmehr hätte * ansta, * anste werden müssen, sondern nur durch die Mittelform * anstiji. So können die Formen erklärt werden; ob sie so erklärt werden müssen? Im Ahd. lautet der angenommene intsr. sg. ebenfalls suniu, und wenn man überlegt, dass der im Altsächsischen thatsächlich bestehende Fall der Lautgleichheit von gen. und dat. (beide suno) im Ahd. bei Zugrundelegung der gotischen Formen sunaus, sunau ebenfalls eintreten musste, liegt es durchaus nicht ausser dem Bereiche der Mög- lichkeit, dass hier die Instrumentalform, von der unten zu reden sein wird, den Dativ ersetze. Beim i-stamme aber bleibt die Ansetzung einer dem gen. enstî = urspr. *anstij-as (gebildet wie πόλιος) analogen Bildungsweise *anstiji (wie πόλιι) ebenfalls denkbar, so dass wir die im Griechischen bekannte Doppelbildung auch im Deutschen in zwei Singularcasus der i-sämme, gen. und loc., vermuthen dürfen. Eigentliche Dativformen können auch in den althochdeutschen Formen nicht gesucht werden. B. Die Locative und Dative des Litauischen und Slavischen. a) Die Locative des Litauischen. 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a. Declination der Nomina.
gleichung des althd. Dativs gëbo, -u mit gibāi und dem gegenüber des ahd. tage
mit got. daga wird es ferner (s. Scherer a. a. O. 115 ff.) höchst wahrscheinlich,
dass letzteres nicht auf -āi, sondern auf -ai ausging, also auch eine Locativform
war. Die pronominalen Dative wie þamma, die äusserlich dem dat.-loc. daga
gleichen, verhalten sich doch im althd. anders: dëmo, dëmu, und sind beim Pro-
nomen besonders zu betrachten. Eine zweite Frage ist nun allerdings, ob wir in
den übrigen germanischen Sprachen durchaus dieselbe Form haben, ob also das
Gotische dazu die Grundform giebt. Unzweifelhaft ist das bei den consonanti-
schen Stämmen der Fall, bei den a-stämmen steht der Identificirung wenigstens
nichts im Wege. Bei den u-stämmen liegt altsächs. sunu, suno ein sunau zu
Grunde, ebenso dem ags. suna und der von Scherer (a. a. O. S. 435) ange-
führten altfriesischen Form auf -a = â = au; wenigstens möglich ist dieselbe
Zurückführung auch bei der andern ags. Form sunu. Wenn Scherer den dat.
fêt, St. fotu- mit Recht zu den echten u-formen zählt und wegen des Umlauts auf
die Endung -iu recurrirt, so tritt hier schon die abweichende Form, die im ahd.
suniu und vielleicht im nord. velli (St. vallu-) gebildet wird, hervor. Jedenfalls
haben wir sie im Ahd. klar vorliegen, dazu im dat. der i-stämme ensti = enstî.
So kommen wir zu derselben Frage, wie oben beim gen. sg. der i-stämme, got. an-
stais, ahd. ensti. Das ahd. suniu kann gotischem sunau nur unter der Voraussetzung
gleichgestellt werden, dass das ältere * sunavi hier den Vocal a bewahrte, dort
zu i schwächte; aus * sunivi aber musste suniu werden. Ebenso kann enstî nicht
unmittelbar = anstai aus * anstaji sein, aus dem vielmehr hätte * ansta, * anste
werden müssen, sondern nur durch die Mittelform * anstiji. So können die
Formen erklärt werden; ob sie so erklärt werden müssen? Im Ahd. lautet der
angenommene intsr. sg. ebenfalls suniu, und wenn man überlegt, dass der im
Altsächsischen thatsächlich bestehende Fall der Lautgleichheit von gen. und dat.
(beide suno) im Ahd. bei Zugrundelegung der gotischen Formen sunaus, sunau
ebenfalls eintreten musste, liegt es durchaus nicht ausser dem Bereiche der Mög-
lichkeit, dass hier die Instrumentalform, von der unten zu reden sein wird, den
Dativ ersetze. Beim i-stamme aber bleibt die Ansetzung einer dem gen. enstî =
urspr. *anstij-as (gebildet wie πόλιος) analogen Bildungsweise *anstiji (wie πόλιι)
ebenfalls denkbar, so dass wir die im Griechischen bekannte Doppelbildung auch
im Deutschen in zwei Singularcasus der i-sämme, gen. und loc., vermuthen
dürfen. Eigentliche Dativformen können auch in den althochdeutschen Formen
nicht gesucht werden.
B. Die Locative und Dative des Litauischen und Slavischen.
a) Die Locative des Litauischen.
Können wir im Germanischen eigentliche Dative nicht nachweisen und
sicher behaupten, dass eine functionelle Trennung der beiden Casus nicht oder
nicht mehr existirt, so haben wir im Litauischen eine sowohl formell als functionell
vollständig deutliche Scheidung der Casus, aber auch wieder auffallende Er-
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