Lesser, Ludwig: Zur Geschichte der Berliner Börse und des Eisenbahnaktien-Handels. Berlin, 1844.sich von der Residenz auch in die Provinzen verpflanzt ſich von der Reſidenz auch in die Provinzen verpflanzt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0022" n="16"/> ſich von der Reſidenz auch in die Provinzen verpflanzt<lb/> So war denn auch in <hi rendition="#g">Magdeburg, Stettin, Frank-<lb/> furt</hi> a. O., <hi rendition="#g">Poſen,</hi> ſelbſt in den meiſten, durch die<lb/> Eiſenbahn Berlin näher gerückten, <hi rendition="#g">kleineren Städ-<lb/> ten,</hi> vor Allem aber in <hi rendition="#g">Breslau</hi> der Handel mit<lb/> Quittungsbogen wie eine allgemeine epidemiſche Krank-<lb/> heit eingeriſſen. Auch dort ſpekulirte Alles, vom Stan-<lb/> desherrn bis zum Tagsarbeiter; alle kaufmänniſchen<lb/> Branchen hatten ſich auch dort in die eine des Aktien-<lb/> geſchäfts aufgelöſt, und ſo wanderten wie in einem<lb/> organiſirten Reiche die Agenten der Agiotage unauf-<lb/> hörlich nach Berlin und von da zurück, um hier friſche<lb/> Pläne auszukundſchaften, ihre außerhalb angeſponnenen<lb/> Geſchäfte hier gewinnreich abzuwickeln, oder einen<lb/> neuen Jmpuls zu ferneren Operationen der Jobberei<lb/> zu geben. Die Berliner Börſe war dadurch noch vol-<lb/> ler, gemiſchter geworden; die Anweſenheit hunderter<lb/> von einheimiſchen Particuliers und Glücksjägern, von<lb/> fremden Spekulirenden und Abentheurern, welche, ob-<lb/> gleich vielfach die Repräſentanten der Unbildung, der<lb/> Unſitte und Unanſtändigkeit, den Beſuch der Börſe,<lb/> wenn auch unbefugt, doch leider ungehindert ſich er-<lb/> laubten, hatten dieſe zu einem großen, widerwärtigen<lb/> Markte geſtaltet, auf dem die Minorität der achtbaren<lb/> Kaufleute, der ehrenwerthen dem Treiben der Agiotage<lb/> ſich fern haltenden erſten Handelsfirmen, ein ſchon<lb/> deshalb ſehr betrübendes Bild darbot, weil dieſe an<lb/> dem ihnen geſetzlich angewieſenen Geſchäftsorte zu er-<lb/> ſcheinen <hi rendition="#g">gezwungen waren,</hi> obgleich ſie ihre kauf-<lb/> männiſche Würde, wie ihr Ehrgefühl jetzt dort täglich<lb/> auf empörende Weiſe verletzen ſehen mußten. Hierzu<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [16/0022]
ſich von der Reſidenz auch in die Provinzen verpflanzt
So war denn auch in Magdeburg, Stettin, Frank-
furt a. O., Poſen, ſelbſt in den meiſten, durch die
Eiſenbahn Berlin näher gerückten, kleineren Städ-
ten, vor Allem aber in Breslau der Handel mit
Quittungsbogen wie eine allgemeine epidemiſche Krank-
heit eingeriſſen. Auch dort ſpekulirte Alles, vom Stan-
desherrn bis zum Tagsarbeiter; alle kaufmänniſchen
Branchen hatten ſich auch dort in die eine des Aktien-
geſchäfts aufgelöſt, und ſo wanderten wie in einem
organiſirten Reiche die Agenten der Agiotage unauf-
hörlich nach Berlin und von da zurück, um hier friſche
Pläne auszukundſchaften, ihre außerhalb angeſponnenen
Geſchäfte hier gewinnreich abzuwickeln, oder einen
neuen Jmpuls zu ferneren Operationen der Jobberei
zu geben. Die Berliner Börſe war dadurch noch vol-
ler, gemiſchter geworden; die Anweſenheit hunderter
von einheimiſchen Particuliers und Glücksjägern, von
fremden Spekulirenden und Abentheurern, welche, ob-
gleich vielfach die Repräſentanten der Unbildung, der
Unſitte und Unanſtändigkeit, den Beſuch der Börſe,
wenn auch unbefugt, doch leider ungehindert ſich er-
laubten, hatten dieſe zu einem großen, widerwärtigen
Markte geſtaltet, auf dem die Minorität der achtbaren
Kaufleute, der ehrenwerthen dem Treiben der Agiotage
ſich fern haltenden erſten Handelsfirmen, ein ſchon
deshalb ſehr betrübendes Bild darbot, weil dieſe an
dem ihnen geſetzlich angewieſenen Geſchäftsorte zu er-
ſcheinen gezwungen waren, obgleich ſie ihre kauf-
männiſche Würde, wie ihr Ehrgefühl jetzt dort täglich
auf empörende Weiſe verletzen ſehen mußten. Hierzu
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