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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].

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ter meinen Text. Denn es ist falsch, daß meine
Elisabeth acht und sechzig Jahr alt ist. Weiset
mir doch, wo ich das sage. Was ist in meinem
Stücke, das Euch hinderte, sie nicht ungefehr
mit dem Essex von gleichem Alter anzunehmen?
Ihr sagt: Sie war aber nicht von gleichem Al-
ter: Welche Sie? Eure Elisabeth im Rapin
de Thoyras; das kann seyn. Aber warum
habt ihr den Rapin de Thoyras gelesen? Warum
seyd ihr so gelehrt? Warum vermengt ihr diese
Elisabeth mit meiner? Glaubt ihr im Ernst,
daß die Erinnerung bey dem und jenem Zu-
schauer, der den Rapin de Thoyras auch einmal
gelesen hat, lebhafter seyn werde, als der sinn-
liche Eindruck, den eine wohlgebildete Aktrice
in ihren besten Jahren auf ihn macht? Er sieht
ja meine Elisabeth; und seine eigene Augen über-
zeugen ihn, daß es nicht eure achtzigjährige Eli-
sabeth ist. Oder wird er dem Rapin de Thoyras
mehr glauben, als seinen eignen Augen?" --

So ungefehr könnte sich auch der Dichter über
die Rolle des Essex erklären. "Euer Essex im
Rapin de Thoyras, könnte er sagen, ist nur der
Embryo von dem meinigen. Was sich jener zu
seyn dünkte, ist meiner wirklich. Was jener,
unter glücklichern Umständen, für die Königinn
vielleicht gethan hätte, hat meiner gethan. Ihr
hört ja, daß es ihm die Königinn selbst zuge-
steht; wollt ihr meiner Königinn nicht eben so

viel
A a 2

ter meinen Text. Denn es iſt falſch, daß meine
Eliſabeth acht und ſechzig Jahr alt iſt. Weiſet
mir doch, wo ich das ſage. Was iſt in meinem
Stuͤcke, das Euch hinderte, ſie nicht ungefehr
mit dem Eſſex von gleichem Alter anzunehmen?
Ihr ſagt: Sie war aber nicht von gleichem Al-
ter: Welche Sie? Eure Eliſabeth im Rapin
de Thoyras; das kann ſeyn. Aber warum
habt ihr den Rapin de Thoyras geleſen? Warum
ſeyd ihr ſo gelehrt? Warum vermengt ihr dieſe
Eliſabeth mit meiner? Glaubt ihr im Ernſt,
daß die Erinnerung bey dem und jenem Zu-
ſchauer, der den Rapin de Thoyras auch einmal
geleſen hat, lebhafter ſeyn werde, als der ſinn-
liche Eindruck, den eine wohlgebildete Aktrice
in ihren beſten Jahren auf ihn macht? Er ſieht
ja meine Eliſabeth; und ſeine eigene Augen uͤber-
zeugen ihn, daß es nicht eure achtzigjaͤhrige Eli-
ſabeth iſt. Oder wird er dem Rapin de Thoyras
mehr glauben, als ſeinen eignen Augen?〟 —

So ungefehr koͤnnte ſich auch der Dichter uͤber
die Rolle des Eſſex erklaͤren. 〟Euer Eſſex im
Rapin de Thoyras, koͤnnte er ſagen, iſt nur der
Embryo von dem meinigen. Was ſich jener zu
ſeyn duͤnkte, iſt meiner wirklich. Was jener,
unter gluͤcklichern Umſtaͤnden, fuͤr die Koͤniginn
vielleicht gethan haͤtte, hat meiner gethan. Ihr
hoͤrt ja, daß es ihm die Koͤniginn ſelbſt zuge-
ſteht; wollt ihr meiner Koͤniginn nicht eben ſo

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[187/0201] ter meinen Text. Denn es iſt falſch, daß meine Eliſabeth acht und ſechzig Jahr alt iſt. Weiſet mir doch, wo ich das ſage. Was iſt in meinem Stuͤcke, das Euch hinderte, ſie nicht ungefehr mit dem Eſſex von gleichem Alter anzunehmen? Ihr ſagt: Sie war aber nicht von gleichem Al- ter: Welche Sie? Eure Eliſabeth im Rapin de Thoyras; das kann ſeyn. Aber warum habt ihr den Rapin de Thoyras geleſen? Warum ſeyd ihr ſo gelehrt? Warum vermengt ihr dieſe Eliſabeth mit meiner? Glaubt ihr im Ernſt, daß die Erinnerung bey dem und jenem Zu- ſchauer, der den Rapin de Thoyras auch einmal geleſen hat, lebhafter ſeyn werde, als der ſinn- liche Eindruck, den eine wohlgebildete Aktrice in ihren beſten Jahren auf ihn macht? Er ſieht ja meine Eliſabeth; und ſeine eigene Augen uͤber- zeugen ihn, daß es nicht eure achtzigjaͤhrige Eli- ſabeth iſt. Oder wird er dem Rapin de Thoyras mehr glauben, als ſeinen eignen Augen?〟 — So ungefehr koͤnnte ſich auch der Dichter uͤber die Rolle des Eſſex erklaͤren. 〟Euer Eſſex im Rapin de Thoyras, koͤnnte er ſagen, iſt nur der Embryo von dem meinigen. Was ſich jener zu ſeyn duͤnkte, iſt meiner wirklich. Was jener, unter gluͤcklichern Umſtaͤnden, fuͤr die Koͤniginn vielleicht gethan haͤtte, hat meiner gethan. Ihr hoͤrt ja, daß es ihm die Koͤniginn ſelbſt zuge- ſteht; wollt ihr meiner Koͤniginn nicht eben ſo viel A a 2

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/201>, abgerufen am 21.11.2024.