mehr um Gnade bitten werde, daß er viel zu stolz dazu sey. Dieser Stolz schickt sich sehr wohl für einen tugendhaften unschuldigen Hel- den, aber für keinen Mann, der des Hochver- raths überwiesen ist. Er soll sich unterwerfen: sagt die Königinn. Ist das wohl die eigentliche Gesinnung, die sie haben muß, wenn sie ihn liebt? Wenn er sich nun unterworfen, wenn er nun ihre Verzeihung angenommen hat, wird Elisabeth darum von ihm mehr geliebt, als zu- vor? Ich liebe ihn hundertmal mehr, als mich selbst: sagt die Königinn. Ah, Madame; wenn es so weit mit Ihnen gekommen ist, wenn Ihre Leidenschaft so heftig geworden: so unter- suchen Sie doch die Beschuldigungen Ihres Ge- liebten selbst, und verstatten nicht, daß ihn seine Feinde unter Ihrem Namen so verfolgen und unterdrücken, wie es durch das ganze Stück, obwohl ganz ohne Grund, heißt." "Auch aus dem Freunde des Grafen, dem Salisbury, kann man nicht klug werden, ob er ihn für schuldig oder für unschuldig hält. Er stellt der Königinn vor, daß der Anschein öfters betriege, daß man alles von der Partheylichkeit und Ungerechtigkeit seiner Richter zu besorgen habe. Gleichwohl nimmt er seine Zuflucht zur Gnade der Königinn. Was hatte er dieses nöthig, wenn er seinen Freund nicht straf bar glaubte? Aber was soll der Zuschauer glau-
ben?
mehr um Gnade bitten werde, daß er viel zu ſtolz dazu ſey. Dieſer Stolz ſchickt ſich ſehr wohl fuͤr einen tugendhaften unſchuldigen Hel- den, aber fuͤr keinen Mann, der des Hochver- raths uͤberwieſen iſt. Er ſoll ſich unterwerfen: ſagt die Koͤniginn. Iſt das wohl die eigentliche Geſinnung, die ſie haben muß, wenn ſie ihn liebt? Wenn er ſich nun unterworfen, wenn er nun ihre Verzeihung angenommen hat, wird Eliſabeth darum von ihm mehr geliebt, als zu- vor? Ich liebe ihn hundertmal mehr, als mich ſelbſt: ſagt die Koͤniginn. Ah, Madame; wenn es ſo weit mit Ihnen gekommen iſt, wenn Ihre Leidenſchaft ſo heftig geworden: ſo unter- ſuchen Sie doch die Beſchuldigungen Ihres Ge- liebten ſelbſt, und verſtatten nicht, daß ihn ſeine Feinde unter Ihrem Namen ſo verfolgen und unterdruͤcken, wie es durch das ganze Stuͤck, obwohl ganz ohne Grund, heißt.〟 〟Auch aus dem Freunde des Grafen, dem Salisbury, kann man nicht klug werden, ob er ihn fuͤr ſchuldig oder fuͤr unſchuldig haͤlt. Er ſtellt der Koͤniginn vor, daß der Anſchein oͤfters betriege, daß man alles von der Partheylichkeit und Ungerechtigkeit ſeiner Richter zu beſorgen habe. Gleichwohl nimmt er ſeine Zuflucht zur Gnade der Koͤniginn. Was hatte er dieſes noͤthig, wenn er ſeinen Freund nicht ſtraf bar glaubte? Aber was ſoll der Zuſchauer glau-
ben?
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mehr um Gnade bitten werde, daß er viel zu
ſtolz dazu ſey. Dieſer Stolz ſchickt ſich ſehr
wohl fuͤr einen tugendhaften unſchuldigen Hel-
den, aber fuͤr keinen Mann, der des Hochver-
raths uͤberwieſen iſt. Er ſoll ſich unterwerfen:
ſagt die Koͤniginn. Iſt das wohl die eigentliche
Geſinnung, die ſie haben muß, wenn ſie ihn
liebt? Wenn er ſich nun unterworfen, wenn er
nun ihre Verzeihung angenommen hat, wird
Eliſabeth darum von ihm mehr geliebt, als zu-
vor? Ich liebe ihn hundertmal mehr, als mich
ſelbſt: ſagt die Koͤniginn. Ah, Madame;
wenn es ſo weit mit Ihnen gekommen iſt, wenn
Ihre Leidenſchaft ſo heftig geworden: ſo unter-
ſuchen Sie doch die Beſchuldigungen Ihres Ge-
liebten ſelbſt, und verſtatten nicht, daß ihn ſeine
Feinde unter Ihrem Namen ſo verfolgen und
unterdruͤcken, wie es durch das ganze Stuͤck,
obwohl ganz ohne Grund, heißt.〟
〟Auch aus dem Freunde des Grafen, dem
Salisbury, kann man nicht klug werden, ob er
ihn fuͤr ſchuldig oder fuͤr unſchuldig haͤlt. Er
ſtellt der Koͤniginn vor, daß der Anſchein oͤfters
betriege, daß man alles von der Partheylichkeit
und Ungerechtigkeit ſeiner Richter zu beſorgen
habe. Gleichwohl nimmt er ſeine Zuflucht
zur Gnade der Koͤniginn. Was hatte er dieſes
noͤthig, wenn er ſeinen Freund nicht ſtraf bar
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/205>, abgerufen am 21.11.2024.
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