ausgab. Dieses geneigtere nahm es für nichts mehr auf, als es ist; für eine Farce, für ein Possenspiel, das zu lachen machen soll; man lachte, und war dankbar. Jenes Publikum dachte:
---- non satis est risu diducere rictum Auditoris ---- ---- ----
und dieses:
---- & est quaedam tamen hic quoque virtus.
Ausser der Versification, die noch dazu sehr fehlerhaft und nachläßig ist, kann dem Regnard dieses Lustspiel nicht viel Mühe gemacht haben. Den Charakter seiner Hauptperson fand er bey dem La Bruyere völlig entworfen. Er hatte nichts zu thun, als die vornehmsten Züge Theils in Handlung zu bringen, Theils erzehlen zu las- sen. Was er von dem Seinigen hinzufügte, will nicht viel sagen.
Wider dieses Urtheil ist nichts einzuwenden; aber wider eine andere Kritik, die den Dichter auf der Seite der Moralität fassen will, desto mehr. Ein Zerstreuter soll kein Vowurf für die Komödie seyn. Warum nicht? Zerstreut seyn, sagt man, sey eine Krankheit, ein Unglück; und kein Laster. Ein Zerstreuter verdiene eben so wenig ausgelacht zu werden, als einer der Kopfschmerzen hat. Die Komödie müsse sich nur mit Fehlern abgeben, die sich verbessern las-
sen.
ausgab. Dieſes geneigtere nahm es fuͤr nichts mehr auf, als es iſt; fuͤr eine Farce, fuͤr ein Poſſenſpiel, das zu lachen machen ſoll; man lachte, und war dankbar. Jenes Publikum dachte:
Auſſer der Verſification, die noch dazu ſehr fehlerhaft und nachlaͤßig iſt, kann dem Regnard dieſes Luſtſpiel nicht viel Muͤhe gemacht haben. Den Charakter ſeiner Hauptperſon fand er bey dem La Bruyere voͤllig entworfen. Er hatte nichts zu thun, als die vornehmſten Zuͤge Theils in Handlung zu bringen, Theils erzehlen zu laſ- ſen. Was er von dem Seinigen hinzufuͤgte, will nicht viel ſagen.
Wider dieſes Urtheil iſt nichts einzuwenden; aber wider eine andere Kritik, die den Dichter auf der Seite der Moralitaͤt faſſen will, deſto mehr. Ein Zerſtreuter ſoll kein Vowurf fuͤr die Komoͤdie ſeyn. Warum nicht? Zerſtreut ſeyn, ſagt man, ſey eine Krankheit, ein Ungluͤck; und kein Laſter. Ein Zerſtreuter verdiene eben ſo wenig ausgelacht zu werden, als einer der Kopfſchmerzen hat. Die Komoͤdie muͤſſe ſich nur mit Fehlern abgeben, die ſich verbeſſern laſ-
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ausgab. Dieſes geneigtere nahm es fuͤr nichts
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Poſſenſpiel, das zu lachen machen ſoll; man
lachte, und war dankbar. Jenes Publikum
dachte:
—— non ſatis eſt riſu diducere rictum
Auditoris —— —— ——
und dieſes:
—— & eſt quædam tamen hic quoque
virtus.
Auſſer der Verſification, die noch dazu ſehr
fehlerhaft und nachlaͤßig iſt, kann dem Regnard
dieſes Luſtſpiel nicht viel Muͤhe gemacht haben.
Den Charakter ſeiner Hauptperſon fand er bey
dem La Bruyere voͤllig entworfen. Er hatte
nichts zu thun, als die vornehmſten Zuͤge Theils
in Handlung zu bringen, Theils erzehlen zu laſ-
ſen. Was er von dem Seinigen hinzufuͤgte,
will nicht viel ſagen.
Wider dieſes Urtheil iſt nichts einzuwenden;
aber wider eine andere Kritik, die den Dichter
auf der Seite der Moralitaͤt faſſen will, deſto
mehr. Ein Zerſtreuter ſoll kein Vowurf fuͤr
die Komoͤdie ſeyn. Warum nicht? Zerſtreut
ſeyn, ſagt man, ſey eine Krankheit, ein Ungluͤck;
und kein Laſter. Ein Zerſtreuter verdiene eben
ſo wenig ausgelacht zu werden, als einer der
Kopfſchmerzen hat. Die Komoͤdie muͤſſe ſich
nur mit Fehlern abgeben, die ſich verbeſſern laſ-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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