hingerichtet würde? Warum nicht? Laßt uns erdichten, daß Rodogune mit dem Demetrius noch nicht völlig vermählet gewesen; laßt uns erdichten, daß nach seinem Tode sich die beiden Söhne in die Braut des Vaters verliebt haben; laßt uns erdichten, daß die beiden Söhne Zwil- linge sind, daß dem ältesten der Thron gehöret, daß die Mutter es aber beständig verborgen ge- halten, welcher von ihnen der älteste sey; laßt uns erdichten, daß sich endlich die Mutter ent- schlossen, dieses Geheimniß zu entdecken, oder vielmehr nicht zu entdecken, sondern an dessen Statt denjenigen für den ältesten zu erklären, und ihn dadurch auf den Thron zu setzen, wel- cher eine gewisse Bedingung eingehen wolle; laßt uns erdichten, daß diese Bedingung der Tod der Rodogune sey. Nun hätten wir ja, was wir haben wollten: beide Prinzen sind in Rodogu- nen sterblich verliebt; wer von beiden seine Geliebte umbringen will, der soll regieren.
Schön; aber könnten wir den Handel nicht noch mehr verwickeln? Könnten wir die guten Prinzen nicht noch in größere Verlegenheit setzen? Wir wollen versuchen. Laßt uns also weiter erdichten, daß Rodogune den Anschlag der Cleo- patra erfährt; laßt uns weiter erdichten, daß sie zwar einen von den Prinzen vorzüglich liebt, aber es ihm nicht bekannt hat, auch sonst keinem
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hingerichtet wuͤrde? Warum nicht? Laßt uns erdichten, daß Rodogune mit dem Demetrius noch nicht voͤllig vermaͤhlet geweſen; laßt uns erdichten, daß nach ſeinem Tode ſich die beiden Soͤhne in die Braut des Vaters verliebt haben; laßt uns erdichten, daß die beiden Soͤhne Zwil- linge ſind, daß dem aͤlteſten der Thron gehoͤret, daß die Mutter es aber beſtaͤndig verborgen ge- halten, welcher von ihnen der aͤlteſte ſey; laßt uns erdichten, daß ſich endlich die Mutter ent- ſchloſſen, dieſes Geheimniß zu entdecken, oder vielmehr nicht zu entdecken, ſondern an deſſen Statt denjenigen fuͤr den aͤlteſten zu erklaͤren, und ihn dadurch auf den Thron zu ſetzen, wel- cher eine gewiſſe Bedingung eingehen wolle; laßt uns erdichten, daß dieſe Bedingung der Tod der Rodogune ſey. Nun haͤtten wir ja, was wir haben wollten: beide Prinzen ſind in Rodogu- nen ſterblich verliebt; wer von beiden ſeine Geliebte umbringen will, der ſoll regieren.
Schoͤn; aber koͤnnten wir den Handel nicht noch mehr verwickeln? Koͤnnten wir die guten Prinzen nicht noch in groͤßere Verlegenheit ſetzen? Wir wollen verſuchen. Laßt uns alſo weiter erdichten, daß Rodogune den Anſchlag der Cleo- patra erfaͤhrt; laßt uns weiter erdichten, daß ſie zwar einen von den Prinzen vorzuͤglich liebt, aber es ihm nicht bekannt hat, auch ſonſt keinem
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hingerichtet wuͤrde? Warum nicht? Laßt uns
erdichten, daß Rodogune mit dem Demetrius
noch nicht voͤllig vermaͤhlet geweſen; laßt uns
erdichten, daß nach ſeinem Tode ſich die beiden
Soͤhne in die Braut des Vaters verliebt haben;
laßt uns erdichten, daß die beiden Soͤhne Zwil-
linge ſind, daß dem aͤlteſten der Thron gehoͤret,
daß die Mutter es aber beſtaͤndig verborgen ge-
halten, welcher von ihnen der aͤlteſte ſey; laßt
uns erdichten, daß ſich endlich die Mutter ent-
ſchloſſen, dieſes Geheimniß zu entdecken, oder
vielmehr nicht zu entdecken, ſondern an deſſen
Statt denjenigen fuͤr den aͤlteſten zu erklaͤren,
und ihn dadurch auf den Thron zu ſetzen, wel-
cher eine gewiſſe Bedingung eingehen wolle; laßt
uns erdichten, daß dieſe Bedingung der Tod der
Rodogune ſey. Nun haͤtten wir ja, was wir
haben wollten: beide Prinzen ſind in Rodogu-
nen ſterblich verliebt; wer von beiden ſeine
Geliebte umbringen will, der ſoll regieren.
Schoͤn; aber koͤnnten wir den Handel nicht
noch mehr verwickeln? Koͤnnten wir die guten
Prinzen nicht noch in groͤßere Verlegenheit ſetzen?
Wir wollen verſuchen. Laßt uns alſo weiter
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/258>, abgerufen am 22.11.2024.
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