schlägt die Mutter todt, um die Prinzeßinn zu haben: damit ist es wieder aus. Oder sie gehen beide hin, und schlagen die Geliebte todt, und wollen beide den Thron haben: so kann es gar nicht auswerden. Oder sie schlagen beide die Mutter todt, und wollen beide das Mädchen haben: und so kann es wiederum nicht auswer- den. Aber wenn sie beide fein tugendhaft sind, so will keiner weder die eine noch die andere todt schlagen; so stehen sie beide hübsch und sperren das Maul auf, und wissen nicht, was sie thun sollen: und das ist eben die Schönheit davon. Freylich wird das Stück dadurch ein sehr sonder- bares Ansehen bekommen, daß die Weiber darinn ärger als rasende Männer, und die Männer weibischer als die armseligsten Weiber handeln: aber was schadet das? Vielmehr ist dieses ein Vorzug des Stückes mehr; denn das Gegentheil ist so gewöhnlich, so abgedroschen! --
Doch im Ernste: ich weiß nicht, ob es viel Mühe kostet, dergleichen Erdichtungen zu ma- chen; ich habe es nie versucht, ich möchte es auch schwerlich jemals versuchen. Aber das weiß ich, daß es einem sehr sauer wird, derglei- chen Erdichtungen zu verdauen.
Nicht zwar, weil es bloße Erdichtungen sind; weil nicht die mindeste Spur in der Geschichte
davon
ſchlaͤgt die Mutter todt, um die Prinzeßinn zu haben: damit iſt es wieder aus. Oder ſie gehen beide hin, und ſchlagen die Geliebte todt, und wollen beide den Thron haben: ſo kann es gar nicht auswerden. Oder ſie ſchlagen beide die Mutter todt, und wollen beide das Maͤdchen haben: und ſo kann es wiederum nicht auswer- den. Aber wenn ſie beide fein tugendhaft ſind, ſo will keiner weder die eine noch die andere todt ſchlagen; ſo ſtehen ſie beide huͤbſch und ſperren das Maul auf, und wiſſen nicht, was ſie thun ſollen: und das iſt eben die Schoͤnheit davon. Freylich wird das Stuͤck dadurch ein ſehr ſonder- bares Anſehen bekommen, daß die Weiber darinn aͤrger als raſende Maͤnner, und die Maͤnner weibiſcher als die armſeligſten Weiber handeln: aber was ſchadet das? Vielmehr iſt dieſes ein Vorzug des Stuͤckes mehr; denn das Gegentheil iſt ſo gewoͤhnlich, ſo abgedroſchen! —
Doch im Ernſte: ich weiß nicht, ob es viel Muͤhe koſtet, dergleichen Erdichtungen zu ma- chen; ich habe es nie verſucht, ich moͤchte es auch ſchwerlich jemals verſuchen. Aber das weiß ich, daß es einem ſehr ſauer wird, derglei- chen Erdichtungen zu verdauen.
Nicht zwar, weil es bloße Erdichtungen ſind; weil nicht die mindeſte Spur in der Geſchichte
davon
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ſchlaͤgt die Mutter todt, um die Prinzeßinn zu
haben: damit iſt es wieder aus. Oder ſie gehen
beide hin, und ſchlagen die Geliebte todt, und
wollen beide den Thron haben: ſo kann es gar
nicht auswerden. Oder ſie ſchlagen beide die
Mutter todt, und wollen beide das Maͤdchen
haben: und ſo kann es wiederum nicht auswer-
den. Aber wenn ſie beide fein tugendhaft ſind,
ſo will keiner weder die eine noch die andere todt
ſchlagen; ſo ſtehen ſie beide huͤbſch und ſperren
das Maul auf, und wiſſen nicht, was ſie thun
ſollen: und das iſt eben die Schoͤnheit davon.
Freylich wird das Stuͤck dadurch ein ſehr ſonder-
bares Anſehen bekommen, daß die Weiber
darinn aͤrger als raſende Maͤnner, und die
Maͤnner weibiſcher als die armſeligſten Weiber
handeln: aber was ſchadet das? Vielmehr iſt
dieſes ein Vorzug des Stuͤckes mehr; denn das
Gegentheil iſt ſo gewoͤhnlich, ſo abgedroſchen! —
Doch im Ernſte: ich weiß nicht, ob es viel
Muͤhe koſtet, dergleichen Erdichtungen zu ma-
chen; ich habe es nie verſucht, ich moͤchte es
auch ſchwerlich jemals verſuchen. Aber das
weiß ich, daß es einem ſehr ſauer wird, derglei-
chen Erdichtungen zu verdauen.
Nicht zwar, weil es bloße Erdichtungen ſind;
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 246. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/260>, abgerufen am 22.11.2024.
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