[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].
Es wäre zu verwundern, wenn eine solche Aristo- (*) Dieses vorausgesetzt, (wie man es denn wohl sicher voraussetzen kann, weil es bey den alten Dichtern nicht gebräuchlich, und auch nicht erlaubt war, einander solche eigene Situatio- nen abzustehlen,) würde sich an der angezoge- nen Stelle des Plutarchs ein Fragment des Euripides finden, welches Josua Barnes nicht mitgenommen hätte, und ein neuer Heraus- geber des Dichters nutzen könnte. O o 2
Es waͤre zu verwundern, wenn eine ſolche Ariſto- (*) Dieſes vorausgeſetzt, (wie man es denn wohl ſicher vorausſetzen kann, weil es bey den alten Dichtern nicht gebraͤuchlich, und auch nicht erlaubt war, einander ſolche eigene Situatio- nen abzuſtehlen,) wuͤrde ſich an der angezoge- nen Stelle des Plutarchs ein Fragment des Euripides finden, welches Joſua Barnes nicht mitgenommen haͤtte, und ein neuer Heraus- geber des Dichters nutzen koͤnnte. O o 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <cit> <quote><pb facs="#f0305" n="291"/> ihres Sohnes halte, ihr Sohn ſelbſt ſey; daß<lb/> der nun erkannte Sohn bey einem Opfer Gele-<lb/> genheit gefunden, den Polyphont hinzurichten:<lb/> dieſes meldet Hyginus, bey dem Aepytus aber<lb/> den Namen Telephontes fuͤhret.〟</quote> </cit> </p><lb/> <p>Es waͤre zu verwundern, wenn eine ſolche<lb/> Geſchichte, die ſo beſondere Gluͤckswechſel und<lb/> Erkennungen hat, nicht ſchon von den alten Tra-<lb/> gicis waͤre genutzt worden. Und was ſollte ſie<lb/> nicht? Ariſtoteles, in ſeiner Dichtkunſt, gedenkt<lb/> eines Kreſphontes, in welchem Merope ihren<lb/> Sohn erkenne, eben da ſie im Begriffe ſey, ihn<lb/> als den vermeinten Moͤrder ihres Sohnes umzu-<lb/> bringen; und Plutarch, in ſeiner zweyten Ab-<lb/> handlung vom Fleiſcheſſen, zielet ohne Zweifel<lb/> auf eben dieſes Stuͤck, <note place="foot" n="(*)">Dieſes vorausgeſetzt, (wie man es denn wohl<lb/> ſicher vorausſetzen kann, weil es bey den alten<lb/> Dichtern nicht gebraͤuchlich, und auch nicht<lb/> erlaubt war, einander ſolche eigene Situatio-<lb/> nen abzuſtehlen,) wuͤrde ſich an der angezoge-<lb/> nen Stelle des Plutarchs ein Fragment des<lb/> Euripides finden, welches Joſua Barnes nicht<lb/> mitgenommen haͤtte, und ein neuer Heraus-<lb/> geber des Dichters nutzen koͤnnte.</note> wenn er ſich auf die<lb/> Bewegung beruft, in welcher das ganze Theater<lb/> gerathe, indem Merope die Axt gegen ihren<lb/> Sohn erhebet, und auf die Furcht, die jeden<lb/> Zuſchauer befalle, daß der Streich geſchehen<lb/> werde, ehe der alte Diener dazu kommen koͤnne.<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O o 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Ariſto-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [291/0305]
ihres Sohnes halte, ihr Sohn ſelbſt ſey; daß
der nun erkannte Sohn bey einem Opfer Gele-
genheit gefunden, den Polyphont hinzurichten:
dieſes meldet Hyginus, bey dem Aepytus aber
den Namen Telephontes fuͤhret.〟
Es waͤre zu verwundern, wenn eine ſolche
Geſchichte, die ſo beſondere Gluͤckswechſel und
Erkennungen hat, nicht ſchon von den alten Tra-
gicis waͤre genutzt worden. Und was ſollte ſie
nicht? Ariſtoteles, in ſeiner Dichtkunſt, gedenkt
eines Kreſphontes, in welchem Merope ihren
Sohn erkenne, eben da ſie im Begriffe ſey, ihn
als den vermeinten Moͤrder ihres Sohnes umzu-
bringen; und Plutarch, in ſeiner zweyten Ab-
handlung vom Fleiſcheſſen, zielet ohne Zweifel
auf eben dieſes Stuͤck, (*) wenn er ſich auf die
Bewegung beruft, in welcher das ganze Theater
gerathe, indem Merope die Axt gegen ihren
Sohn erhebet, und auf die Furcht, die jeden
Zuſchauer befalle, daß der Streich geſchehen
werde, ehe der alte Diener dazu kommen koͤnne.
Ariſto-
(*) Dieſes vorausgeſetzt, (wie man es denn wohl
ſicher vorausſetzen kann, weil es bey den alten
Dichtern nicht gebraͤuchlich, und auch nicht
erlaubt war, einander ſolche eigene Situatio-
nen abzuſtehlen,) wuͤrde ſich an der angezoge-
nen Stelle des Plutarchs ein Fragment des
Euripides finden, welches Joſua Barnes nicht
mitgenommen haͤtte, und ein neuer Heraus-
geber des Dichters nutzen koͤnnte.
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