irgend eines Sterblichen Gewalt, mir zu ge- währen; daß mir die Last meiner Jahre, unter welcher ich erliege, erleichtert würde, u. s. w." (*) Heißt das: erleichtere Du mir diese Last? gieb Du mir Stärke und Jugend wieder? Ich will gar nicht fagen, daß eine solche Klage über die Ungemächlichkeiten des Alters hier an dem schick- lichsten Orte stehe, ob sie schon vollkommen in dem Charakter des Polydors ist. Aber ist denn jede Unschicklichkeit, Wahnwitz? Und mußten nicht Polydor und sein Dichter, im eigentlich- sten Verstande wahnwitzig seyn, wenn dieser jenem die Bitte wirklich in den Mund legte, die Lindelle ihnen anlügt. -- Anlügt! Lügen! Ver- dienen solche Kleinigkeiten wohl so harte Wor- te? -- Kleinigkeiten? Was dem Lindelle wich- tig genug war, darum zu lügen, soll das einem dritten nicht wichtig genug seyn, ihm zu sagen, daß er gelogen hat? --
Ham-
(*)Atto IV. Sc. VII. Mer. Ma quale, o mio fedel, qual potro io Darti gia mai merce, che i merti agguagli? Pol. Il mio stesso servir fu premio; ed ora M'e, il vederti contenta, ampia mercede. Che vuoi tu darmi? io nulla bramo: caro Sol mi saria cio, ch' altridar non puoto. Che scemato mi fosse il grave incarco De gli anni, che mi sta su'l capo, e a terra Il curva, e preme si, che parmi un monte --
irgend eines Sterblichen Gewalt, mir zu ge- waͤhren; daß mir die Laſt meiner Jahre, unter welcher ich erliege, erleichtert wuͤrde, u. ſ. w.〟 (*) Heißt das: erleichtere Du mir dieſe Laſt? gieb Du mir Staͤrke und Jugend wieder? Ich will gar nicht fagen, daß eine ſolche Klage uͤber die Ungemaͤchlichkeiten des Alters hier an dem ſchick- lichſten Orte ſtehe, ob ſie ſchon vollkommen in dem Charakter des Polydors iſt. Aber iſt denn jede Unſchicklichkeit, Wahnwitz? Und mußten nicht Polydor und ſein Dichter, im eigentlich- ſten Verſtande wahnwitzig ſeyn, wenn dieſer jenem die Bitte wirklich in den Mund legte, die Lindelle ihnen anluͤgt. — Anluͤgt! Luͤgen! Ver- dienen ſolche Kleinigkeiten wohl ſo harte Wor- te? — Kleinigkeiten? Was dem Lindelle wich- tig genug war, darum zu luͤgen, ſoll das einem dritten nicht wichtig genug ſeyn, ihm zu ſagen, daß er gelogen hat? —
Ham-
(*)Atto IV. Sc. VII. Mer. Ma quale, ô mio fedel, qual potro io Darti già mai mercè, che i merti agguagli? Pol. Il mio ſteſſo ſervir fu premio; ed ora M’è, il vederti contenta, ampia mercede. Che vuoi tu darmi? io nulla bramo: caro Sol mi ſaria ciò, ch’ altridar non puoto. Che ſcemato mi foſſe il grave incarco De gli anni, che mi ſtà ſù’l capo, e à terra Il curva, e preme ſi, che parmi un monte —
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irgend eines Sterblichen Gewalt, mir zu ge-
waͤhren; daß mir die Laſt meiner Jahre, unter
welcher ich erliege, erleichtert wuͤrde, u. ſ. w.〟 (*)
Heißt das: erleichtere Du mir dieſe Laſt? gieb
Du mir Staͤrke und Jugend wieder? Ich will
gar nicht fagen, daß eine ſolche Klage uͤber die
Ungemaͤchlichkeiten des Alters hier an dem ſchick-
lichſten Orte ſtehe, ob ſie ſchon vollkommen in
dem Charakter des Polydors iſt. Aber iſt denn
jede Unſchicklichkeit, Wahnwitz? Und mußten
nicht Polydor und ſein Dichter, im eigentlich-
ſten Verſtande wahnwitzig ſeyn, wenn dieſer
jenem die Bitte wirklich in den Mund legte, die
Lindelle ihnen anluͤgt. — Anluͤgt! Luͤgen! Ver-
dienen ſolche Kleinigkeiten wohl ſo harte Wor-
te? — Kleinigkeiten? Was dem Lindelle wich-
tig genug war, darum zu luͤgen, ſoll das einem
dritten nicht wichtig genug ſeyn, ihm zu ſagen,
daß er gelogen hat? —
Ham-
(*) Atto IV. Sc. VII.
Mer. Ma quale, ô mio fedel, qual potro io
Darti già mai mercè, che i merti agguagli?
Pol. Il mio ſteſſo ſervir fu premio; ed ora
M’è, il vederti contenta, ampia mercede.
Che vuoi tu darmi? io nulla bramo: caro
Sol mi ſaria ciò, ch’ altridar non puoto.
Che ſcemato mi foſſe il grave incarco
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/358>, abgerufen am 22.11.2024.
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