[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769].Voltaire ein Meister, sich die Fesseln der Kunst so "andere, als ob sie ebenfalls Herr vom Hause X x 3
Voltaire ein Meiſter, ſich die Feſſeln der Kunſt ſo 〟andere, als ob ſie ebenfalls Herr vom Hauſe X x 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0363" n="349"/> Voltaire ein Meiſter, ſich die Feſſeln der Kunſt<lb/> ſo leicht, ſo weit zu machen, daß er alle Freyheit<lb/> behaͤlt, ſich zu bewegen, wie er will; und doch<lb/> bewegt er ſich oft ſo plump und ſchwer, und<lb/> macht ſo aͤngſtliche Verdrehungen, daß man<lb/> meinen ſollte, jedes Glied von ihm ſey an ein<lb/> beſonderes Klotz geſchmiedet. Es koſtet mir<lb/> Ueberwindung, ein Werk des Genies aus die-<lb/> ſem Geſichtspunkte zu betrachten; doch da es,<lb/> bey der gemeinen Klaſſe von Kunſtrichtern, noch<lb/> <fw place="bottom" type="sig">X x 3</fw><fw place="bottom" type="catch">ſo</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot" n="(*)"><cit><quote>〟andere, als ob ſie ebenfalls Herr vom Hauſe<lb/> 〟waͤre, in aller Gelaſſenheit mit ſich ſelbſt,<lb/> 〟oder mit einem Vertrauten geſprochen, oh-<lb/> 〟ne daß dieſer Umſtand auf eine wahrſchein-<lb/> 〟liche Weiſe entſchuldiget wird; kurz, wenn<lb/> 〟die Perſonen nur deswegen in den angezeig-<lb/> 〟ten Saal oder Garten kommen, um auf die<lb/> 〟Schaubuͤhne zu treten: ſo wuͤrde der Ver-<lb/> 〟faſſer des Schauſpiels am beſten gethan ha-<lb/> 〟ben, anſtatt der Worte, 〟der Schauplatz iſt<lb/> 〟ein Saal in Climenens Hauſe,〟 unter das<lb/> 〟Verzeichniß ſeiner Perſonen zu ſetzen: 〟der<lb/> 〟Schauplatz iſt auf dem Theater.〟 Oder im<lb/> 〟Ernſte zu reden, es wuͤrde weit beſſer gewe-<lb/> 〟ſen ſeyn, wenn der Verfaſſer, nach dem Ge-<lb/> 〟brauche der Englaͤnder, die Scene aus dem<lb/> 〟Hauſe des einen in das Haus eines andern<lb/> 〟verlegt, und alſo den Zuſchauer ſeinem Hel-<lb/> 〟den nachgefuͤhret haͤtte; als daß er ſeinem<lb/> 〟Helden die Muͤhe macht, den Zuſchauern zu<lb/> 〟gefallen, an einen Platz zu kommen, wo er<lb/> 〟nichts zu thun hat.〟</quote></cit></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [349/0363]
Voltaire ein Meiſter, ſich die Feſſeln der Kunſt
ſo leicht, ſo weit zu machen, daß er alle Freyheit
behaͤlt, ſich zu bewegen, wie er will; und doch
bewegt er ſich oft ſo plump und ſchwer, und
macht ſo aͤngſtliche Verdrehungen, daß man
meinen ſollte, jedes Glied von ihm ſey an ein
beſonderes Klotz geſchmiedet. Es koſtet mir
Ueberwindung, ein Werk des Genies aus die-
ſem Geſichtspunkte zu betrachten; doch da es,
bey der gemeinen Klaſſe von Kunſtrichtern, noch
ſo
(*)
(*) 〟andere, als ob ſie ebenfalls Herr vom Hauſe
〟waͤre, in aller Gelaſſenheit mit ſich ſelbſt,
〟oder mit einem Vertrauten geſprochen, oh-
〟ne daß dieſer Umſtand auf eine wahrſchein-
〟liche Weiſe entſchuldiget wird; kurz, wenn
〟die Perſonen nur deswegen in den angezeig-
〟ten Saal oder Garten kommen, um auf die
〟Schaubuͤhne zu treten: ſo wuͤrde der Ver-
〟faſſer des Schauſpiels am beſten gethan ha-
〟ben, anſtatt der Worte, 〟der Schauplatz iſt
〟ein Saal in Climenens Hauſe,〟 unter das
〟Verzeichniß ſeiner Perſonen zu ſetzen: 〟der
〟Schauplatz iſt auf dem Theater.〟 Oder im
〟Ernſte zu reden, es wuͤrde weit beſſer gewe-
〟ſen ſeyn, wenn der Verfaſſer, nach dem Ge-
〟brauche der Englaͤnder, die Scene aus dem
〟Hauſe des einen in das Haus eines andern
〟verlegt, und alſo den Zuſchauer ſeinem Hel-
〟den nachgefuͤhret haͤtte; als daß er ſeinem
〟Helden die Muͤhe macht, den Zuſchauern zu
〟gefallen, an einen Platz zu kommen, wo er
〟nichts zu thun hat.〟
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