besonders wenn man zugleich die Ursache erwegt, warum Aegisth so plötzlich abgeführt, durch diese Maschinerie so augenblicklich aus dem Ge- sichte gebracht werden muß, von der ich hernach reden will. -- Eben so ein Vorhang wird in dem fünften Akte aufgezogen. Die ersten sechs Sce- nen spielen in einem Saale des Pallastes: und mit der siebenden erhalten wir auf einmal die offene Aussicht in den Tempel, um einen todten Körper in einem blutigen Rocke sehen zu können. Durch welches Wunder? Und war dieser An- blick dieses Wunders wohl werth? Man wird sagen, die Thüren dieses Tempels eröffnen sich auf einmal, Merope bricht auf einmal mit dem ganzen Volke heraus, und dadurch erlangen wir die Einsicht in denselben. Ich verstehe; dieser Tempel war Ihro verwittweten Königli- chen Majestät Schloßkapelle, die gerade an den Saal stieß, und mit ihm Communication hatte, damit Allerhöchstdieselben jederzeit trockes Fußes zu dem Orte ihrer Andacht gelangen konnten. Nur sollten wir sie dieses Weges nicht allein her- auskommen, sondern auch hereingehen sehen; wenigstens den Aegisth, der am Ende der vier- ten Scene zu laufen hat, und ja den kürzesten Weg nehmen muß, wenn er, acht Zeilen darauf, seine That schon vollbracht haben soll.
Ham-
beſonders wenn man zugleich die Urſache erwegt, warum Aegisth ſo ploͤtzlich abgefuͤhrt, durch dieſe Maſchinerie ſo augenblicklich aus dem Ge- ſichte gebracht werden muß, von der ich hernach reden will. — Eben ſo ein Vorhang wird in dem fuͤnften Akte aufgezogen. Die erſten ſechs Sce- nen ſpielen in einem Saale des Pallaſtes: und mit der ſiebenden erhalten wir auf einmal die offene Ausſicht in den Tempel, um einen todten Koͤrper in einem blutigen Rocke ſehen zu koͤnnen. Durch welches Wunder? Und war dieſer An- blick dieſes Wunders wohl werth? Man wird ſagen, die Thuͤren dieſes Tempels eroͤffnen ſich auf einmal, Merope bricht auf einmal mit dem ganzen Volke heraus, und dadurch erlangen wir die Einſicht in denſelben. Ich verſtehe; dieſer Tempel war Ihro verwittweten Koͤnigli- chen Majeſtaͤt Schloßkapelle, die gerade an den Saal ſtieß, und mit ihm Communication hatte, damit Allerhoͤchſtdieſelben jederzeit trockes Fußes zu dem Orte ihrer Andacht gelangen konnten. Nur ſollten wir ſie dieſes Weges nicht allein her- auskommen, ſondern auch hereingehen ſehen; wenigſtens den Aegisth, der am Ende der vier- ten Scene zu laufen hat, und ja den kuͤrzeſten Weg nehmen muß, wenn er, acht Zeilen darauf, ſeine That ſchon vollbracht haben ſoll.
Ham-
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beſonders wenn man zugleich die Urſache erwegt,
warum Aegisth ſo ploͤtzlich abgefuͤhrt, durch
dieſe Maſchinerie ſo augenblicklich aus dem Ge-
ſichte gebracht werden muß, von der ich hernach
reden will. — Eben ſo ein Vorhang wird in dem
fuͤnften Akte aufgezogen. Die erſten ſechs Sce-
nen ſpielen in einem Saale des Pallaſtes: und
mit der ſiebenden erhalten wir auf einmal die
offene Ausſicht in den Tempel, um einen todten
Koͤrper in einem blutigen Rocke ſehen zu koͤnnen.
Durch welches Wunder? Und war dieſer An-
blick dieſes Wunders wohl werth? Man wird
ſagen, die Thuͤren dieſes Tempels eroͤffnen ſich
auf einmal, Merope bricht auf einmal mit dem
ganzen Volke heraus, und dadurch erlangen
wir die Einſicht in denſelben. Ich verſtehe;
dieſer Tempel war Ihro verwittweten Koͤnigli-
chen Majeſtaͤt Schloßkapelle, die gerade an den
Saal ſtieß, und mit ihm Communication hatte,
damit Allerhoͤchſtdieſelben jederzeit trockes Fußes
zu dem Orte ihrer Andacht gelangen konnten.
Nur ſollten wir ſie dieſes Weges nicht allein her-
auskommen, ſondern auch hereingehen ſehen;
wenigſtens den Aegisth, der am Ende der vier-
ten Scene zu laufen hat, und ja den kuͤrzeſten
Weg nehmen muß, wenn er, acht Zeilen darauf,
ſeine That ſchon vollbracht haben ſoll.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/366>, abgerufen am 22.11.2024.
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