Solch Beyspiel, edle Freund', ist Eures Beyfalls werth: O wohl uns! hätten wir, was Cronegk schön gelehrt, Gedanken, die ihn selbst so sehr veredelt haben, Durch unsre Vorstellung tief in Eur Herz gegraben! Des Dichters Leben war schön, wie sein Nachruhm ist; Er war, und -- o verzeiht die Thrän! -- und starb ein Christ. Ließ sein vortrefflich Herz der Nachwelt in Gedichten, Um sie -- was kann man mehr? noch todt zu un- terrichten. Versaget, hat Euch itzt Sophronia gerührt, Denn seiner Asche nicht, was ihr mit Recht gebührt, Den Seufzer, daß er starb, den Dank für seine Lehre, Und -- ach! den traurigen Tribut von einer Zähre. Uns aber, edle Freund', ermuntre Gütigkeit; Und hätten wir gefehlt, so tadelt; doch verzeiht. Verzeihung muthiget zu edelerm Erkühnen, Und feiner Tadel lehrt, das höchste Lob verdienen. Bedenkt, daß unter uns die Kunst nur kaum beginnt, In welcher tausend Quins, für einen Garrick sind; Erwartet nicht zu viel, damit wir immer steigen, Und -- doch nur Euch gebührt zu richten, uns zu schweigen.
Ham-
Solch Beyſpiel, edle Freund’, iſt Eures Beyfalls werth: O wohl uns! haͤtten wir, was Cronegk ſchoͤn gelehrt, Gedanken, die ihn ſelbſt ſo ſehr veredelt haben, Durch unſre Vorſtellung tief in Eur Herz gegraben! Des Dichters Leben war ſchoͤn, wie ſein Nachruhm iſt; Er war, und — o verzeiht die Thraͤn! — und ſtarb ein Chriſt. Ließ ſein vortrefflich Herz der Nachwelt in Gedichten, Um ſie — was kann man mehr? noch todt zu un- terrichten. Verſaget, hat Euch itzt Sophronia geruͤhrt, Denn ſeiner Aſche nicht, was ihr mit Recht gebuͤhrt, Den Seufzer, daß er ſtarb, den Dank fuͤr ſeine Lehre, Und — ach! den traurigen Tribut von einer Zaͤhre. Uns aber, edle Freund’, ermuntre Guͤtigkeit; Und haͤtten wir gefehlt, ſo tadelt; doch verzeiht. Verzeihung muthiget zu edelerm Erkuͤhnen, Und feiner Tadel lehrt, das hoͤchſte Lob verdienen. Bedenkt, daß unter uns die Kunſt nur kaum beginnt, In welcher tauſend Quins, fuͤr einen Garrick ſind; Erwartet nicht zu viel, damit wir immer ſteigen, Und — doch nur Euch gebuͤhrt zu richten, uns zu ſchweigen.
Ham-
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Solch Beyſpiel, edle Freund’, iſt Eures Beyfalls
werth:
O wohl uns! haͤtten wir, was Cronegk ſchoͤn gelehrt,
Gedanken, die ihn ſelbſt ſo ſehr veredelt haben,
Durch unſre Vorſtellung tief in Eur Herz gegraben!
Des Dichters Leben war ſchoͤn, wie ſein Nachruhm iſt;
Er war, und — o verzeiht die Thraͤn! — und ſtarb
ein Chriſt.
Ließ ſein vortrefflich Herz der Nachwelt in Gedichten,
Um ſie — was kann man mehr? noch todt zu un-
terrichten.
Verſaget, hat Euch itzt Sophronia geruͤhrt,
Denn ſeiner Aſche nicht, was ihr mit Recht gebuͤhrt,
Den Seufzer, daß er ſtarb, den Dank fuͤr ſeine Lehre,
Und — ach! den traurigen Tribut von einer Zaͤhre.
Uns aber, edle Freund’, ermuntre Guͤtigkeit;
Und haͤtten wir gefehlt, ſo tadelt; doch verzeiht.
Verzeihung muthiget zu edelerm Erkuͤhnen,
Und feiner Tadel lehrt, das hoͤchſte Lob verdienen.
Bedenkt, daß unter uns die Kunſt nur kaum beginnt,
In welcher tauſend Quins, fuͤr einen Garrick ſind;
Erwartet nicht zu viel, damit wir immer ſteigen,
Und — doch nur Euch gebuͤhrt zu richten, uns zu
ſchweigen.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 1. Hamburg u. a., [1769], S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie01_1767/62>, abgerufen am 21.11.2024.
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