diesem Jahre. Wollten indeß die Engländer, daß ihnen die Franzosen auch hierinn nicht möch- ten zuvorgekommen seyn, so würden sie sich viel- leicht auf Daniels Philotas beziehen können; ein Trauerspiel von 1611, in welchem man die Geschichte und den Charakter des Grafen, unter fremden Namen, zu finden glaubte. (*)
Banks scheinet keinen von seinen französischen Vorgängern gekannt zu haben. Er ist aber ei- ner Novelle gefolgt, die den Titel, Geheime Geschichte der Königinn Elisabeth und des Gra- fen von Essex, führet, (**) wo er den ganzen Stoff sich so in die Hände gearbeitet fand, daß er ihn blos zu dialogiren, ihm blos die äußere dramatische Form zu ertheilen brauchte. Hier ist der ganze Plan, wie er von dem Verfasser der unten angeführten Schrift, zum Theil, ausge- zogen worden. Vielleicht, daß es meinen Lesern nicht unangenehm ist, ihn gegen das Stück des Corneille halten zu können.
"Um unser Mitleid gegen den unglücklichen Grafen desto lebhafter zu machen, und die hef- tige Zuneigung zu entschuldigen, welche die Kö- niginn für ihn äußert, werden ihm alle die erha- bensten Eigenschaften eines Helden beygelegt;
und
(*)Cibber's Lives of the Engl. Poets. Vol. I. p. 147.
(**)The Companion to the Theatre. Vol. II. p. 99.
dieſem Jahre. Wollten indeß die Engländer, daß ihnen die Franzoſen auch hierinn nicht möch- ten zuvorgekommen ſeyn, ſo würden ſie ſich viel- leicht auf Daniels Philotas beziehen können; ein Trauerſpiel von 1611, in welchem man die Geſchichte und den Charakter des Grafen, unter fremden Namen, zu finden glaubte. (*)
Banks ſcheinet keinen von ſeinen franzöſiſchen Vorgängern gekannt zu haben. Er iſt aber ei- ner Novelle gefolgt, die den Titel, Geheime Geſchichte der Königinn Eliſabeth und des Gra- fen von Eſſex, führet, (**) wo er den ganzen Stoff ſich ſo in die Hände gearbeitet fand, daß er ihn blos zu dialogiren, ihm blos die äußere dramatiſche Form zu ertheilen brauchte. Hier iſt der ganze Plan, wie er von dem Verfaſſer der unten angeführten Schrift, zum Theil, ausge- zogen worden. Vielleicht, daß es meinen Leſern nicht unangenehm iſt, ihn gegen das Stück des Corneille halten zu können.
„Um unſer Mitleid gegen den unglücklichen Grafen deſto lebhafter zu machen, und die hef- tige Zuneigung zu entſchuldigen, welche die Kö- niginn für ihn äußert, werden ihm alle die erha- benſten Eigenſchaften eines Helden beygelegt;
und
(*)Cibber’s Lives of the Engl. Poets. Vol. I. p. 147.
(**)The Companion to the Theatre. Vol. II. p. 99.
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dieſem Jahre. Wollten indeß die Engländer,
daß ihnen die Franzoſen auch hierinn nicht möch-
ten zuvorgekommen ſeyn, ſo würden ſie ſich viel-
leicht auf Daniels Philotas beziehen können;
ein Trauerſpiel von 1611, in welchem man die
Geſchichte und den Charakter des Grafen, unter
fremden Namen, zu finden glaubte. (*)
Banks ſcheinet keinen von ſeinen franzöſiſchen
Vorgängern gekannt zu haben. Er iſt aber ei-
ner Novelle gefolgt, die den Titel, Geheime
Geſchichte der Königinn Eliſabeth und des Gra-
fen von Eſſex, führet, (**) wo er den ganzen
Stoff ſich ſo in die Hände gearbeitet fand, daß
er ihn blos zu dialogiren, ihm blos die äußere
dramatiſche Form zu ertheilen brauchte. Hier
iſt der ganze Plan, wie er von dem Verfaſſer
der unten angeführten Schrift, zum Theil, ausge-
zogen worden. Vielleicht, daß es meinen Leſern
nicht unangenehm iſt, ihn gegen das Stück des
Corneille halten zu können.
„Um unſer Mitleid gegen den unglücklichen
Grafen deſto lebhafter zu machen, und die hef-
tige Zuneigung zu entſchuldigen, welche die Kö-
niginn für ihn äußert, werden ihm alle die erha-
benſten Eigenſchaften eines Helden beygelegt;
und
(*) Cibber’s Lives of the Engl. Poets. Vol. I.
p. 147.
(**) The Companion to the Theatre. Vol. II.
p. 99.
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/16>, abgerufen am 09.11.2024.
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