nem kleinen Zirkel flicht, und geflissendlich un- sern Schauder darüber erregt? -- O verschonet uns damit, ihr, die ihr unser Herz in eurer Ge- walt habt! Wozu diese traurige Empfindung? Uns Unterwerfung zu lehren? Diese kann uns nur die kalte Vernunft lehren; und wenn die Lehre der Vernunft in uns bekleiben soll, wenn wir, bey unserer Unterwerfung, noch Vertrauen und fröhlichen Muth behalten sollen: so ist es höchst nöthig, daß wir an die verwirrenden Beyspiele solcher unverdienten schrecklichen Ver- hängnisse so wenig, als möglich, erinnert wer- den. Weg mit ihnen von der Bühne! Weg, wenn es seyn könnte, aus allen Büchern mit ihnen! --
Wenn nun aber der Personen des Richards keine einzige, die erforderlichen Eigenschaften hat, die sie haben müßten, Falls er wirklich das seyn sollte, was er heißt: wodurch ist er gleichwohl ein so interessantes Stück geworden, wofür ihn unser Publikum hält? Wenn er nicht Mitleid und Furcht erregt: was ist denn seine Wirkung? Wirkung muß er doch haben, und hat sie. Und wenn er Wirkung hat: ist es nicht gleichviel, ob er diese, oder ob er jene hat? Wenn er die Zuschauer beschäftiget, wenn er sie vergnügt: was will man denn mehr? Müs- sen sie denn, nothwendig nur nach den Regeln des Aristoteles, beschäftiget und vergnügt werden?
Das
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nem kleinen Zirkel flicht, und gefliſſendlich un- ſern Schauder darüber erregt? — O verſchonet uns damit, ihr, die ihr unſer Herz in eurer Ge- walt habt! Wozu dieſe traurige Empfindung? Uns Unterwerfung zu lehren? Dieſe kann uns nur die kalte Vernunft lehren; und wenn die Lehre der Vernunft in uns bekleiben ſoll, wenn wir, bey unſerer Unterwerfung, noch Vertrauen und fröhlichen Muth behalten ſollen: ſo iſt es höchſt nöthig, daß wir an die verwirrenden Beyſpiele ſolcher unverdienten ſchrecklichen Ver- hängniſſe ſo wenig, als möglich, erinnert wer- den. Weg mit ihnen von der Bühne! Weg, wenn es ſeyn könnte, aus allen Büchern mit ihnen! —
Wenn nun aber der Perſonen des Richards keine einzige, die erforderlichen Eigenſchaften hat, die ſie haben müßten, Falls er wirklich das ſeyn ſollte, was er heißt: wodurch iſt er gleichwohl ein ſo intereſſantes Stück geworden, wofür ihn unſer Publikum hält? Wenn er nicht Mitleid und Furcht erregt: was iſt denn ſeine Wirkung? Wirkung muß er doch haben, und hat ſie. Und wenn er Wirkung hat: iſt es nicht gleichviel, ob er dieſe, oder ob er jene hat? Wenn er die Zuſchauer beſchäftiget, wenn er ſie vergnügt: was will man denn mehr? Müſ- ſen ſie denn, nothwendig nur nach den Regeln des Ariſtoteles, beſchäftiget und vergnügt werden?
Das
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nem kleinen Zirkel flicht, und gefliſſendlich un-
ſern Schauder darüber erregt? — O verſchonet
uns damit, ihr, die ihr unſer Herz in eurer Ge-
walt habt! Wozu dieſe traurige Empfindung?
Uns Unterwerfung zu lehren? Dieſe kann uns
nur die kalte Vernunft lehren; und wenn die
Lehre der Vernunft in uns bekleiben ſoll, wenn
wir, bey unſerer Unterwerfung, noch Vertrauen
und fröhlichen Muth behalten ſollen: ſo iſt es
höchſt nöthig, daß wir an die verwirrenden
Beyſpiele ſolcher unverdienten ſchrecklichen Ver-
hängniſſe ſo wenig, als möglich, erinnert wer-
den. Weg mit ihnen von der Bühne! Weg,
wenn es ſeyn könnte, aus allen Büchern mit
ihnen! —
Wenn nun aber der Perſonen des Richards
keine einzige, die erforderlichen Eigenſchaften
hat, die ſie haben müßten, Falls er wirklich
das ſeyn ſollte, was er heißt: wodurch iſt er
gleichwohl ein ſo intereſſantes Stück geworden,
wofür ihn unſer Publikum hält? Wenn er nicht
Mitleid und Furcht erregt: was iſt denn ſeine
Wirkung? Wirkung muß er doch haben, und
hat ſie. Und wenn er Wirkung hat: iſt es
nicht gleichviel, ob er dieſe, oder ob er jene hat?
Wenn er die Zuſchauer beſchäftiget, wenn er
ſie vergnügt: was will man denn mehr? Müſ-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/219>, abgerufen am 24.11.2024.
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