tai e poiesis ooomata epitithemene, übersetzt Dacier; une chose generale, c'est ce que tout homme d'un tel ou d'un tel caractere, a dau dire, ou faire vraisemblablement ou necessairement, ce qui est le but de la Poesie lors meme, qu'elle impose les noms a ses personnages. Vollkommen so übersetzt sie auch Herr Curtius: "Das Allgemeine ist, "was einer, vermöge eines gewissen Charakters, "nach der Wahrscheinlichkeit oder Nothwendig- "keit redet oder thut. Dieses Allgemeine ist der "Endzweck der Dichtkunst, auch wenn sie den "Personen besondere Namen beylegt." Auch in ihrer Anmerkung über diese Worte, stehen beide für einen Mann; der eine sagt vollkommen eben das, was der andere sagt. Sie erklären beide, was das Allgemeine ist; sie sagen beide, daß dieses Allgemeine die Absicht der Poesie sey: aber wie die Poesie bey Ertheilung der Namen auf dieses Allgemeine sieht, davon sagt keiner ein Wort. Vielmehr zeigt der Franzose durch sein lors meme, so wie der Deutsche durch sein auch wenn, offenbar, daß sie nichts da- von zu sagen gewußt, ja daß sie gar nicht ein- mal verstanden, was Aristoteles sagen wollen. Denn dieses lors meme, dieses auch wenn, heißt bey ihnen nichts mehr als ob schon; und sie lassen den Aristoteles sonach blos sagen, daß ungeachtet die Poesie ihren Personen
Namen
ται ἠ ποιησις ὀοοματα ἐπιτιϑεμενη, überſetzt Dacier; une choſe generale, c’eſt ce que tout homme d’un tel ou d’un tel caractere, a dû dire, ou faire vraiſemblablement ou neceſſairement, ce qui eſt le but de la Pœſie lors même, qu’elle impoſe les noms à ſes perſonnages. Vollkommen ſo überſetzt ſie auch Herr Curtius: „Das Allgemeine iſt, „was einer, vermöge eines gewiſſen Charakters, „nach der Wahrſcheinlichkeit oder Nothwendig- „keit redet oder thut. Dieſes Allgemeine iſt der „Endzweck der Dichtkunſt, auch wenn ſie den „Perſonen beſondere Namen beylegt.„ Auch in ihrer Anmerkung über dieſe Worte, ſtehen beide für einen Mann; der eine ſagt vollkommen eben das, was der andere ſagt. Sie erklären beide, was das Allgemeine iſt; ſie ſagen beide, daß dieſes Allgemeine die Abſicht der Poeſie ſey: aber wie die Poeſie bey Ertheilung der Namen auf dieſes Allgemeine ſieht, davon ſagt keiner ein Wort. Vielmehr zeigt der Franzoſe durch ſein lors même, ſo wie der Deutſche durch ſein auch wenn, offenbar, daß ſie nichts da- von zu ſagen gewußt, ja daß ſie gar nicht ein- mal verſtanden, was Ariſtoteles ſagen wollen. Denn dieſes lors même, dieſes auch wenn, heißt bey ihnen nichts mehr als ob ſchon; und ſie laſſen den Ariſtoteles ſonach blos ſagen, daß ungeachtet die Poeſie ihren Perſonen
Namen
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ται ἠ ποιησις ὀοοματα ἐπιτιϑεμενη, überſetzt
Dacier; une choſe generale, c’eſt ce que
tout homme d’un tel ou d’un tel caractere,
a dû dire, ou faire vraiſemblablement ou
neceſſairement, ce qui eſt le but de la
Pœſie lors même, qu’elle impoſe les noms
à ſes perſonnages. Vollkommen ſo überſetzt
ſie auch Herr Curtius: „Das Allgemeine iſt,
„was einer, vermöge eines gewiſſen Charakters,
„nach der Wahrſcheinlichkeit oder Nothwendig-
„keit redet oder thut. Dieſes Allgemeine iſt der
„Endzweck der Dichtkunſt, auch wenn ſie den
„Perſonen beſondere Namen beylegt.„ Auch
in ihrer Anmerkung über dieſe Worte, ſtehen
beide für einen Mann; der eine ſagt vollkommen
eben das, was der andere ſagt. Sie erklären
beide, was das Allgemeine iſt; ſie ſagen beide,
daß dieſes Allgemeine die Abſicht der Poeſie ſey:
aber wie die Poeſie bey Ertheilung der Namen
auf dieſes Allgemeine ſieht, davon ſagt keiner
ein Wort. Vielmehr zeigt der Franzoſe durch
ſein lors même, ſo wie der Deutſche durch
ſein auch wenn, offenbar, daß ſie nichts da-
von zu ſagen gewußt, ja daß ſie gar nicht ein-
mal verſtanden, was Ariſtoteles ſagen wollen.
Denn dieſes lors même, dieſes auch wenn,
heißt bey ihnen nichts mehr als ob ſchon;
und ſie laſſen den Ariſtoteles ſonach blos ſagen,
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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