wissen Personen nothwendig so tragisch werden muß, soll dennoch aus der Tragödie ausgeschlos- sen seyn, weil es auch in der Komödie, weil es auch in dem Possenfpiele Platz findet? Worüber wir einmal lachen, sollen wir ein andermal nicht erschrecken können?
Wenn ich die Ohrfeigen aus einer Gattung des Drama verbannt wissen möchte, so wäre es aus der Komödie. Denn was für Folgen kann sie da haben? Traurige? die sind über ihrer Sphäre. Lächerliche? die sind unter ihr, und gehören dem Possenspiele. Gar keine? so ver- lohnte es nicht der Mühe, sie geben zu lassen. Wer sie giebt, wird nichts als pöbelhafte Hitze, und wer sie bekömmt, nichts als knechtische Kleinmuth verrathen. Sie verbleibt also den beiden Extremis, der Tragödie und dem Possen- spiele; die mehrere dergleichen Dinge gemein haben, über die wir entweder spotten oder zit- tern wollen.
Und ich frage jeden, der den Cid vorstellen sehen, oder ihn mit einiger Aufmerksamkeit auch nur gelesen, ob ihn nicht ein Schauder überlau- fen, wenn der großsprecherische Gormas den alten würdigen Diego zu schlagen sich erdreistet? Ob er nicht das empfindlichste Mitleid für diesen, und den bittersten Unwillen gegen jenen empfun- den? Ob ihm nicht auf einmal alle die blutigen und traurigen Folgen, die diese schimfliche Be-
geg-
wiſſen Perſonen nothwendig ſo tragiſch werden muß, ſoll dennoch aus der Tragödie ausgeſchloſ- ſen ſeyn, weil es auch in der Komödie, weil es auch in dem Poſſenfpiele Platz findet? Worüber wir einmal lachen, ſollen wir ein andermal nicht erſchrecken können?
Wenn ich die Ohrfeigen aus einer Gattung des Drama verbannt wiſſen möchte, ſo wäre es aus der Komödie. Denn was für Folgen kann ſie da haben? Traurige? die ſind über ihrer Sphäre. Lächerliche? die ſind unter ihr, und gehören dem Poſſenſpiele. Gar keine? ſo ver- lohnte es nicht der Mühe, ſie geben zu laſſen. Wer ſie giebt, wird nichts als pöbelhafte Hitze, und wer ſie bekömmt, nichts als knechtiſche Kleinmuth verrathen. Sie verbleibt alſo den beiden Extremis, der Tragödie und dem Poſſen- ſpiele; die mehrere dergleichen Dinge gemein haben, über die wir entweder ſpotten oder zit- tern wollen.
Und ich frage jeden, der den Cid vorſtellen ſehen, oder ihn mit einiger Aufmerkſamkeit auch nur geleſen, ob ihn nicht ein Schauder überlau- fen, wenn der großſprecheriſche Gormas den alten würdigen Diego zu ſchlagen ſich erdreiſtet? Ob er nicht das empfindlichſte Mitleid für dieſen, und den bitterſten Unwillen gegen jenen empfun- den? Ob ihm nicht auf einmal alle die blutigen und traurigen Folgen, die dieſe ſchimfliche Be-
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wiſſen Perſonen nothwendig ſo tragiſch werden
muß, ſoll dennoch aus der Tragödie ausgeſchloſ-
ſen ſeyn, weil es auch in der Komödie, weil es
auch in dem Poſſenfpiele Platz findet? Worüber
wir einmal lachen, ſollen wir ein andermal nicht
erſchrecken können?
Wenn ich die Ohrfeigen aus einer Gattung
des Drama verbannt wiſſen möchte, ſo wäre es
aus der Komödie. Denn was für Folgen kann
ſie da haben? Traurige? die ſind über ihrer
Sphäre. Lächerliche? die ſind unter ihr, und
gehören dem Poſſenſpiele. Gar keine? ſo ver-
lohnte es nicht der Mühe, ſie geben zu laſſen.
Wer ſie giebt, wird nichts als pöbelhafte Hitze,
und wer ſie bekömmt, nichts als knechtiſche
Kleinmuth verrathen. Sie verbleibt alſo den
beiden Extremis, der Tragödie und dem Poſſen-
ſpiele; die mehrere dergleichen Dinge gemein
haben, über die wir entweder ſpotten oder zit-
tern wollen.
Und ich frage jeden, der den Cid vorſtellen
ſehen, oder ihn mit einiger Aufmerkſamkeit auch
nur geleſen, ob ihn nicht ein Schauder überlau-
fen, wenn der großſprecheriſche Gormas den
alten würdigen Diego zu ſchlagen ſich erdreiſtet?
Ob er nicht das empfindlichſte Mitleid für dieſen,
und den bitterſten Unwillen gegen jenen empfun-
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/34>, abgerufen am 23.11.2024.
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