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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

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Diese versteckte Drohung, ihm seinen Sohn
zurück zu geben, ist es auch, die ihn zum
Schweigen bringt; und doch kann Micio nicht
verlangen, daß sie alle väterliche Empfindungen
bey ihm unterdrücken soll. Es muß den Micio
zwar verdrießen, daß Demea auch in der Folge
nicht auf hört, ihm immer die nehmlichen Vor-
würfe zu machen: aber er kann es dem Vater
doch auch nicht verdenken, wenn er seinen Sohn
nicht gänzlich will verderben lassen. Kurz, der
Demea des Terenz ist ein Mann, der für das
Wohl dessen besorgt ist, für den ihm die Natur
zu sorgen aufgab; er thut es zwar auf die un-
rechte Weise, aber die Weise macht den Grund
nicht schlimmer. Der Demea unsers Verfas-
sers hingegen ist ein beschwerlicher Zänker, der
sich aus Verwandtschaft zu allen Grobheiten be-
rechtiget glaubt, die Micio auf keine Weise an
dem bloßen Bruder dulden müßte.



Ham-

Dieſe verſteckte Drohung, ihm ſeinen Sohn
zurück zu geben, iſt es auch, die ihn zum
Schweigen bringt; und doch kann Micio nicht
verlangen, daß ſie alle väterliche Empfindungen
bey ihm unterdrücken ſoll. Es muß den Micio
zwar verdrießen, daß Demea auch in der Folge
nicht auf hört, ihm immer die nehmlichen Vor-
würfe zu machen: aber er kann es dem Vater
doch auch nicht verdenken, wenn er ſeinen Sohn
nicht gänzlich will verderben laſſen. Kurz, der
Demea des Terenz iſt ein Mann, der für das
Wohl deſſen beſorgt iſt, für den ihm die Natur
zu ſorgen aufgab; er thut es zwar auf die un-
rechte Weiſe, aber die Weiſe macht den Grund
nicht ſchlimmer. Der Demea unſers Verfaſ-
ſers hingegen iſt ein beſchwerlicher Zänker, der
ſich aus Verwandtſchaft zu allen Grobheiten be-
rechtiget glaubt, die Micio auf keine Weiſe an
dem bloßen Bruder dulden müßte.



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[360/0366] Dieſe verſteckte Drohung, ihm ſeinen Sohn zurück zu geben, iſt es auch, die ihn zum Schweigen bringt; und doch kann Micio nicht verlangen, daß ſie alle väterliche Empfindungen bey ihm unterdrücken ſoll. Es muß den Micio zwar verdrießen, daß Demea auch in der Folge nicht auf hört, ihm immer die nehmlichen Vor- würfe zu machen: aber er kann es dem Vater doch auch nicht verdenken, wenn er ſeinen Sohn nicht gänzlich will verderben laſſen. Kurz, der Demea des Terenz iſt ein Mann, der für das Wohl deſſen beſorgt iſt, für den ihm die Natur zu ſorgen aufgab; er thut es zwar auf die un- rechte Weiſe, aber die Weiſe macht den Grund nicht ſchlimmer. Der Demea unſers Verfaſ- ſers hingegen iſt ein beſchwerlicher Zänker, der ſich aus Verwandtſchaft zu allen Grobheiten be- rechtiget glaubt, die Micio auf keine Weiſe an dem bloßen Bruder dulden müßte. Ham-

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Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/366>, abgerufen am 18.12.2024.