Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769].

Bild:
<< vorherige Seite

Beste auch nicht einmal in allen Suppen oben-
auf zu schwimmen pflegt. Meine erste Gedan-
ken sind gewiß kein Haar besser, als Jedermanns
erste Gedanken: und mit Jedermanns Gedan-
ken bleibt man am klügsten zu Hause.

-- Endlich fiel man darauf, selbst das, was
mich zu einem so langsamen, oder, wie es mei-
nen rüstigern Freunden scheinet, so faulen Ar-
beiter macht, selbst das, an mir nutzen zu wol-
len: die Critik. Und so entsprang die Jdee zu
diesem Blatte.

Sie gefiel mir, diese Jdee. Sie erinnerte
mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an
die kurzen Nachrichten, dergleichen selbst Ari-
stoteles von den Stücken der griechischen Bühne
zu schreiben der Mühe werth gehalten. Sie
erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den
grundgelehrten Casaubonus bey mir gelacht zu
haben, der sich, aus wahrer Hochachtung für
das Solide in den Wissenschaften, einbildete,
daß es dem Aristoteles vornehmlich um die Be-
richtigung der Chronologie bey seinen Didaska-
lien zu thun gewesen. (*) -- Wahrhaftig, es

wäre
(*) (Animadv. in Athenaeum Libr. VI. cap. 7.)
Di[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]a[fremdsprachliches Material - 1 Zeichen fehlt]kalia accipitur pro eo scripto, quo
explicatur ubi, quando, quomodo & quo
eventu fabula aliqua fuerit acta. -- Quan-
tum critici hac diligentia veteres chrono-
logos adjuverint, soli aestimabunt illi, qui

no-

Beſte auch nicht einmal in allen Suppen oben-
auf zu ſchwimmen pflegt. Meine erſte Gedan-
ken ſind gewiß kein Haar beſſer, als Jedermanns
erſte Gedanken: und mit Jedermanns Gedan-
ken bleibt man am klügſten zu Hauſe.

— Endlich fiel man darauf, ſelbſt das, was
mich zu einem ſo langſamen, oder, wie es mei-
nen rüſtigern Freunden ſcheinet, ſo faulen Ar-
beiter macht, ſelbſt das, an mir nutzen zu wol-
len: die Critik. Und ſo entſprang die Jdee zu
dieſem Blatte.

Sie gefiel mir, dieſe Jdee. Sie erinnerte
mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an
die kurzen Nachrichten, dergleichen ſelbſt Ari-
ſtoteles von den Stücken der griechiſchen Bühne
zu ſchreiben der Mühe werth gehalten. Sie
erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den
grundgelehrten Caſaubonus bey mir gelacht zu
haben, der ſich, aus wahrer Hochachtung für
das Solide in den Wiſſenſchaften, einbildete,
daß es dem Ariſtoteles vornehmlich um die Be-
richtigung der Chronologie bey ſeinen Didaska-
lien zu thun geweſen. (*) — Wahrhaftig, es

wäre
(*) (Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap. 7.)
Δι[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]α[fremdsprachliches Material – 1 Zeichen fehlt]καλια accipitur pro eo ſcripto, quo
explicatur ubi, quando, quomodo & quo
eventu fabula aliqua fuerit acta. — Quan-
tum critici hac diligentia veteres chrono-
logos adjuverint, ſoli æſtimabunt illi, qui

no-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0396" n="390"/>
Be&#x017F;te auch nicht einmal in allen Suppen oben-<lb/>
auf zu &#x017F;chwimmen pflegt. Meine er&#x017F;te Gedan-<lb/>
ken &#x017F;ind gewiß kein Haar be&#x017F;&#x017F;er, als Jedermanns<lb/>
er&#x017F;te Gedanken: und mit Jedermanns Gedan-<lb/>
ken bleibt man am klüg&#x017F;ten zu Hau&#x017F;e.</p><lb/>
        <p>&#x2014; Endlich fiel man darauf, &#x017F;elb&#x017F;t das, was<lb/>
mich zu einem &#x017F;o lang&#x017F;amen, oder, wie es mei-<lb/>
nen rü&#x017F;tigern Freunden &#x017F;cheinet, &#x017F;o faulen Ar-<lb/>
beiter macht, &#x017F;elb&#x017F;t das, an mir nutzen zu wol-<lb/>
len: die Critik. Und &#x017F;o ent&#x017F;prang die Jdee zu<lb/>
die&#x017F;em Blatte.</p><lb/>
        <p>Sie gefiel mir, die&#x017F;e Jdee. Sie erinnerte<lb/>
mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an<lb/>
die kurzen Nachrichten, dergleichen &#x017F;elb&#x017F;t Ari-<lb/>
&#x017F;toteles von den Stücken der griechi&#x017F;chen Bühne<lb/>
zu &#x017F;chreiben der Mühe werth gehalten. Sie<lb/>
erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den<lb/>
grundgelehrten Ca&#x017F;aubonus bey mir gelacht zu<lb/>
haben, der &#x017F;ich, aus wahrer Hochachtung für<lb/>
das Solide in den Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, einbildete,<lb/>
daß es dem Ari&#x017F;toteles vornehmlich um die Be-<lb/>
richtigung der Chronologie bey &#x017F;einen Didaska-<lb/>
lien zu thun gewe&#x017F;en. <note xml:id="seg2pn_33_1" next="#seg2pn_33_2" place="foot" n="(*)"><cit><quote><hi rendition="#aq">(Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap.</hi> 7.)<lb/>
&#x0394;&#x03B9;<gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/>&#x03B1;<gap reason="fm" unit="chars" quantity="1"/>&#x03BA;&#x03B1;&#x03BB;&#x03B9;&#x03B1; <hi rendition="#aq">accipitur pro eo &#x017F;cripto, quo<lb/>
explicatur ubi, quando, quomodo &amp; quo<lb/>
eventu fabula aliqua fuerit acta. &#x2014; Quan-<lb/>
tum critici hac diligentia veteres chrono-<lb/>
logos adjuverint, &#x017F;oli æ&#x017F;timabunt illi, qui</hi></quote><bibl/></cit><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#aq">no-</hi></fw></note> &#x2014; Wahrhaftig, es<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wäre</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[390/0396] Beſte auch nicht einmal in allen Suppen oben- auf zu ſchwimmen pflegt. Meine erſte Gedan- ken ſind gewiß kein Haar beſſer, als Jedermanns erſte Gedanken: und mit Jedermanns Gedan- ken bleibt man am klügſten zu Hauſe. — Endlich fiel man darauf, ſelbſt das, was mich zu einem ſo langſamen, oder, wie es mei- nen rüſtigern Freunden ſcheinet, ſo faulen Ar- beiter macht, ſelbſt das, an mir nutzen zu wol- len: die Critik. Und ſo entſprang die Jdee zu dieſem Blatte. Sie gefiel mir, dieſe Jdee. Sie erinnerte mich an die Didaskalien der Griechen, d. i. an die kurzen Nachrichten, dergleichen ſelbſt Ari- ſtoteles von den Stücken der griechiſchen Bühne zu ſchreiben der Mühe werth gehalten. Sie erinnerte mich, vor langer Zeit einmal über den grundgelehrten Caſaubonus bey mir gelacht zu haben, der ſich, aus wahrer Hochachtung für das Solide in den Wiſſenſchaften, einbildete, daß es dem Ariſtoteles vornehmlich um die Be- richtigung der Chronologie bey ſeinen Didaska- lien zu thun geweſen. (*) — Wahrhaftig, es wäre (*) (Animadv. in Athenæum Libr. VI. cap. 7.) Δι_α_καλια accipitur pro eo ſcripto, quo explicatur ubi, quando, quomodo & quo eventu fabula aliqua fuerit acta. — Quan- tum critici hac diligentia veteres chrono- logos adjuverint, ſoli æſtimabunt illi, qui no-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/396
Zitationshilfe: [Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 390. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/396>, abgerufen am 18.12.2024.