ihm sonst die geheimen Ursachen entdecken kön- nen, warum ich der einen Schauspielerinn eine sonore Stimme beygelegt, und das Probe- stück einer andern so erhoben habe? Jch war freylich damals in beide verliebt: aber ich hätte doch nimmermehr geglaubt, daß es eine leben- dige Seele errathen sollte. Die Damen können es ihm auch unmöglich selbst gesagt haben: folg- lich hat es mit dem Wahrsagergeiste seine Rich- tigkeit. Ja, weh uns armen Schriftstellern, wenn unsere hochgebiethende Herren, die Jur- nalisten und Zeitungsschreiber, mit solchen Käl- bern pflügen wollen! Wenn sie zu ihren Beur- theilungen, außer ihrer gewöhnlichen Gelehr- samkeit und Scharfsinnigkeit, sich auch noch sol- cher Stückchen aus der geheimsten Magie bedie- nen wollen: wer kann wider sie bestehen?
"Jch würde, schreibt dieser Hr. Stl. aus Eingebung seines Kobolts, "auch den zweyten "Band der Dramaturgie anzeigen können, wenn "nicht die Abhandlung wider die Buchhändler "dem Verfasser zu viel Arbeit machte, als daß "er das Werk bald beschließen könnte."
Man muß auch einen Kobolt nicht zum Lüg- ner machen wollen, wenn er es gerade einmal nicht ist. Es ist nicht ganz ohne, was das böse Ding dem guten Stl. hier eingeblasen. Jch
hatte
D d d 3
ihm ſonſt die geheimen Urſachen entdecken kön- nen, warum ich der einen Schauſpielerinn eine ſonore Stimme beygelegt, und das Probe- ſtück einer andern ſo erhoben habe? Jch war freylich damals in beide verliebt: aber ich hätte doch nimmermehr geglaubt, daß es eine leben- dige Seele errathen ſollte. Die Damen können es ihm auch unmöglich ſelbſt geſagt haben: folg- lich hat es mit dem Wahrſagergeiſte ſeine Rich- tigkeit. Ja, weh uns armen Schriftſtellern, wenn unſere hochgebiethende Herren, die Jur- naliſten und Zeitungsſchreiber, mit ſolchen Käl- bern pflügen wollen! Wenn ſie zu ihren Beur- theilungen, außer ihrer gewöhnlichen Gelehr- ſamkeit und Scharfſinnigkeit, ſich auch noch ſol- cher Stückchen aus der geheimſten Magie bedie- nen wollen: wer kann wider ſie beſtehen?
„Jch würde, ſchreibt dieſer Hr. Stl. aus Eingebung ſeines Kobolts, „auch den zweyten „Band der Dramaturgie anzeigen können, wenn „nicht die Abhandlung wider die Buchhändler „dem Verfaſſer zu viel Arbeit machte, als daß „er das Werk bald beſchließen könnte.„
Man muß auch einen Kobolt nicht zum Lüg- ner machen wollen, wenn er es gerade einmal nicht iſt. Es iſt nicht ganz ohne, was das böſe Ding dem guten Stl. hier eingeblaſen. Jch
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ihm ſonſt die geheimen Urſachen entdecken kön-
nen, warum ich der einen Schauſpielerinn eine
ſonore Stimme beygelegt, und das Probe-
ſtück einer andern ſo erhoben habe? Jch war
freylich damals in beide verliebt: aber ich hätte
doch nimmermehr geglaubt, daß es eine leben-
dige Seele errathen ſollte. Die Damen können
es ihm auch unmöglich ſelbſt geſagt haben: folg-
lich hat es mit dem Wahrſagergeiſte ſeine Rich-
tigkeit. Ja, weh uns armen Schriftſtellern,
wenn unſere hochgebiethende Herren, die Jur-
naliſten und Zeitungsſchreiber, mit ſolchen Käl-
bern pflügen wollen! Wenn ſie zu ihren Beur-
theilungen, außer ihrer gewöhnlichen Gelehr-
ſamkeit und Scharfſinnigkeit, ſich auch noch ſol-
cher Stückchen aus der geheimſten Magie bedie-
nen wollen: wer kann wider ſie beſtehen?
„Jch würde, ſchreibt dieſer Hr. Stl. aus
Eingebung ſeines Kobolts, „auch den zweyten
„Band der Dramaturgie anzeigen können, wenn
„nicht die Abhandlung wider die Buchhändler
„dem Verfaſſer zu viel Arbeit machte, als daß
„er das Werk bald beſchließen könnte.„
Man muß auch einen Kobolt nicht zum Lüg-
ner machen wollen, wenn er es gerade einmal
nicht iſt. Es iſt nicht ganz ohne, was das böſe
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/407>, abgerufen am 09.11.2024.
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