niß. Seine Elisabeth klagt nicht, wie die Elisa- beth des Corneille, über Kälte und Verachtung, über Gluth und Schicksal; sie spricht von keinem Gifte, das sie verzehre; sie jammert nicht, daß ihr der Undankbare eine Suffolk vorziehe, nachdem sie ihm doch deutlich genug zu verstehen gegeben, daß er um sie allein seufzen solle, u. s. w. Keine von diesen Armseligkeiten kömmt über ihre Lip- pen. Sie spricht nie, als eine Verliebte; aber sie handelt so. Man hört es nie, aber man sieht es, wie theuer ihr Essex ehedem gewesen, und noch ist. Einige Funken Eifersucht verra- then sie; sonst würde man sie schlechterdings für nichts, als für seine Freundinn halten können.
Mit welcher Kunst aber Banks ihre Gesin- nungen gegen den Grafen in Action zu setzen gewußt, das können folgende Scenen des drit- ten Aufzuges zeigen. -- Die Königinn glaubt sich allein, und überlegt den unglücklichen Zwang ihres Standes, der ihr nicht erlaube, nach der wahren Neigung ihres Herzens zu handeln. In- dem wird sie die Nottingham gewahr, die ihr nachgekommen. --
Die Königinn. Du hier, Nottingham? Ich glaubte, ich sey allein.
Nottingham. Verzeihe, Königinn, daß ich so kühn bin. Und doch befiehlt mir meine
Pflicht,
E 2
niß. Seine Eliſabeth klagt nicht, wie die Eliſa- beth des Corneille, über Kälte und Verachtung, über Gluth und Schickſal; ſie ſpricht von keinem Gifte, das ſie verzehre; ſie jammert nicht, daß ihr der Undankbare eine Suffolk vorziehe, nachdem ſie ihm doch deutlich genug zu verſtehen gegeben, daß er um ſie allein ſeufzen ſolle, u. ſ. w. Keine von dieſen Armſeligkeiten kömmt über ihre Lip- pen. Sie ſpricht nie, als eine Verliebte; aber ſie handelt ſo. Man hört es nie, aber man ſieht es, wie theuer ihr Eſſex ehedem geweſen, und noch iſt. Einige Funken Eiferſucht verra- then ſie; ſonſt würde man ſie ſchlechterdings für nichts, als für ſeine Freundinn halten können.
Mit welcher Kunſt aber Banks ihre Geſin- nungen gegen den Grafen in Action zu ſetzen gewußt, das können folgende Scenen des drit- ten Aufzuges zeigen. — Die Königinn glaubt ſich allein, und überlegt den unglücklichen Zwang ihres Standes, der ihr nicht erlaube, nach der wahren Neigung ihres Herzens zu handeln. In- dem wird ſie die Nottingham gewahr, die ihr nachgekommen. —
Die Königinn. Du hier, Nottingham? Ich glaubte, ich ſey allein.
Nottingham. Verzeihe, Königinn, daß ich ſo kühn bin. Und doch befiehlt mir meine
Pflicht,
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niß. Seine Eliſabeth klagt nicht, wie die Eliſa-
beth des Corneille, über Kälte und Verachtung,
über Gluth und Schickſal; ſie ſpricht von keinem
Gifte, das ſie verzehre; ſie jammert nicht, daß ihr
der Undankbare eine Suffolk vorziehe, nachdem
ſie ihm doch deutlich genug zu verſtehen gegeben,
daß er um ſie allein ſeufzen ſolle, u. ſ. w. Keine
von dieſen Armſeligkeiten kömmt über ihre Lip-
pen. Sie ſpricht nie, als eine Verliebte; aber
ſie handelt ſo. Man hört es nie, aber man
ſieht es, wie theuer ihr Eſſex ehedem geweſen,
und noch iſt. Einige Funken Eiferſucht verra-
then ſie; ſonſt würde man ſie ſchlechterdings für
nichts, als für ſeine Freundinn halten können.
Mit welcher Kunſt aber Banks ihre Geſin-
nungen gegen den Grafen in Action zu ſetzen
gewußt, das können folgende Scenen des drit-
ten Aufzuges zeigen. — Die Königinn glaubt ſich
allein, und überlegt den unglücklichen Zwang
ihres Standes, der ihr nicht erlaube, nach der
wahren Neigung ihres Herzens zu handeln. In-
dem wird ſie die Nottingham gewahr, die ihr
nachgekommen. —
Die Königinn. Du hier, Nottingham?
Ich glaubte, ich ſey allein.
Nottingham. Verzeihe, Königinn, daß
ich ſo kühn bin. Und doch befiehlt mir meine
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[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769], S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_dramaturgie02_1767/41>, abgerufen am 23.11.2024.
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