[Lessing, Gotthold Ephraim]: Hamburgische Dramaturgie. Bd. 2. Hamburg u. a., [1769]. Die Königinn. Nicht wahr, Notting- ham? -- Meinen Befehl so gering zu schätzen! Er hätte den Tod dafür verdient. -- Weit geringere Verbrechen haben hundert weit geliebtern Lieblin- gen den Kopf gekostet. -- Nottingham. Ja wohl. -- Und doch sollte Essex, bey so viel größerer Schuld, mit geringerer Strafe davon kommen? Er sollte nicht sterben? Die Königinn. Er soll! -- Er soll sterben, und in den empfindlichsten Martern soll er ster- ben! -- Seine Pein sey, wie seine Verrätherey, die größte von allen! -- Und dann will ich seinen Kopf und seine Glieder, nicht unter den finstern Thoren, nicht auf den niedrigen Brücken, auf den höchsten Zinnen will ich sie aufgesteckt wissen, da- mit jeder, der vorübergeht, sie erblicke und aus- rufe: Siehe da, den stolzen undankbaren Essex! Diesen Essex, welcher der Gerechtigkeit seiner Kö- niginn trotzte! -- Wohl gethan! Nicht mehr, als er verdiente! -- Was sagst du, Notting- ham? Meinest du nicht auch? -- Du schweigst? Warum schweigst du? Willst du ihn noch vertre- ten? Nottingham. Weil Du es denn befiehlst, Königinn, so will ich Dir alles sagen, was die Welt von diesem stolzen, undankbaren Manne spricht. -- Die Königinn. Thu das! -- Laß hören: was sagt die Welt von ihm und mir? Not- E 3
Die Königinn. Nicht wahr, Notting- ham? — Meinen Befehl ſo gering zu ſchätzen! Er hätte den Tod dafür verdient. — Weit geringere Verbrechen haben hundert weit geliebtern Lieblin- gen den Kopf gekoſtet. — Nottingham. Ja wohl. — Und doch ſollte Eſſex, bey ſo viel größerer Schuld, mit geringerer Strafe davon kommen? Er ſollte nicht ſterben? Die Königinn. Er ſoll! — Er ſoll ſterben, und in den empfindlichſten Martern ſoll er ſter- ben! — Seine Pein ſey, wie ſeine Verrätherey, die größte von allen! — Und dann will ich ſeinen Kopf und ſeine Glieder, nicht unter den finſtern Thoren, nicht auf den niedrigen Brücken, auf den höchſten Zinnen will ich ſie aufgeſteckt wiſſen, da- mit jeder, der vorübergeht, ſie erblicke und aus- rufe: Siehe da, den ſtolzen undankbaren Eſſex! Dieſen Eſſex, welcher der Gerechtigkeit ſeiner Kö- niginn trotzte! — Wohl gethan! Nicht mehr, als er verdiente! — Was ſagſt du, Notting- ham? Meineſt du nicht auch? — Du ſchweigſt? Warum ſchweigſt du? Willſt du ihn noch vertre- ten? Nottingham. Weil Du es denn befiehlſt, Königinn, ſo will ich Dir alles ſagen, was die Welt von dieſem ſtolzen, undankbaren Manne ſpricht. — Die Königinn. Thu das! — Laß hören: was ſagt die Welt von ihm und mir? Not- E 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <floatingText> <body> <pb facs="#f0043" n="37"/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Die Königinn</hi>.</speaker> <p>Nicht wahr, Notting-<lb/> ham? — Meinen Befehl ſo gering zu ſchätzen!<lb/> Er hätte den Tod dafür verdient. — Weit geringere<lb/> Verbrechen haben hundert weit geliebtern Lieblin-<lb/> gen den Kopf gekoſtet. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Nottingham</hi>.</speaker> <p>Ja wohl. — Und doch ſollte<lb/> Eſſex, bey ſo viel größerer Schuld, mit geringerer<lb/> Strafe davon kommen? Er ſollte nicht ſterben?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Die Königinn</hi>.</speaker> <p>Er ſoll! — Er ſoll ſterben,<lb/> und in den empfindlichſten Martern ſoll er ſter-<lb/> ben! — Seine Pein ſey, wie ſeine Verrätherey,<lb/> die größte von allen! — Und dann will ich ſeinen<lb/> Kopf und ſeine Glieder, nicht unter den finſtern<lb/> Thoren, nicht auf den niedrigen Brücken, auf den<lb/> höchſten Zinnen will ich ſie aufgeſteckt wiſſen, da-<lb/> mit jeder, der vorübergeht, ſie erblicke und aus-<lb/> rufe: Siehe da, den ſtolzen undankbaren Eſſex!<lb/> Dieſen Eſſex, welcher der Gerechtigkeit ſeiner Kö-<lb/> niginn trotzte! — Wohl gethan! Nicht mehr,<lb/> als er verdiente! — Was ſagſt du, Notting-<lb/> ham? Meineſt du nicht auch? — Du ſchweigſt?<lb/> Warum ſchweigſt du? Willſt du ihn noch vertre-<lb/> ten?</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Nottingham</hi>.</speaker> <p>Weil Du es denn befiehlſt,<lb/> Königinn, ſo will ich Dir alles ſagen, was die<lb/> Welt von dieſem ſtolzen, undankbaren Manne<lb/> ſpricht. —</p> </sp><lb/> <sp> <speaker><hi rendition="#g">Die Königinn</hi>.</speaker> <p>Thu das! — Laß hören:<lb/> was ſagt die Welt von ihm und mir?</p> </sp><lb/> <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#g">Not-</hi> </fw><lb/> </body> </floatingText> </div> </body> </text> </TEI> [37/0043]
Die Königinn. Nicht wahr, Notting-
ham? — Meinen Befehl ſo gering zu ſchätzen!
Er hätte den Tod dafür verdient. — Weit geringere
Verbrechen haben hundert weit geliebtern Lieblin-
gen den Kopf gekoſtet. —
Nottingham. Ja wohl. — Und doch ſollte
Eſſex, bey ſo viel größerer Schuld, mit geringerer
Strafe davon kommen? Er ſollte nicht ſterben?
Die Königinn. Er ſoll! — Er ſoll ſterben,
und in den empfindlichſten Martern ſoll er ſter-
ben! — Seine Pein ſey, wie ſeine Verrätherey,
die größte von allen! — Und dann will ich ſeinen
Kopf und ſeine Glieder, nicht unter den finſtern
Thoren, nicht auf den niedrigen Brücken, auf den
höchſten Zinnen will ich ſie aufgeſteckt wiſſen, da-
mit jeder, der vorübergeht, ſie erblicke und aus-
rufe: Siehe da, den ſtolzen undankbaren Eſſex!
Dieſen Eſſex, welcher der Gerechtigkeit ſeiner Kö-
niginn trotzte! — Wohl gethan! Nicht mehr,
als er verdiente! — Was ſagſt du, Notting-
ham? Meineſt du nicht auch? — Du ſchweigſt?
Warum ſchweigſt du? Willſt du ihn noch vertre-
ten?
Nottingham. Weil Du es denn befiehlſt,
Königinn, ſo will ich Dir alles ſagen, was die
Welt von dieſem ſtolzen, undankbaren Manne
ſpricht. —
Die Königinn. Thu das! — Laß hören:
was ſagt die Welt von ihm und mir?
Not-
E 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |