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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


Wege, aus dem Auge durch den Arm in den Pin-
sel, wie viel geht da verloren! -- Aber, wie ich
sage, daß ich es weiß, was hier verloren gegan-
gen, und wie es verloren gegangen, und warum
es verloren gehen müssen: darauf bin ich eben so
stolz, und stolzer, als ich auf alles das bin, was
ich nicht verloren gehen lassen. Denn aus jenem
erkenne ich, mehr als aus diesen, daß ich wirklich
ein großer Maler bin; daß es aber meine Hand
nur nicht immer ist. -- Oder meynen Sie, Prinz,
daß Raphael nicht das größte malerische Genie ge-
wesen wäre, wenn er unglücklicher Weise ohne
Hände wäre geboren worden? Meynen Sie,
Prinz?
Der Prinz. (indem er nur eben von dem Bilde weg-
blickt)
Was sagen Sie, Conti? Was wollen Sie
wissen?
Conti. O nichts, nichts! -- Plauderey!
Jhre Seele, merk' ich, war ganz in Jhren Augen.
Jch liebe solche Seelen, und solche Augen.
Der Prinz. (mit einer erzwungenen Kälte.) Also
Conti, rechnen Sie doch wirklich Emilia Galotti mit
zu den vorzüglichsten Schönheiten unserer Stadt?
Conti.
Emilia Galotti.


Wege, aus dem Auge durch den Arm in den Pin-
ſel, wie viel geht da verloren! — Aber, wie ich
ſage, daß ich es weiß, was hier verloren gegan-
gen, und wie es verloren gegangen, und warum
es verloren gehen muͤſſen: darauf bin ich eben ſo
ſtolz, und ſtolzer, als ich auf alles das bin, was
ich nicht verloren gehen laſſen. Denn aus jenem
erkenne ich, mehr als aus dieſen, daß ich wirklich
ein großer Maler bin; daß es aber meine Hand
nur nicht immer iſt. — Oder meynen Sie, Prinz,
daß Raphael nicht das groͤßte maleriſche Genie ge-
weſen waͤre, wenn er ungluͤcklicher Weiſe ohne
Haͤnde waͤre geboren worden? Meynen Sie,
Prinz?
Der Prinz. (indem er nur eben von dem Bilde weg-
blickt)
Was ſagen Sie, Conti? Was wollen Sie
wiſſen?
Conti. O nichts, nichts! — Plauderey!
Jhre Seele, merk’ ich, war ganz in Jhren Augen.
Jch liebe ſolche Seelen, und ſolche Augen.
Der Prinz. (mit einer erzwungenen Kaͤlte.) Alſo
Conti, rechnen Sie doch wirklich Emilia Galotti mit
zu den vorzuͤglichſten Schoͤnheiten unſerer Stadt?
Conti.
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[13/0017] Emilia Galotti. Wege, aus dem Auge durch den Arm in den Pin- ſel, wie viel geht da verloren! — Aber, wie ich ſage, daß ich es weiß, was hier verloren gegan- gen, und wie es verloren gegangen, und warum es verloren gehen muͤſſen: darauf bin ich eben ſo ſtolz, und ſtolzer, als ich auf alles das bin, was ich nicht verloren gehen laſſen. Denn aus jenem erkenne ich, mehr als aus dieſen, daß ich wirklich ein großer Maler bin; daß es aber meine Hand nur nicht immer iſt. — Oder meynen Sie, Prinz, daß Raphael nicht das groͤßte maleriſche Genie ge- weſen waͤre, wenn er ungluͤcklicher Weiſe ohne Haͤnde waͤre geboren worden? Meynen Sie, Prinz? Der Prinz. (indem er nur eben von dem Bilde weg- blickt) Was ſagen Sie, Conti? Was wollen Sie wiſſen? Conti. O nichts, nichts! — Plauderey! Jhre Seele, merk’ ich, war ganz in Jhren Augen. Jch liebe ſolche Seelen, und ſolche Augen. Der Prinz. (mit einer erzwungenen Kaͤlte.) Alſo Conti, rechnen Sie doch wirklich Emilia Galotti mit zu den vorzuͤglichſten Schoͤnheiten unſerer Stadt? Conti.

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 13. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/17>, abgerufen am 29.04.2024.