Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. immer ihren Piatz. Nicht so einer Gemahlinn fürchtet sie aufgeopfert zu seyn, sondern -- -- Der Prinz. Einer neuen Geliebten. -- Nun denn? Wollten Sie mir durchaus ein Verbrechen machen, Marinelli? Marinelli. Jch? -- O! vermengen Sie mich ja nicht, mein Prinz, mit der Närrinn, deren Wort ich führe, -- aus Mitleid führe. Denn gestern, wahrlich, hat sie mich sonderbar gerühret. Sie wollte von ihrer Angelegenheit mit Jhnen gar nicht sprechen. Sie wollte sich ganz gelassen und kalt stellen. Aber mitten in dem gleichgültigsten Gespräche, entfuhr ihr eine Wen- dung, eine Beziehung über die andere, die ihr gefoltertes Herz verrieth. Mit dem lustigsten We- sen sagte sie die melancholischten Dinge: und wiederum die lächerlichsten Possen mit der aller- traurigsten Miene. Sie hat zu den Büchern ihre Zuflucht genommen; und ich fürchte, die werden ihr den Rest geben. Der Prinz. So wie sie ihrem armen Ver- stande auch den ersten Stoß gegeben. -- Aber was mich vornehmlich mit von ihr entfernt hat, das B 2
Emilia Galotti. immer ihren Piatz. Nicht ſo einer Gemahlinn fuͤrchtet ſie aufgeopfert zu ſeyn, ſondern — — Der Prinz. Einer neuen Geliebten. — Nun denn? Wollten Sie mir durchaus ein Verbrechen machen, Marinelli? Marinelli. Jch? — O! vermengen Sie mich ja nicht, mein Prinz, mit der Naͤrrinn, deren Wort ich fuͤhre, — aus Mitleid fuͤhre. Denn geſtern, wahrlich, hat ſie mich ſonderbar geruͤhret. Sie wollte von ihrer Angelegenheit mit Jhnen gar nicht ſprechen. Sie wollte ſich ganz gelaſſen und kalt ſtellen. Aber mitten in dem gleichguͤltigſten Geſpraͤche, entfuhr ihr eine Wen- dung, eine Beziehung uͤber die andere, die ihr gefoltertes Herz verrieth. Mit dem luſtigſten We- ſen ſagte ſie die melancholiſchten Dinge: und wiederum die laͤcherlichſten Poſſen mit der aller- traurigſten Miene. Sie hat zu den Buͤchern ihre Zuflucht genommen; und ich fuͤrchte, die werden ihr den Reſt geben. Der Prinz. So wie ſie ihrem armen Ver- ſtande auch den erſten Stoß gegeben. — Aber was mich vornehmlich mit von ihr entfernt hat, das B 2
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Emilia Galotti.
immer ihren Piatz. Nicht ſo einer Gemahlinn
fuͤrchtet ſie aufgeopfert zu ſeyn, ſondern — —
Der Prinz. Einer neuen Geliebten. — Nun
denn? Wollten Sie mir durchaus ein Verbrechen
machen, Marinelli?
Marinelli. Jch? — O! vermengen Sie
mich ja nicht, mein Prinz, mit der Naͤrrinn,
deren Wort ich fuͤhre, — aus Mitleid fuͤhre.
Denn geſtern, wahrlich, hat ſie mich ſonderbar
geruͤhret. Sie wollte von ihrer Angelegenheit
mit Jhnen gar nicht ſprechen. Sie wollte ſich
ganz gelaſſen und kalt ſtellen. Aber mitten in dem
gleichguͤltigſten Geſpraͤche, entfuhr ihr eine Wen-
dung, eine Beziehung uͤber die andere, die ihr
gefoltertes Herz verrieth. Mit dem luſtigſten We-
ſen ſagte ſie die melancholiſchten Dinge: und
wiederum die laͤcherlichſten Poſſen mit der aller-
traurigſten Miene. Sie hat zu den Buͤchern ihre
Zuflucht genommen; und ich fuͤrchte, die werden
ihr den Reſt geben.
Der Prinz. So wie ſie ihrem armen Ver-
ſtande auch den erſten Stoß gegeben. — Aber
was mich vornehmlich mit von ihr entfernt hat,
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