Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

Bild:
<< vorherige Seite
Emilia Galotti.


anders mache -- sein Unglück auf immer entschei-
de. -- Es beschwor mich -- hören mußt' ich dieß
alles. Aber ich blickte nicht um, ich wollte thun,
als ob ich es nicht hörte. -- Was konnt' ich
sonst? -- Meinen guten Engel bitten, mich| mit
Taubheit zu schlagen; und wann auch, wann auch
auf immer! -- Das bat ich; das war das ein-
zige, was ich beten konnte. -- Endlich ward es
Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt
gieng zu Ende. Jch zitterte, mich umzukehren.
Jch zitterte, ihn zu erblicken, der sich den Frevel
erlauben dürfen. Und da ich mich umwandte, da
ich ihn erblickte --
Claudia. Wen, meine Tochter?
Emilia. Rathen Sie, meine Mutter; ra-
then Sie -- Jch glaubte in die Erde zu sinken --
Jhn selbst.
Claudia. Wen, ihn selbst?
Emilia. Den Prinzen.
Claudia. Den Prinzen! -- O geseegnet sey
die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war,
und dich nicht erwarten wollte!
Emilia.
Emilia Galotti.


anders mache — ſein Ungluͤck auf immer entſchei-
de. — Es beſchwor mich — hoͤren mußt’ ich dieß
alles. Aber ich blickte nicht um, ich wollte thun,
als ob ich es nicht hoͤrte. — Was konnt’ ich
ſonſt? — Meinen guten Engel bitten, mich| mit
Taubheit zu ſchlagen; und wann auch, wann auch
auf immer! — Das bat ich; das war das ein-
zige, was ich beten konnte. — Endlich ward es
Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt
gieng zu Ende. Jch zitterte, mich umzukehren.
Jch zitterte, ihn zu erblicken, der ſich den Frevel
erlauben duͤrfen. Und da ich mich umwandte, da
ich ihn erblickte —
Claudia. Wen, meine Tochter?
Emilia. Rathen Sie, meine Mutter; ra-
then Sie — Jch glaubte in die Erde zu ſinken —
Jhn ſelbſt.
Claudia. Wen, ihn ſelbſt?
Emilia. Den Prinzen.
Claudia. Den Prinzen! — O geſeegnet ſey
die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war,
und dich nicht erwarten wollte!
Emilia.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#EMI">
            <p><pb facs="#f0050" n="46"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Emilia Galotti</hi>.</fw><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
anders mache &#x2014; &#x017F;ein Unglu&#x0364;ck auf immer ent&#x017F;chei-<lb/>
de. &#x2014; Es be&#x017F;chwor mich &#x2014; ho&#x0364;ren mußt&#x2019; ich dieß<lb/>
alles. Aber ich blickte nicht um, ich wollte thun,<lb/>
als ob ich es nicht ho&#x0364;rte. &#x2014; Was konnt&#x2019; ich<lb/>
&#x017F;on&#x017F;t? &#x2014; Meinen guten Engel bitten, mich| mit<lb/>
Taubheit zu &#x017F;chlagen; und wann auch, wann auch<lb/>
auf immer! &#x2014; Das bat ich; das war das ein-<lb/>
zige, was ich beten konnte. &#x2014; Endlich ward es<lb/>
Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt<lb/>
gieng zu Ende. Jch zitterte, mich umzukehren.<lb/>
Jch zitterte, ihn zu erblicken, der &#x017F;ich den Frevel<lb/>
erlauben du&#x0364;rfen. Und da ich mich umwandte, da<lb/>
ich ihn erblickte &#x2014;</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Wen, meine Tochter?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>Rathen Sie, meine Mutter; ra-<lb/>
then Sie &#x2014; Jch glaubte in die Erde zu &#x017F;inken &#x2014;<lb/>
Jhn &#x017F;elb&#x017F;t.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Wen, ihn &#x017F;elb&#x017F;t?</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#EMI">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </speaker>
            <p>Den Prinzen.</p>
          </sp><lb/>
          <sp who="#CLA">
            <speaker> <hi rendition="#fr">Claudia.</hi> </speaker>
            <p>Den Prinzen! &#x2014; O ge&#x017F;eegnet &#x017F;ey<lb/>
die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war,<lb/>
und dich nicht erwarten wollte!</p>
          </sp><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Emilia.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[46/0050] Emilia Galotti. anders mache — ſein Ungluͤck auf immer entſchei- de. — Es beſchwor mich — hoͤren mußt’ ich dieß alles. Aber ich blickte nicht um, ich wollte thun, als ob ich es nicht hoͤrte. — Was konnt’ ich ſonſt? — Meinen guten Engel bitten, mich| mit Taubheit zu ſchlagen; und wann auch, wann auch auf immer! — Das bat ich; das war das ein- zige, was ich beten konnte. — Endlich ward es Zeit, mich wieder zu erheben. Das heilige Amt gieng zu Ende. Jch zitterte, mich umzukehren. Jch zitterte, ihn zu erblicken, der ſich den Frevel erlauben duͤrfen. Und da ich mich umwandte, da ich ihn erblickte — Claudia. Wen, meine Tochter? Emilia. Rathen Sie, meine Mutter; ra- then Sie — Jch glaubte in die Erde zu ſinken — Jhn ſelbſt. Claudia. Wen, ihn ſelbſt? Emilia. Den Prinzen. Claudia. Den Prinzen! — O geſeegnet ſey die Ungeduld deines Vaters, der eben hier war, und dich nicht erwarten wollte! Emilia.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/50
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/50>, abgerufen am 23.11.2024.