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Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.

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Emilia Galotti.


auf der Spur, und wo nur nicht -- unserm gan-
zen Anschlage! Alles, was in dieser einsamen Ge-
gend von Menschen ist, hat sich um sie versammelt;
und jeder will der seyn, der ihr den Weg weiset.
Ob man ihr schon gesagt, daß der Prinz hier ist,
daß Sie hier sind, weiß ich nicht, -- Was wol-
len Sie thun?
Marinelli. Laß sehen! -- (er überlegt) Sie
nicht einlassen, wenn sie weiß, daß die Tochter
hier ist? -- Das geht nicht. -- Freylich, sie
wird Augen machen, wenn sie den Wolf bey dem
Schäfchen sieht. -- Augen? Das möchte noch
seyn. Aber der Himmel sey unsern Ohren gnä-
dig! -- Nun was? die beste Lunge erschöpft sich;
auch so gar eine weibliche. Sie hören alle auf zu
schreyen, wenn sie nicht mehr können. -- Dazu,
es ist doch einmal die Mutter, die wir auf unserer
Seite haben müssen. -- Wenn ich die Mütter
recht kenne: -- so etwas von einer Schwiegermutter
eines Prinzen zu seyn, schmeichelt die meisten. --
Laß sie kommen, Battista, laß sie kommen!
Battista. Hören Sie! hören Sie!
Clau-
F 3
Emilia Galotti.


auf der Spur, und wo nur nicht — unſerm gan-
zen Anſchlage! Alles, was in dieſer einſamen Ge-
gend von Menſchen iſt, hat ſich um ſie verſammelt;
und jeder will der ſeyn, der ihr den Weg weiſet.
Ob man ihr ſchon geſagt, daß der Prinz hier iſt,
daß Sie hier ſind, weiß ich nicht, — Was wol-
len Sie thun?
Marinelli. Laß ſehen! — (er uͤberlegt) Sie
nicht einlaſſen, wenn ſie weiß, daß die Tochter
hier iſt? — Das geht nicht. — Freylich, ſie
wird Augen machen, wenn ſie den Wolf bey dem
Schaͤfchen ſieht. — Augen? Das moͤchte noch
ſeyn. Aber der Himmel ſey unſern Ohren gnaͤ-
dig! — Nun was? die beſte Lunge erſchoͤpft ſich;
auch ſo gar eine weibliche. Sie hoͤren alle auf zu
ſchreyen, wenn ſie nicht mehr koͤnnen. — Dazu,
es iſt doch einmal die Mutter, die wir auf unſerer
Seite haben muͤſſen. — Wenn ich die Muͤtter
recht kenne: — ſo etwas von einer Schwiegermutter
eines Prinzen zu ſeyn, ſchmeichelt die meiſten. —
Laß ſie kommen, Battiſta, laß ſie kommen!
Battiſta. Hoͤren Sie! hoͤren Sie!
Clau-
F 3
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[85/0089] Emilia Galotti. auf der Spur, und wo nur nicht — unſerm gan- zen Anſchlage! Alles, was in dieſer einſamen Ge- gend von Menſchen iſt, hat ſich um ſie verſammelt; und jeder will der ſeyn, der ihr den Weg weiſet. Ob man ihr ſchon geſagt, daß der Prinz hier iſt, daß Sie hier ſind, weiß ich nicht, — Was wol- len Sie thun? Marinelli. Laß ſehen! — (er uͤberlegt) Sie nicht einlaſſen, wenn ſie weiß, daß die Tochter hier iſt? — Das geht nicht. — Freylich, ſie wird Augen machen, wenn ſie den Wolf bey dem Schaͤfchen ſieht. — Augen? Das moͤchte noch ſeyn. Aber der Himmel ſey unſern Ohren gnaͤ- dig! — Nun was? die beſte Lunge erſchoͤpft ſich; auch ſo gar eine weibliche. Sie hoͤren alle auf zu ſchreyen, wenn ſie nicht mehr koͤnnen. — Dazu, es iſt doch einmal die Mutter, die wir auf unſerer Seite haben muͤſſen. — Wenn ich die Muͤtter recht kenne: — ſo etwas von einer Schwiegermutter eines Prinzen zu ſeyn, ſchmeichelt die meiſten. — Laß ſie kommen, Battiſta, laß ſie kommen! Battiſta. Hoͤren Sie! hoͤren Sie! Clau- F 3

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_emilia_1772/89>, abgerufen am 25.11.2024.