Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Berlin, 1772.Emilia Galotti. Claudia. Der Prinz? -- Sagen Sie wirk- lich, der Prinz? -- Unser. Prinz? Marinelli. Welcher sonst? Claudia. Nun dann! -- Jch unglückselige Mutter! -- Und ihr Vater! ihr Vater! -- Er wird den Tag ihrer Geburt verfluchen. Er wird mich verfluchen. Marinelli. Um des Himmels willon, gnä- dige Frau! Was fällt Jhnen nun ein? Claudia. Es ist klar! -- Jst es nicht? -- Heute im Tempel! vor den Augen der Allerreine- sten! in der nähern Gegenwart des Ewigen! -- begann das Bubenstück; da brach es aus! (gegen den Marinelli.) Ha, Mörder! feiger, elender Mör- der! Nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu morden: aber nichtswürdig genug, zu Befriedi- gung eines fremden Kitzels zu morden! -- morden zu lassen! -- Abschaum aller Mörder! -- Was ehrliche Mörder sind, werden dich unter sich nicht dulden! Dich! Dich! -- Denn warum soll ich dir nicht alle meine Galle, allen meinen Geifer mit einem einzigen Worte ins Gesicht speyen? -- Dich! Dich Kuppler! Mari-
Emilia Galotti. Claudia. Der Prinz? — Sagen Sie wirk- lich, der Prinz? — Unſer. Prinz? Marinelli. Welcher ſonſt? Claudia. Nun dann! — Jch ungluͤckſelige Mutter! — Und ihr Vater! ihr Vater! — Er wird den Tag ihrer Geburt verfluchen. Er wird mich verfluchen. Marinelli. Um des Himmels willon, gnaͤ- dige Frau! Was faͤllt Jhnen nun ein? Claudia. Es iſt klar! — Jſt es nicht? — Heute im Tempel! vor den Augen der Allerreine- ſten! in der naͤhern Gegenwart des Ewigen! — begann das Bubenſtuͤck; da brach es aus! (gegen den Marinelli.) Ha, Moͤrder! feiger, elender Moͤr- der! Nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu morden: aber nichtswuͤrdig genug, zu Befriedi- gung eines fremden Kitzels zu morden! — morden zu laſſen! — Abſchaum aller Moͤrder! — Was ehrliche Moͤrder ſind, werden dich unter ſich nicht dulden! Dich! Dich! — Denn warum ſoll ich dir nicht alle meine Galle, allen meinen Geifer mit einem einzigen Worte ins Geſicht ſpeyen? — Dich! Dich Kuppler! Mari-
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Emilia Galotti.
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Mutter! — Und ihr Vater! ihr Vater! — Er
wird den Tag ihrer Geburt verfluchen. Er wird
mich verfluchen.
Marinelli. Um des Himmels willon, gnaͤ-
dige Frau! Was faͤllt Jhnen nun ein?
Claudia. Es iſt klar! — Jſt es nicht? —
Heute im Tempel! vor den Augen der Allerreine-
ſten! in der naͤhern Gegenwart des Ewigen! —
begann das Bubenſtuͤck; da brach es aus! (gegen
den Marinelli.) Ha, Moͤrder! feiger, elender Moͤr-
der! Nicht tapfer genug, mit eigner Hand zu
morden: aber nichtswuͤrdig genug, zu Befriedi-
gung eines fremden Kitzels zu morden! — morden
zu laſſen! — Abſchaum aller Moͤrder! — Was
ehrliche Moͤrder ſind, werden dich unter ſich nicht
dulden! Dich! Dich! — Denn warum ſoll ich
dir nicht alle meine Galle, allen meinen Geifer
mit einem einzigen Worte ins Geſicht ſpeyen? —
Dich! Dich Kuppler!
Mari-
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