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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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II.
Von dem Gebrauche der Thiere in der
Fabel.

Der größte Theil der Fabeln hat Thiere, und wohl
noch geringere Geschöpfe, zu handelnden Perso-
nen. -- Was ist hiervon zu halten? Ist es
eine wesentliche Eigenschaft der Fabel, daß die Thiere
darinn zu moralischen Wesen erhoben werden? Ist
es ein Handgriff, der dem Dichter die Erreichung
seiner Absicht verkürzt und erleichtert? Ist es ein Ge-
brauch, der eigentlich keinen ernstlichen Nutzen hat,
den man aber, zu Ehren des ersten Erfinders, bey-
behält, weil er wenigstens schnackisch ist -- quod
risum movet?
Oder was ist es?

Batteux hat diese Fragen entweder gar nicht vor-
ausgesehen, oder er war listig genug, daß er ihnen
damit zu entkommen glaubte, wenn er den Gebrauch
der Thiere seiner Erklärung sogleich mit anflickte.
Die Fabel, sagt er, ist die Erzehlung einer allegori-

schen


II.
Von dem Gebrauche der Thiere in der
Fabel.

Der größte Theil der Fabeln hat Thiere, und wohl
noch geringere Geſchöpfe, zu handelnden Perſo-
nen. — Was iſt hiervon zu halten? Iſt es
eine weſentliche Eigenſchaft der Fabel, daß die Thiere
darinn zu moraliſchen Weſen erhoben werden? Iſt
es ein Handgriff, der dem Dichter die Erreichung
ſeiner Abſicht verkürzt und erleichtert? Iſt es ein Ge-
brauch, der eigentlich keinen ernſtlichen Nutzen hat,
den man aber, zu Ehren des erſten Erfinders, bey-
behält, weil er wenigſtens ſchnackiſch iſt — quod
riſum movet?
Oder was iſt es?

Batteux hat dieſe Fragen entweder gar nicht vor-
ausgeſehen, oder er war liſtig genug, daß er ihnen
damit zu entkommen glaubte, wenn er den Gebrauch
der Thiere ſeiner Erklärung ſogleich mit anflickte.
Die Fabel, ſagt er, iſt die Erzehlung einer allegori-

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[[173]/0193] II. Von dem Gebrauche der Thiere in der Fabel. Der größte Theil der Fabeln hat Thiere, und wohl noch geringere Geſchöpfe, zu handelnden Perſo- nen. — Was iſt hiervon zu halten? Iſt es eine weſentliche Eigenſchaft der Fabel, daß die Thiere darinn zu moraliſchen Weſen erhoben werden? Iſt es ein Handgriff, der dem Dichter die Erreichung ſeiner Abſicht verkürzt und erleichtert? Iſt es ein Ge- brauch, der eigentlich keinen ernſtlichen Nutzen hat, den man aber, zu Ehren des erſten Erfinders, bey- behält, weil er wenigſtens ſchnackiſch iſt — quod riſum movet? Oder was iſt es? Batteux hat dieſe Fragen entweder gar nicht vor- ausgeſehen, oder er war liſtig genug, daß er ihnen damit zu entkommen glaubte, wenn er den Gebrauch der Thiere ſeiner Erklärung ſogleich mit anflickte. Die Fabel, ſagt er, iſt die Erzehlung einer allegori- ſchen

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. [173]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/193>, abgerufen am 21.11.2024.