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Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759.

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XVIII.
Zevs und das Schaf.

Das Schaf mußte von allen Thieren vieles lei-
den. Da trat es vor den Zevs, und bat, sein
Elend zu mindern.

Zevs schien willig, und sprach zu dem Schafe:
Ich sehe wohl, mein frommes Geschöpf, ich habe
dich allzu wehrlos erschaffen. Nun wähle, wie
ich diesem Fehler am besten abhelfen soll. Soll ich
deinen Mund mit schrecklichen Zähnen, und deine
Füsse mit Krallen rüsten? --

O nein, sagte das Schaf; ich will nichts mit
den reissenden Thieren gemein haben.

Oder, fuhr Zevs fort, soll ich Gift in deinen
Speichel legen?

Ach! versetzte das Schaf; die giftigen Schlan-
gen werden ja so sehr gehasset. --

Nun was soll ich denn? Ich will Hörner auf deine
Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben.

Auch
D 5
XVIII.
Zevs und das Schaf.

Das Schaf mußte von allen Thieren vieles lei-
den. Da trat es vor den Zevs, und bat, ſein
Elend zu mindern.

Zevs ſchien willig, und ſprach zu dem Schafe:
Ich ſehe wohl, mein frommes Geſchöpf, ich habe
dich allzu wehrlos erſchaffen. Nun wähle, wie
ich dieſem Fehler am beſten abhelfen ſoll. Soll ich
deinen Mund mit ſchrecklichen Zähnen, und deine
Füſſe mit Krallen rüſten? —

O nein, ſagte das Schaf; ich will nichts mit
den reiſſenden Thieren gemein haben.

Oder, fuhr Zevs fort, ſoll ich Gift in deinen
Speichel legen?

Ach! verſetzte das Schaf; die giftigen Schlan-
gen werden ja ſo ſehr gehaſſet. —

Nun was ſoll ich denn? Ich will Hörner auf deine
Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben.

Auch
D 5
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[57/0077] XVIII. Zevs und das Schaf. Das Schaf mußte von allen Thieren vieles lei- den. Da trat es vor den Zevs, und bat, ſein Elend zu mindern. Zevs ſchien willig, und ſprach zu dem Schafe: Ich ſehe wohl, mein frommes Geſchöpf, ich habe dich allzu wehrlos erſchaffen. Nun wähle, wie ich dieſem Fehler am beſten abhelfen ſoll. Soll ich deinen Mund mit ſchrecklichen Zähnen, und deine Füſſe mit Krallen rüſten? — O nein, ſagte das Schaf; ich will nichts mit den reiſſenden Thieren gemein haben. Oder, fuhr Zevs fort, ſoll ich Gift in deinen Speichel legen? Ach! verſetzte das Schaf; die giftigen Schlan- gen werden ja ſo ſehr gehaſſet. — Nun was ſoll ich denn? Ich will Hörner auf deine Stirne pflanzen, und Stärke deinem Nacken geben. Auch D 5

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Fabeln. Berlin, 1759, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_fabeln_1759/77>, abgerufen am 24.11.2024.