Lessing, Gotthold Ephraim: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenglück. Berlin, 1767.Minna von Barnhelm, heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Flei- scherknecht reisen, weiter nichts. Werner. Nun ja doch, Herr Major; ich will Jhnen folgen. Sie wissen besser, was sich gehört. Jch will bey Jhnen bleiben. -- Aber, lieber Major, nehmen Sie doch auch derweile mein Geld. Heut oder morgen muß Jhre Sache aus seyn. Sie müssen Geld die Menge bekom- men. Sie sollen mir es sodann mit Jnteressen wieder geben. Jch thu es ja nur der Jnteressen wegen. v. Tellheim. Schweig davon! Werner. Bey meiner armen Seele, ich thu es nur der Jnteresse wegen! -- Wenn ich manch- mal dachte: wie wird es mit dir aufs Alter wer- den? wenn du zu Schanden gehauen bist? wenn du nichts haben wirst? wenn du wirst betteln gehen müssen? So dachte ich wieder: Nein, du wirst nicht betteln gehn; du wirst zum Major Tellheim gehn; der wird seinen letzten Pfennig mit dir thei- len; der wird dich zu Tode füttern; bey dem wirst du als ein ehrlicher Kerl sterben können. v. Tell-
Minna von Barnhelm, heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Flei- ſcherknecht reiſen, weiter nichts. Werner. Nun ja doch, Herr Major; ich will Jhnen folgen. Sie wiſſen beſſer, was ſich gehoͤrt. Jch will bey Jhnen bleiben. — Aber, lieber Major, nehmen Sie doch auch derweile mein Geld. Heut oder morgen muß Jhre Sache aus ſeyn. Sie muͤſſen Geld die Menge bekom- men. Sie ſollen mir es ſodann mit Jntereſſen wieder geben. Jch thu es ja nur der Jntereſſen wegen. v. Tellheim. Schweig davon! Werner. Bey meiner armen Seele, ich thu es nur der Jntereſſe wegen! — Wenn ich manch- mal dachte: wie wird es mit dir aufs Alter wer- den? wenn du zu Schanden gehauen biſt? wenn du nichts haben wirſt? wenn du wirſt betteln gehen muͤſſen? So dachte ich wieder: Nein, du wirſt nicht betteln gehn; du wirſt zum Major Tellheim gehn; der wird ſeinen letzten Pfennig mit dir thei- len; der wird dich zu Tode fuͤttern; bey dem wirſt du als ein ehrlicher Kerl ſterben koͤnnen. v. Tell-
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Minna von Barnhelm,
heute hier, morgen da dienen: heißt wie ein Flei-
ſcherknecht reiſen, weiter nichts.
Werner. Nun ja doch, Herr Major; ich
will Jhnen folgen. Sie wiſſen beſſer, was ſich
gehoͤrt. Jch will bey Jhnen bleiben. — Aber,
lieber Major, nehmen Sie doch auch derweile
mein Geld. Heut oder morgen muß Jhre Sache
aus ſeyn. Sie muͤſſen Geld die Menge bekom-
men. Sie ſollen mir es ſodann mit Jntereſſen
wieder geben. Jch thu es ja nur der Jntereſſen
wegen.
v. Tellheim. Schweig davon!
Werner. Bey meiner armen Seele, ich thu
es nur der Jntereſſe wegen! — Wenn ich manch-
mal dachte: wie wird es mit dir aufs Alter wer-
den? wenn du zu Schanden gehauen biſt? wenn
du nichts haben wirſt? wenn du wirſt betteln gehen
muͤſſen? So dachte ich wieder: Nein, du wirſt
nicht betteln gehn; du wirſt zum Major Tellheim
gehn; der wird ſeinen letzten Pfennig mit dir thei-
len; der wird dich zu Tode fuͤttern; bey dem
wirſt du als ein ehrlicher Kerl ſterben koͤnnen.
v. Tell-
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