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Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

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Die Liebe zu; den Unsinn will ich Euch
Erlassen.
Tempelherr.
Weil er sich von selbst versteht? --
Ein Tempelherr ein Judenmädchen lieben! ...
Daja.
Scheint freylich wenig Sinn zu haben. -- Doch
Zuweilen ist des Sinns in einer Sache
Auch mehr, als wir vermuthen; und es wäre
So unerhört doch nicht, daß uns der Heyland
Auf Wegen zu sich zöge, die der Kluge
Von selbst nicht leicht betreten würde.
Tempelherr.
Das
So feyerlich? -- (Und setz' ich statt des Heilands
Die Vorsicht: hat sie denn nicht Recht?) Jhr macht
Mich neubegieriger, als ich wohl sonst
Zu seyn gewohnt bin.
Daja.
O! das ist das Land
Der Wunder!
Tempelherr.
(Nun! -- des Wunderbaren. Kann
Es auch wohl anders seyn? Die ganze Welt
Drängt sich ja hier zusammen.) -- Liebe Daja,
Nehmt für gestanden an, was ihr verlangt:
Daß ich sie liebe; daß ich nicht begreife,
Wie ohne sie ich leben werde; daß ...

Daja.
Die Liebe zu; den Unſinn will ich Euch
Erlaſſen.
Tempelherr.
Weil er ſich von ſelbſt verſteht? —
Ein Tempelherr ein Judenmaͤdchen lieben! …
Daja.
Scheint freylich wenig Sinn zu haben. — Doch
Zuweilen iſt des Sinns in einer Sache
Auch mehr, als wir vermuthen; und es waͤre
So unerhoͤrt doch nicht, daß uns der Heyland
Auf Wegen zu ſich zoͤge, die der Kluge
Von ſelbſt nicht leicht betreten wuͤrde.
Tempelherr.
Das
So feyerlich? — (Und ſetz’ ich ſtatt des Heilands
Die Vorſicht: hat ſie denn nicht Recht?) Jhr macht
Mich neubegieriger, als ich wohl ſonſt
Zu ſeyn gewohnt bin.
Daja.
O! das iſt das Land
Der Wunder!
Tempelherr.
(Nun! — des Wunderbaren. Kann
Es auch wohl anders ſeyn? Die ganze Welt
Draͤngt ſich ja hier zuſammen.) — Liebe Daja,
Nehmt fuͤr geſtanden an, was ihr verlangt:
Daß ich ſie liebe; daß ich nicht begreife,
Wie ohne ſie ich leben werde; daß …

Daja.
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[141/0149] Die Liebe zu; den Unſinn will ich Euch Erlaſſen. Tempelherr. Weil er ſich von ſelbſt verſteht? — Ein Tempelherr ein Judenmaͤdchen lieben! … Daja. Scheint freylich wenig Sinn zu haben. — Doch Zuweilen iſt des Sinns in einer Sache Auch mehr, als wir vermuthen; und es waͤre So unerhoͤrt doch nicht, daß uns der Heyland Auf Wegen zu ſich zoͤge, die der Kluge Von ſelbſt nicht leicht betreten wuͤrde. Tempelherr. Das So feyerlich? — (Und ſetz’ ich ſtatt des Heilands Die Vorſicht: hat ſie denn nicht Recht?) Jhr macht Mich neubegieriger, als ich wohl ſonſt Zu ſeyn gewohnt bin. Daja. O! das iſt das Land Der Wunder! Tempelherr. (Nun! — des Wunderbaren. Kann Es auch wohl anders ſeyn? Die ganze Welt Draͤngt ſich ja hier zuſammen.) — Liebe Daja, Nehmt fuͤr geſtanden an, was ihr verlangt: Daß ich ſie liebe; daß ich nicht begreife, Wie ohne ſie ich leben werde; daß … Daja.

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Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/149>, abgerufen am 21.11.2024.