Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Nathan.
Wenn
Jhr so mich freylich fasset --
Tempelherr.
Kurz, ich ging
Zum Patriarchen! -- hab' Euch aber nicht
Genannt. Das ist erlogen, wie gesagt!
Jch hab ihm blos den Fall ganz allgemein
Erzählt, um seine Meynung zu vernehmen. --
Auch das hätt' unterbleiben können: ja doch! --
Denn kannt' ich nicht den Patriarchen schon
Als einen Schurken? Konnt' ich Euch nicht selber
Nur gleich zur Rede stellen? -- Mußt ich der
Gefahr, so einen Vater zu verlieren,
Das arme Mädchen opfern? -- Nun, was thuts?
Die Schurkerey des Patriarchen, die
So ähnlich immer sich erhält, hat mich
Des nächsten Weges wieder zu mir selbst
Gebracht. -- Denn hört mich, Nathan; hört mich aus! --
Gesetzt; er wüßt' auch Euern Namen: was
Nun mehr, was mehr? -- Er kann Euch ja das Mädchen
Nur nehmen, wenn sie niemands ist, als Euer.
Er kann sie doch aus Euerm Hause nur
Jns Kloster schleppen. -- Also -- gebt sie mir!
Gebt sie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha!
Er solls wohl bleiben lassen, mir mein Weib
Zu nehmen. -- Gebt sie mir; geschwind! -- Sie sey
Nun Eure Tochter, oder sey es nicht!
Sey
O
Nathan.
Wenn
Jhr ſo mich freylich faſſet —
Tempelherr.
Kurz, ich ging
Zum Patriarchen! — hab’ Euch aber nicht
Genannt. Das iſt erlogen, wie geſagt!
Jch hab ihm blos den Fall ganz allgemein
Erzaͤhlt, um ſeine Meynung zu vernehmen. —
Auch das haͤtt’ unterbleiben koͤnnen: ja doch! —
Denn kannt’ ich nicht den Patriarchen ſchon
Als einen Schurken? Konnt’ ich Euch nicht ſelber
Nur gleich zur Rede ſtellen? — Mußt ich der
Gefahr, ſo einen Vater zu verlieren,
Das arme Maͤdchen opfern? — Nun, was thuts?
Die Schurkerey des Patriarchen, die
So aͤhnlich immer ſich erhaͤlt, hat mich
Des naͤchſten Weges wieder zu mir ſelbſt
Gebracht. — Denn hoͤrt mich, Nathan; hoͤrt mich aus! —
Geſetzt; er wuͤßt’ auch Euern Namen: was
Nun mehr, was mehr? — Er kann Euch ja das Maͤdchen
Nur nehmen, wenn ſie niemands iſt, als Euer.
Er kann ſie doch aus Euerm Hauſe nur
Jns Kloſter ſchleppen. — Alſo — gebt ſie mir!
Gebt ſie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha!
Er ſolls wohl bleiben laſſen, mir mein Weib
Zu nehmen. — Gebt ſie mir; geſchwind! — Sie ſey
Nun Eure Tochter, oder ſey es nicht!
Sey
O
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0217" n="209"/>
            <sp who="#NAT">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Nathan.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Wenn</hi><lb/>
Jhr &#x017F;o mich freylich fa&#x017F;&#x017F;et &#x2014;</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#TEM">
              <speaker> <hi rendition="#fr"> <hi rendition="#g">Tempelherr.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Kurz, ich ging</hi><lb/>
Zum Patriarchen! &#x2014; hab&#x2019; Euch aber nicht<lb/>
Genannt. Das i&#x017F;t erlogen, wie ge&#x017F;agt!<lb/>
Jch hab ihm blos den Fall ganz allgemein<lb/>
Erza&#x0364;hlt, um &#x017F;eine Meynung zu vernehmen. &#x2014;<lb/>
Auch das ha&#x0364;tt&#x2019; unterbleiben ko&#x0364;nnen: ja doch! &#x2014;<lb/>
Denn kannt&#x2019; ich nicht den Patriarchen &#x017F;chon<lb/>
Als einen Schurken? Konnt&#x2019; ich Euch nicht &#x017F;elber<lb/>
Nur gleich zur Rede &#x017F;tellen? &#x2014; Mußt ich der<lb/>
Gefahr, &#x017F;o einen Vater zu verlieren,<lb/>
Das arme Ma&#x0364;dchen opfern? &#x2014; Nun, was thuts?<lb/>
Die Schurkerey des Patriarchen, die<lb/>
So a&#x0364;hnlich immer &#x017F;ich erha&#x0364;lt, hat mich<lb/>
Des na&#x0364;ch&#x017F;ten Weges wieder zu mir &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Gebracht. &#x2014; Denn ho&#x0364;rt mich, Nathan; ho&#x0364;rt mich aus! &#x2014;<lb/>
Ge&#x017F;etzt; er wu&#x0364;ßt&#x2019; auch Euern Namen: was<lb/>
Nun mehr, was mehr? &#x2014; Er kann Euch ja das Ma&#x0364;dchen<lb/>
Nur nehmen, wenn &#x017F;ie niemands i&#x017F;t, als Euer.<lb/>
Er kann &#x017F;ie doch aus <hi rendition="#g">Euerm</hi> Hau&#x017F;e nur<lb/>
Jns Klo&#x017F;ter &#x017F;chleppen. &#x2014; Al&#x017F;o &#x2014; gebt &#x017F;ie mir!<lb/>
Gebt &#x017F;ie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha!<lb/>
Er &#x017F;olls wohl bleiben la&#x017F;&#x017F;en, mir mein Weib<lb/>
Zu nehmen. &#x2014; Gebt &#x017F;ie mir; ge&#x017F;chwind! &#x2014; Sie &#x017F;ey<lb/>
Nun Eure Tochter, oder &#x017F;ey es nicht!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">O</fw><fw place="bottom" type="catch">Sey</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[209/0217] Nathan. Wenn Jhr ſo mich freylich faſſet — Tempelherr. Kurz, ich ging Zum Patriarchen! — hab’ Euch aber nicht Genannt. Das iſt erlogen, wie geſagt! Jch hab ihm blos den Fall ganz allgemein Erzaͤhlt, um ſeine Meynung zu vernehmen. — Auch das haͤtt’ unterbleiben koͤnnen: ja doch! — Denn kannt’ ich nicht den Patriarchen ſchon Als einen Schurken? Konnt’ ich Euch nicht ſelber Nur gleich zur Rede ſtellen? — Mußt ich der Gefahr, ſo einen Vater zu verlieren, Das arme Maͤdchen opfern? — Nun, was thuts? Die Schurkerey des Patriarchen, die So aͤhnlich immer ſich erhaͤlt, hat mich Des naͤchſten Weges wieder zu mir ſelbſt Gebracht. — Denn hoͤrt mich, Nathan; hoͤrt mich aus! — Geſetzt; er wuͤßt’ auch Euern Namen: was Nun mehr, was mehr? — Er kann Euch ja das Maͤdchen Nur nehmen, wenn ſie niemands iſt, als Euer. Er kann ſie doch aus Euerm Hauſe nur Jns Kloſter ſchleppen. — Alſo — gebt ſie mir! Gebt ſie nur mir; und laßt ihn kommen. Ha! Er ſolls wohl bleiben laſſen, mir mein Weib Zu nehmen. — Gebt ſie mir; geſchwind! — Sie ſey Nun Eure Tochter, oder ſey es nicht! Sey O

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/217
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/217>, abgerufen am 24.11.2024.