Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.
Wenn er so gut nicht wär', es mir so lange Bey ihm gefallen lassen? Meynt Jhr etwa, Jch fühle meinen Werth als Christinn nicht? Auch mir wards vor der Wiege nicht gesungen, Daß ich nur darum meinem Ehgemahl Nach Palästina folgen würd', um da Ein Jugenmädchen zu erziehn. Es war Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht Jn Kaiser Friedrichs Heere -- Tempelherr. Von Geburth Ein Schweitzer, dem die Ehr' und Gnade ward Mit Seiner Kaiserlichen Majestät Jn einem Flusse zu ersäufen. -- Weib! Wie vielmal habt Jhr mir das schon erzehlt? Hört ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen? Daja. Verfolgen! lieber Gott! Tempelherr. Ja, ja, verfolgen. Jch will nun einmal Euch nicht weiter sehn! Nicht hören! Will von Euch an eine That Nicht fort und fort erinnert seyn, bey der Jch nichts gedacht; die, wenn ich drüber denke, Zum Räthsel von mir selbst mir wird. Zwar möcht' Jch sie nicht gern bereuen. Aber seht; Eräugnet so ein Fall sich wieder: Jhr Seyd
Wenn er ſo gut nicht waͤr’, es mir ſo lange Bey ihm gefallen laſſen? Meynt Jhr etwa, Jch fuͤhle meinen Werth als Chriſtinn nicht? Auch mir wards vor der Wiege nicht geſungen, Daß ich nur darum meinem Ehgemahl Nach Palaͤſtina folgen wuͤrd’, um da Ein Jugenmaͤdchen zu erziehn. Es war Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht Jn Kaiſer Friedrichs Heere — Tempelherr. Von Geburth Ein Schweitzer, dem die Ehr’ und Gnade ward Mit Seiner Kaiſerlichen Majeſtaͤt Jn einem Fluſſe zu erſaͤufen. — Weib! Wie vielmal habt Jhr mir das ſchon erzehlt? Hoͤrt ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen? Daja. Verfolgen! lieber Gott! Tempelherr. Ja, ja, verfolgen. Jch will nun einmal Euch nicht weiter ſehn! Nicht hoͤren! Will von Euch an eine That Nicht fort und fort erinnert ſeyn, bey der Jch nichts gedacht; die, wenn ich druͤber denke, Zum Raͤthſel von mir ſelbſt mir wird. Zwar moͤcht’ Jch ſie nicht gern bereuen. Aber ſeht; Eraͤugnet ſo ein Fall ſich wieder: Jhr Seyd
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Wenn er ſo gut nicht waͤr’, es mir ſo lange
Bey ihm gefallen laſſen? Meynt Jhr etwa,
Jch fuͤhle meinen Werth als Chriſtinn nicht?
Auch mir wards vor der Wiege nicht geſungen,
Daß ich nur darum meinem Ehgemahl
Nach Palaͤſtina folgen wuͤrd’, um da
Ein Jugenmaͤdchen zu erziehn. Es war
Mein lieber Ehgemahl ein edler Knecht
Jn Kaiſer Friedrichs Heere —
Tempelherr.
Von Geburth
Ein Schweitzer, dem die Ehr’ und Gnade ward
Mit Seiner Kaiſerlichen Majeſtaͤt
Jn einem Fluſſe zu erſaͤufen. — Weib!
Wie vielmal habt Jhr mir das ſchon erzehlt?
Hoͤrt ihr denn gar nicht auf mich zu verfolgen?
Daja.
Verfolgen! lieber Gott!
Tempelherr.
Ja, ja, verfolgen.
Jch will nun einmal Euch nicht weiter ſehn!
Nicht hoͤren! Will von Euch an eine That
Nicht fort und fort erinnert ſeyn, bey der
Jch nichts gedacht; die, wenn ich druͤber denke,
Zum Raͤthſel von mir ſelbſt mir wird. Zwar moͤcht’
Jch ſie nicht gern bereuen. Aber ſeht;
Eraͤugnet ſo ein Fall ſich wieder: Jhr
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