Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779. Al-Hafi. Da seht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden! -- Glaubt mirs doch! -- Er ist aufs Geben Euch so eifersüchtig, So neidisch! Jedes Lohn von Gott, das in Der Welt gesagt wird, zög' er lieber ganz Allein. Nur darum eben leiht er keinem, Damit er stets zu geben habe. Weil Die Mild' ihm im Gesetz geboten; die Gefälligkeit ihm aber nicht geboten: macht Die Mild ihn zu dem ungefälligsten Gesellen auf der Welt. Zwar bin ich seit Geraumer Zeit ein wenig übern Fuß Mit ihm gespannt; doch denkt nur nicht, daß ich Jhm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er ist zu allem gut: blos dazu nicht; Blos dazu wahrlich nicht Jch will auch gleich Nur gehn, an andre Thüren klopfen ... Da Besinn' ich mich so eben eines Mohren, Der reich und geizig ist. -- Jch geh'; ich geh'. Sittah. Was eilst du, Hafi. Saladin. Laß ihn! laß ihn! Dritter
Al-Hafi. Da ſeht nun gleich den Juden wieder; Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mirs doch! — Er iſt aufs Geben Euch ſo eiferſuͤchtig, So neidiſch! Jedes Lohn von Gott, das in Der Welt geſagt wird, zoͤg’ er lieber ganz Allein. Nur darum eben leiht er keinem, Damit er ſtets zu geben habe. Weil Die Mild’ ihm im Geſetz geboten; die Gefaͤlligkeit ihm aber nicht geboten: macht Die Mild ihn zu dem ungefaͤlligſten Geſellen auf der Welt. Zwar bin ich ſeit Geraumer Zeit ein wenig uͤbern Fuß Mit ihm geſpannt; doch denkt nur nicht, daß ich Jhm darum nicht Gerechtigkeit erzeige. Er iſt zu allem gut: blos dazu nicht; Blos dazu wahrlich nicht Jch will auch gleich Nur gehn, an andre Thuͤren klopfen ... Da Beſinn’ ich mich ſo eben eines Mohren, Der reich und geizig iſt. — Jch geh’; ich geh’. Sittah. Was eilſt du, Hafi. Saladin. Laß ihn! laß ihn! Dritter
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Al-Hafi.
Da ſeht nun gleich den Juden wieder;
Den ganz gemeinen Juden! — Glaubt mirs doch! —
Er iſt aufs Geben Euch ſo eiferſuͤchtig,
So neidiſch! Jedes Lohn von Gott, das in
Der Welt geſagt wird, zoͤg’ er lieber ganz
Allein. Nur darum eben leiht er keinem,
Damit er ſtets zu geben habe. Weil
Die Mild’ ihm im Geſetz geboten; die
Gefaͤlligkeit ihm aber nicht geboten: macht
Die Mild ihn zu dem ungefaͤlligſten
Geſellen auf der Welt. Zwar bin ich ſeit
Geraumer Zeit ein wenig uͤbern Fuß
Mit ihm geſpannt; doch denkt nur nicht, daß ich
Jhm darum nicht Gerechtigkeit erzeige.
Er iſt zu allem gut: blos dazu nicht;
Blos dazu wahrlich nicht Jch will auch gleich
Nur gehn, an andre Thuͤren klopfen ... Da
Beſinn’ ich mich ſo eben eines Mohren,
Der reich und geizig iſt. — Jch geh’; ich geh’.
Sittah.
Was eilſt du, Hafi.
Saladin.
Laß ihn! laß ihn!
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Zitationshilfe: | Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/78>, abgerufen am 16.02.2025. |