Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite
Nathan.
Nur Tempelherren? sollten blos? und blos
Weil es die Ordensregeln so gebieten?
Jch weiß, wie gute Menschen denken; weiß,
Daß alle Länder gute Menschen tragen.
Tempelherr.
Mit Unterschied, doch hoffentlich?
Nathan.
Ja wohl;
An Farb', an Kleidung, an Gestalt verschieden.
Tempelherr.
Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort.
Nathan.
Mit diesem Unterschied ists nicht weit her.
Der große Mann braucht überall viel Boden;
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerschlagen
Sich nur die Aeste. Mittelgut, wie wir,
Findt sich hingegen überall in Menge.
Nur muß der eine nicht den andern mäckeln.
Nur muß der Knorr den Knuppen hübsch vertragen.
Nur muß ein Gipfelchen sich nicht vermessen,
Daß es allein der Erde nicht entschossen.
Tempelherr.
Sehr wohl gesagt! -- Doch kennt Jhr auch das Volk,
Daß diese Menschenmäckeley zu erst
Getrieben? Wißt Jhr, Nathan, welches Volk
Zu
Nathan.
Nur Tempelherren? ſollten blos? und blos
Weil es die Ordensregeln ſo gebieten?
Jch weiß, wie gute Menſchen denken; weiß,
Daß alle Laͤnder gute Menſchen tragen.
Tempelherr.
Mit Unterſchied, doch hoffentlich?
Nathan.
Ja wohl;
An Farb’, an Kleidung, an Geſtalt verſchieden.
Tempelherr.
Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort.
Nathan.
Mit dieſem Unterſchied iſts nicht weit her.
Der große Mann braucht uͤberall viel Boden;
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerſchlagen
Sich nur die Aeſte. Mittelgut, wie wir,
Findt ſich hingegen uͤberall in Menge.
Nur muß der eine nicht den andern maͤckeln.
Nur muß der Knorr den Knuppen huͤbſch vertragen.
Nur muß ein Gipfelchen ſich nicht vermeſſen,
Daß es allein der Erde nicht entſchoſſen.
Tempelherr.
Sehr wohl geſagt! — Doch kennt Jhr auch das Volk,
Daß dieſe Menſchenmaͤckeley zu erſt
Getrieben? Wißt Jhr, Nathan, welches Volk
Zu
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0090" n="82"/>
            <sp who="#NAT">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Nathan.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Nur Tempelherren? <hi rendition="#g">&#x017F;ollten</hi> blos? und blos<lb/>
Weil es die Ordensregeln &#x017F;o gebieten?<lb/>
Jch weiß, wie gute Men&#x017F;chen denken; weiß,<lb/>
Daß alle La&#x0364;nder gute Men&#x017F;chen tragen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#TEM">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Tempelherr.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Mit Unter&#x017F;chied, doch hoffentlich?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#NAT">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Nathan.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p><hi rendition="#et">Ja wohl;</hi><lb/>
An Farb&#x2019;, an Kleidung, an Ge&#x017F;talt ver&#x017F;chieden.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#TEM">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Tempelherr.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#NAT">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Nathan.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Mit die&#x017F;em Unter&#x017F;chied i&#x017F;ts nicht weit her.<lb/>
Der große Mann braucht u&#x0364;berall viel Boden;<lb/>
Und mehrere, zu nah gepflanzt, zer&#x017F;chlagen<lb/>
Sich nur die Ae&#x017F;te. Mittelgut, wie wir,<lb/>
Findt &#x017F;ich hingegen u&#x0364;berall in Menge.<lb/>
Nur muß der eine nicht den andern ma&#x0364;ckeln.<lb/>
Nur muß der Knorr den Knuppen hu&#x0364;b&#x017F;ch vertragen.<lb/>
Nur muß ein Gipfelchen &#x017F;ich nicht verme&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
Daß es allein der Erde nicht ent&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#TEM">
              <speaker> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Tempelherr.</hi> </hi> </speaker><lb/>
              <p>Sehr wohl ge&#x017F;agt! &#x2014; Doch kennt Jhr auch das Volk,<lb/>
Daß die&#x017F;e Men&#x017F;chenma&#x0364;ckeley zu er&#x017F;t<lb/>
Getrieben? Wißt Jhr, Nathan, welches Volk<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zu</fw><lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0090] Nathan. Nur Tempelherren? ſollten blos? und blos Weil es die Ordensregeln ſo gebieten? Jch weiß, wie gute Menſchen denken; weiß, Daß alle Laͤnder gute Menſchen tragen. Tempelherr. Mit Unterſchied, doch hoffentlich? Nathan. Ja wohl; An Farb’, an Kleidung, an Geſtalt verſchieden. Tempelherr. Auch hier bald mehr, bald weniger, als dort. Nathan. Mit dieſem Unterſchied iſts nicht weit her. Der große Mann braucht uͤberall viel Boden; Und mehrere, zu nah gepflanzt, zerſchlagen Sich nur die Aeſte. Mittelgut, wie wir, Findt ſich hingegen uͤberall in Menge. Nur muß der eine nicht den andern maͤckeln. Nur muß der Knorr den Knuppen huͤbſch vertragen. Nur muß ein Gipfelchen ſich nicht vermeſſen, Daß es allein der Erde nicht entſchoſſen. Tempelherr. Sehr wohl geſagt! — Doch kennt Jhr auch das Volk, Daß dieſe Menſchenmaͤckeley zu erſt Getrieben? Wißt Jhr, Nathan, welches Volk Zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/90
Zitationshilfe: Lessing, Gotthold Ephraim: Nathan der Weise. Berlin, 1779, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lessing_nathan_1779/90>, abgerufen am 21.11.2024.