Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

von 1207 bis 1208.
diesem Ansuchen Gehör, und sagten eine Armee zu; zumal, da ihre eigne Boten1207
so sie dieser Kaufmannsgüter halber abschickt, ofte von den Unganniern veracht
und verlacht zurück gekommen, und sie das unrechtmäßig entwandte nicht erstatten
wolten. Die Rigischen riefen hierauf den almächtigen GOtt und die heilige
Mutter GOttes, Maria, die unbefleckte Jungfrau, um Hülfe, an, und zogen mit
den Brüdern der Ritterschaft, und Dietrichen, des Bischofs Bruder, mit den
Kaufleuten und übrigen Deutschen nach Thoreida, boten in ganz Liefland
und Lettigallien eine starke und grosse Macht auf, marschirten Tag und Nacht,
erreichten Ungannien, plünderten die Dörfer, machten die Heiden alle nieder,
rächten alle Beleidigungen mit Feuer und Schwerdt, versamleten sich endlich bey
dem Schlosse Odempe, das ist, Bärenkopf *), und steckten selbiges in Brand.
Nach dem lagen sie drey Tage stille, und brachen den vierten Tag, mit Vieh, Ge-
fangenen und der ganzen Beute wieder nach ihrem Lande auf. Die Letten
kehrten auch wieder in ihr Land, bevestigten ihre Schlösser, und suchten sich zum
Krieg gefast zu halten. Sie brachten alles das Jhre in die Schlösser zur Sicher-
heit, erwarteten die Armee der Esthen und stunden in Bereitschaft ihnen entge-
gen zu gehen. Die Ungannier riefen demnach die von Saccala zu Hülfe,
drungen plötzlich in das Land der Letten, in die Gegend von Tricatien, ver-
branten einen Letten, Namens Wardeke, lebendig, machten andere zu Gefan-
genen, fügten den Letten vielen Schaden zu, belagerten die Burg Beverin, und
stürmten den ganzen Tag auf die Letten, die sich im Schlosse befanden. Die
Letten aber thaten einen Ausfal, gingen tapfer auf die Feinde zu, mit ihnen zu
schlagen, tödteten fünfe **) von ihnen, nahmen ihnen die Pferde ab, liefen wieder
ins Schloß zu ihrem Priester, so damals zu Hause war, und preiseten alle mit ihm
GOTT, den sie für sich streiten sahen. Unter diesen war Roboam einer von
den tapfersten, der sich mitten unter die Feinde wagte, zweye von ihnen erlegte,
und auf der andern Seite des Schlosses frisch und gesund zu den Seinigen kam,
auch GOTT für diesen besondern Ruhm dankte, den ihm der HErr an den Hei-
den verliehen. Auch ihr Priester, der sich aus dem Sturm der Esthen wenig
machte, stieg auf die Vestungswerke des Schlosses, und spielete, indem die andern
stritten, auf einem musikalischen Jnstrumente, und betete zu GOtt. Die Bar-
baren,
so dieses angenehme Lied und den helklingenden Thon des Jnstruments
hörten, blieben stehen, weil sie in ihrem Lande dergleichen nicht gehöret hatten,
hielten auch mit dem streiten inne, und wolten die Ursache dieser Lustbarkeit gerne
wissen. Die Letten aber gaben zur Antwort: sie freueten sich und lobten den
HErrn deswegen, weil sie neulich die Taufe empfangen, und sähen, daß sie der
HErr beschütze. Hierauf thaten die Esthen einen Vorschlag, den Frieden zu er-
neuren. Die Letten aber versetzten: Jhr habt noch nicht die Güter ausgeliefert,
welche ihr den deutschen Kaufleuten so wol als uns oftmals abgenommen. Es
kan aber unter Christen und Heiden weder ein Herz noch eine Seele, noch ein
vester Friedensplan stat finden, wo ihr nicht mit uns das Joch des Christenthums
und eines ewigen Friedens auf euch nehmet, und nur einen GOtt verehret. Als
die Esthen das hörten, kehrten sie mit gröstem Verdruß von der Burg weg; die
Letten aber fielen ihnen in den Rücken, und verwundeten sehr viele. Sie

schickten
*) Odempe, caput ursi, oder wie das Revelsche Manuscript hat, caput ursae, Bärenkopf, dürfte viel-
leicht nicht jedem gleich, der Abstammung wegen, begreiflich fallen, indem die Esthen einen Bär Kar-
ro,
oder Wanna must, den alten schwarzen nennen. Daß aber das Wort Ott in alten Zeiten ei-
nen Bär bedeutet, erhellet nicht nur aus dieser Stelle, indem die Bauren den Ort noch Ottepeh
heissen; sondern auch aus dem noch übrig gebliebenen abergläubischen Gebrauch dieses Namens. Denn
wenn sie Haber säen, pflegen sie aus Aberglauben das Gesichte nach einer besondern Gegend zu kehren,
damit es der alte Ott nicht sehe, oder wenn sie einen Bär geschossen, stossen sie ihn wol aus Zorn mit
dem Fusse an, und sagen: Du alter Ott; weil sie dieses schädlichen Thieres rechten Namen nicht
gerne nennen. Sonst sol der Schloßberg von Odempeh der Figur eines Thierkopfs nicht unähn-
lich seyn.
**) Jn meiner Abschrift steht quinque.
S

von 1207 bis 1208.
dieſem Anſuchen Gehoͤr, und ſagten eine Armee zu; zumal, da ihre eigne Boten1207
ſo ſie dieſer Kaufmannsguͤter halber abſchickt, ofte von den Unganniern veracht
und verlacht zuruͤck gekommen, und ſie das unrechtmaͤßig entwandte nicht erſtatten
wolten. Die Rigiſchen riefen hierauf den almaͤchtigen GOtt und die heilige
Mutter GOttes, Maria, die unbefleckte Jungfrau, um Huͤlfe, an, und zogen mit
den Bruͤdern der Ritterſchaft, und Dietrichen, des Biſchofs Bruder, mit den
Kaufleuten und uͤbrigen Deutſchen nach Thoreida, boten in ganz Liefland
und Lettigallien eine ſtarke und groſſe Macht auf, marſchirten Tag und Nacht,
erreichten Ungannien, pluͤnderten die Doͤrfer, machten die Heiden alle nieder,
raͤchten alle Beleidigungen mit Feuer und Schwerdt, verſamleten ſich endlich bey
dem Schloſſe Odempe, das iſt, Baͤrenkopf *), und ſteckten ſelbiges in Brand.
Nach dem lagen ſie drey Tage ſtille, und brachen den vierten Tag, mit Vieh, Ge-
fangenen und der ganzen Beute wieder nach ihrem Lande auf. Die Letten
kehrten auch wieder in ihr Land, beveſtigten ihre Schloͤſſer, und ſuchten ſich zum
Krieg gefaſt zu halten. Sie brachten alles das Jhre in die Schloͤſſer zur Sicher-
heit, erwarteten die Armee der Eſthen und ſtunden in Bereitſchaft ihnen entge-
gen zu gehen. Die Ungannier riefen demnach die von Saccala zu Huͤlfe,
drungen ploͤtzlich in das Land der Letten, in die Gegend von Tricatien, ver-
branten einen Letten, Namens Wardeke, lebendig, machten andere zu Gefan-
genen, fuͤgten den Letten vielen Schaden zu, belagerten die Burg Beverin, und
ſtuͤrmten den ganzen Tag auf die Letten, die ſich im Schloſſe befanden. Die
Letten aber thaten einen Ausfal, gingen tapfer auf die Feinde zu, mit ihnen zu
ſchlagen, toͤdteten fuͤnfe **) von ihnen, nahmen ihnen die Pferde ab, liefen wieder
ins Schloß zu ihrem Prieſter, ſo damals zu Hauſe war, und preiſeten alle mit ihm
GOTT, den ſie fuͤr ſich ſtreiten ſahen. Unter dieſen war Roboam einer von
den tapferſten, der ſich mitten unter die Feinde wagte, zweye von ihnen erlegte,
und auf der andern Seite des Schloſſes friſch und geſund zu den Seinigen kam,
auch GOTT fuͤr dieſen beſondern Ruhm dankte, den ihm der HErr an den Hei-
den verliehen. Auch ihr Prieſter, der ſich aus dem Sturm der Eſthen wenig
machte, ſtieg auf die Veſtungswerke des Schloſſes, und ſpielete, indem die andern
ſtritten, auf einem muſikaliſchen Jnſtrumente, und betete zu GOtt. Die Bar-
baren,
ſo dieſes angenehme Lied und den helklingenden Thon des Jnſtruments
hoͤrten, blieben ſtehen, weil ſie in ihrem Lande dergleichen nicht gehoͤret hatten,
hielten auch mit dem ſtreiten inne, und wolten die Urſache dieſer Luſtbarkeit gerne
wiſſen. Die Letten aber gaben zur Antwort: ſie freueten ſich und lobten den
HErrn deswegen, weil ſie neulich die Taufe empfangen, und ſaͤhen, daß ſie der
HErr beſchuͤtze. Hierauf thaten die Eſthen einen Vorſchlag, den Frieden zu er-
neuren. Die Letten aber verſetzten: Jhr habt noch nicht die Guͤter ausgeliefert,
welche ihr den deutſchen Kaufleuten ſo wol als uns oftmals abgenommen. Es
kan aber unter Chriſten und Heiden weder ein Herz noch eine Seele, noch ein
veſter Friedensplan ſtat finden, wo ihr nicht mit uns das Joch des Chriſtenthums
und eines ewigen Friedens auf euch nehmet, und nur einen GOtt verehret. Als
die Eſthen das hoͤrten, kehrten ſie mit groͤſtem Verdruß von der Burg weg; die
Letten aber fielen ihnen in den Ruͤcken, und verwundeten ſehr viele. Sie

ſchickten
*) Odempe, caput urſi, oder wie das Revelſche Manuſcript hat, caput urſæ, Baͤrenkopf, duͤrfte viel-
leicht nicht jedem gleich, der Abſtammung wegen, begreiflich fallen, indem die Eſthen einen Baͤr Kar-
ro,
oder Wanna muſt, den alten ſchwarzen nennen. Daß aber das Wort Ott in alten Zeiten ei-
nen Baͤr bedeutet, erhellet nicht nur aus dieſer Stelle, indem die Bauren den Ort noch Ottepeh
heiſſen; ſondern auch aus dem noch uͤbrig gebliebenen aberglaͤubiſchen Gebrauch dieſes Namens. Denn
wenn ſie Haber ſaͤen, pflegen ſie aus Aberglauben das Geſichte nach einer beſondern Gegend zu kehren,
damit es der alte Ott nicht ſehe, oder wenn ſie einen Baͤr geſchoſſen, ſtoſſen ſie ihn wol aus Zorn mit
dem Fuſſe an, und ſagen: Du alter Ott; weil ſie dieſes ſchaͤdlichen Thieres rechten Namen nicht
gerne nennen. Sonſt ſol der Schloßberg von Odempeh der Figur eines Thierkopfs nicht unaͤhn-
lich ſeyn.
**) Jn meiner Abſchrift ſteht quinque.
S
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0101" n="69"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">von 1207 bis 1208.</hi></fw><lb/>
die&#x017F;em An&#x017F;uchen Geho&#x0364;r, und &#x017F;agten eine Armee zu; zumal, da ihre eigne Boten<note place="right">1207</note><lb/>
&#x017F;o &#x017F;ie die&#x017F;er Kaufmannsgu&#x0364;ter halber ab&#x017F;chickt, ofte von den <hi rendition="#fr">Unganniern</hi> veracht<lb/>
und verlacht zuru&#x0364;ck gekommen, und &#x017F;ie das unrechtma&#x0364;ßig entwandte nicht er&#x017F;tatten<lb/>
wolten. Die <hi rendition="#fr">Rigi&#x017F;chen</hi> riefen hierauf den alma&#x0364;chtigen GOtt und die heilige<lb/>
Mutter GOttes, <hi rendition="#fr">Maria,</hi> die unbefleckte Jungfrau, um Hu&#x0364;lfe, an, und zogen mit<lb/>
den Bru&#x0364;dern der Ritter&#x017F;chaft, und <hi rendition="#fr">Dietrichen,</hi> des Bi&#x017F;chofs Bruder, mit den<lb/>
Kaufleuten und u&#x0364;brigen <hi rendition="#fr">Deut&#x017F;chen</hi> nach <hi rendition="#fr">Thoreida,</hi> boten in ganz <hi rendition="#fr">Liefland</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Lettigallien</hi> eine &#x017F;tarke und gro&#x017F;&#x017F;e Macht auf, mar&#x017F;chirten Tag und Nacht,<lb/>
erreichten <hi rendition="#fr">Ungannien,</hi> plu&#x0364;nderten die Do&#x0364;rfer, machten die <hi rendition="#fr">Heiden</hi> alle nieder,<lb/>
ra&#x0364;chten alle Beleidigungen mit Feuer und Schwerdt, ver&#x017F;amleten &#x017F;ich endlich bey<lb/>
dem Schlo&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#fr">Odempe,</hi> das i&#x017F;t, <hi rendition="#fr">Ba&#x0364;renkopf</hi> <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#fr">Odempe,</hi><hi rendition="#aq">caput ur&#x017F;i,</hi> oder wie das <hi rendition="#fr">Revel&#x017F;che</hi> Manu&#x017F;cript hat, <hi rendition="#aq">caput ur&#x017F;æ,</hi> <hi rendition="#fr">Ba&#x0364;renkopf,</hi> du&#x0364;rfte viel-<lb/>
leicht nicht jedem gleich, der Ab&#x017F;tammung wegen, begreiflich fallen, indem die <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> einen Ba&#x0364;r <hi rendition="#fr">Kar-<lb/>
ro,</hi> oder <hi rendition="#fr">Wanna mu&#x017F;t,</hi> den alten &#x017F;chwarzen nennen. Daß aber das Wort <hi rendition="#fr">Ott</hi> in alten Zeiten ei-<lb/>
nen Ba&#x0364;r bedeutet, erhellet nicht nur aus die&#x017F;er Stelle, indem die Bauren den Ort noch <hi rendition="#fr">Ottepeh</hi><lb/>
hei&#x017F;&#x017F;en; &#x017F;ondern auch aus dem noch u&#x0364;brig gebliebenen abergla&#x0364;ubi&#x017F;chen Gebrauch die&#x017F;es Namens. Denn<lb/>
wenn &#x017F;ie Haber &#x017F;a&#x0364;en, pflegen &#x017F;ie aus Aberglauben das Ge&#x017F;ichte nach einer be&#x017F;ondern Gegend zu kehren,<lb/>
damit es der alte <hi rendition="#fr">Ott</hi> nicht &#x017F;ehe, oder wenn &#x017F;ie einen Ba&#x0364;r ge&#x017F;cho&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie ihn wol aus Zorn mit<lb/>
dem Fu&#x017F;&#x017F;e an, und &#x017F;agen: Du alter <hi rendition="#fr">Ott;</hi> weil &#x017F;ie die&#x017F;es &#x017F;cha&#x0364;dlichen Thieres rechten Namen nicht<lb/>
gerne nennen. Son&#x017F;t &#x017F;ol der Schloßberg von <hi rendition="#fr">Odempeh</hi> der Figur eines Thierkopfs nicht una&#x0364;hn-<lb/>
lich &#x017F;eyn.</note>, und &#x017F;teckten &#x017F;elbiges in Brand.<lb/>
Nach dem lagen &#x017F;ie drey Tage &#x017F;tille, und brachen den vierten Tag, mit Vieh, Ge-<lb/>
fangenen und der ganzen Beute wieder nach ihrem Lande auf. Die <hi rendition="#fr">Letten</hi><lb/>
kehrten auch wieder in ihr Land, beve&#x017F;tigten ihre Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er, und &#x017F;uchten &#x017F;ich zum<lb/>
Krieg gefa&#x017F;t zu halten. Sie brachten alles das Jhre in die Schlo&#x0364;&#x017F;&#x017F;er zur Sicher-<lb/>
heit, erwarteten die Armee der <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> und &#x017F;tunden in Bereit&#x017F;chaft ihnen entge-<lb/>
gen zu gehen. Die <hi rendition="#fr">Ungannier</hi> riefen demnach die von <hi rendition="#fr">Saccala</hi> zu Hu&#x0364;lfe,<lb/>
drungen plo&#x0364;tzlich in das Land der <hi rendition="#fr">Letten,</hi> in die Gegend von <hi rendition="#fr">Tricatien,</hi> ver-<lb/>
branten einen <hi rendition="#fr">Letten,</hi> Namens <hi rendition="#fr">Wardeke,</hi> lebendig, machten andere zu Gefan-<lb/>
genen, fu&#x0364;gten den <hi rendition="#fr">Letten</hi> vielen Schaden zu, belagerten die Burg <hi rendition="#fr">Beverin,</hi> und<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;rmten den ganzen Tag auf die <hi rendition="#fr">Letten,</hi> die &#x017F;ich im Schlo&#x017F;&#x017F;e befanden. Die<lb/><hi rendition="#fr">Letten</hi> aber thaten einen Ausfal, gingen tapfer auf die Feinde zu, mit ihnen zu<lb/>
&#x017F;chlagen, to&#x0364;dteten fu&#x0364;nfe <note place="foot" n="**)">Jn meiner Ab&#x017F;chrift &#x017F;teht <hi rendition="#aq">quinque.</hi></note> von ihnen, nahmen ihnen die Pferde ab, liefen wieder<lb/>
ins Schloß zu ihrem Prie&#x017F;ter, &#x017F;o damals zu Hau&#x017F;e war, und prei&#x017F;eten alle mit ihm<lb/>
GOTT, den &#x017F;ie fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;treiten &#x017F;ahen. Unter die&#x017F;en war <hi rendition="#fr">Roboam</hi> einer von<lb/>
den tapfer&#x017F;ten, der &#x017F;ich mitten unter die Feinde wagte, zweye von ihnen erlegte,<lb/>
und auf der andern Seite des Schlo&#x017F;&#x017F;es fri&#x017F;ch und ge&#x017F;und zu den Seinigen kam,<lb/>
auch GOTT fu&#x0364;r die&#x017F;en be&#x017F;ondern Ruhm dankte, den ihm der HErr an den Hei-<lb/>
den verliehen. Auch ihr Prie&#x017F;ter, der &#x017F;ich aus dem Sturm der <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> wenig<lb/>
machte, &#x017F;tieg auf die Ve&#x017F;tungswerke des Schlo&#x017F;&#x017F;es, und &#x017F;pielete, indem die andern<lb/>
&#x017F;tritten, auf einem mu&#x017F;ikali&#x017F;chen Jn&#x017F;trumente, und betete zu GOtt. Die <hi rendition="#fr">Bar-<lb/>
baren,</hi> &#x017F;o die&#x017F;es angenehme Lied und den helklingenden Thon des Jn&#x017F;truments<lb/>
ho&#x0364;rten, blieben &#x017F;tehen, weil &#x017F;ie in ihrem Lande dergleichen nicht geho&#x0364;ret hatten,<lb/>
hielten auch mit dem &#x017F;treiten inne, und wolten die Ur&#x017F;ache die&#x017F;er Lu&#x017F;tbarkeit gerne<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en. Die <hi rendition="#fr">Letten</hi> aber gaben zur Antwort: &#x017F;ie freueten &#x017F;ich und lobten den<lb/>
HErrn deswegen, weil &#x017F;ie neulich die Taufe empfangen, und &#x017F;a&#x0364;hen, daß &#x017F;ie der<lb/>
HErr be&#x017F;chu&#x0364;tze. Hierauf thaten die <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> einen Vor&#x017F;chlag, den Frieden zu er-<lb/>
neuren. Die <hi rendition="#fr">Letten</hi> aber ver&#x017F;etzten: Jhr habt noch nicht die Gu&#x0364;ter ausgeliefert,<lb/>
welche ihr den <hi rendition="#fr">deut&#x017F;chen</hi> Kaufleuten &#x017F;o wol als uns oftmals abgenommen. Es<lb/>
kan aber unter <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ten</hi> und <hi rendition="#fr">Heiden</hi> weder ein Herz noch eine Seele, noch ein<lb/>
ve&#x017F;ter Friedensplan &#x017F;tat finden, wo ihr nicht mit uns das Joch des Chri&#x017F;tenthums<lb/>
und eines ewigen Friedens auf euch nehmet, und nur einen GOtt verehret. Als<lb/>
die <hi rendition="#fr">E&#x017F;then</hi> das ho&#x0364;rten, kehrten &#x017F;ie mit gro&#x0364;&#x017F;tem Verdruß von der Burg weg; die<lb/><hi rendition="#fr">Letten</hi> aber fielen ihnen in den Ru&#x0364;cken, und verwundeten &#x017F;ehr viele. Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S</fw><fw place="bottom" type="catch">&#x017F;chickten</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0101] von 1207 bis 1208. dieſem Anſuchen Gehoͤr, und ſagten eine Armee zu; zumal, da ihre eigne Boten ſo ſie dieſer Kaufmannsguͤter halber abſchickt, ofte von den Unganniern veracht und verlacht zuruͤck gekommen, und ſie das unrechtmaͤßig entwandte nicht erſtatten wolten. Die Rigiſchen riefen hierauf den almaͤchtigen GOtt und die heilige Mutter GOttes, Maria, die unbefleckte Jungfrau, um Huͤlfe, an, und zogen mit den Bruͤdern der Ritterſchaft, und Dietrichen, des Biſchofs Bruder, mit den Kaufleuten und uͤbrigen Deutſchen nach Thoreida, boten in ganz Liefland und Lettigallien eine ſtarke und groſſe Macht auf, marſchirten Tag und Nacht, erreichten Ungannien, pluͤnderten die Doͤrfer, machten die Heiden alle nieder, raͤchten alle Beleidigungen mit Feuer und Schwerdt, verſamleten ſich endlich bey dem Schloſſe Odempe, das iſt, Baͤrenkopf *), und ſteckten ſelbiges in Brand. Nach dem lagen ſie drey Tage ſtille, und brachen den vierten Tag, mit Vieh, Ge- fangenen und der ganzen Beute wieder nach ihrem Lande auf. Die Letten kehrten auch wieder in ihr Land, beveſtigten ihre Schloͤſſer, und ſuchten ſich zum Krieg gefaſt zu halten. Sie brachten alles das Jhre in die Schloͤſſer zur Sicher- heit, erwarteten die Armee der Eſthen und ſtunden in Bereitſchaft ihnen entge- gen zu gehen. Die Ungannier riefen demnach die von Saccala zu Huͤlfe, drungen ploͤtzlich in das Land der Letten, in die Gegend von Tricatien, ver- branten einen Letten, Namens Wardeke, lebendig, machten andere zu Gefan- genen, fuͤgten den Letten vielen Schaden zu, belagerten die Burg Beverin, und ſtuͤrmten den ganzen Tag auf die Letten, die ſich im Schloſſe befanden. Die Letten aber thaten einen Ausfal, gingen tapfer auf die Feinde zu, mit ihnen zu ſchlagen, toͤdteten fuͤnfe **) von ihnen, nahmen ihnen die Pferde ab, liefen wieder ins Schloß zu ihrem Prieſter, ſo damals zu Hauſe war, und preiſeten alle mit ihm GOTT, den ſie fuͤr ſich ſtreiten ſahen. Unter dieſen war Roboam einer von den tapferſten, der ſich mitten unter die Feinde wagte, zweye von ihnen erlegte, und auf der andern Seite des Schloſſes friſch und geſund zu den Seinigen kam, auch GOTT fuͤr dieſen beſondern Ruhm dankte, den ihm der HErr an den Hei- den verliehen. Auch ihr Prieſter, der ſich aus dem Sturm der Eſthen wenig machte, ſtieg auf die Veſtungswerke des Schloſſes, und ſpielete, indem die andern ſtritten, auf einem muſikaliſchen Jnſtrumente, und betete zu GOtt. Die Bar- baren, ſo dieſes angenehme Lied und den helklingenden Thon des Jnſtruments hoͤrten, blieben ſtehen, weil ſie in ihrem Lande dergleichen nicht gehoͤret hatten, hielten auch mit dem ſtreiten inne, und wolten die Urſache dieſer Luſtbarkeit gerne wiſſen. Die Letten aber gaben zur Antwort: ſie freueten ſich und lobten den HErrn deswegen, weil ſie neulich die Taufe empfangen, und ſaͤhen, daß ſie der HErr beſchuͤtze. Hierauf thaten die Eſthen einen Vorſchlag, den Frieden zu er- neuren. Die Letten aber verſetzten: Jhr habt noch nicht die Guͤter ausgeliefert, welche ihr den deutſchen Kaufleuten ſo wol als uns oftmals abgenommen. Es kan aber unter Chriſten und Heiden weder ein Herz noch eine Seele, noch ein veſter Friedensplan ſtat finden, wo ihr nicht mit uns das Joch des Chriſtenthums und eines ewigen Friedens auf euch nehmet, und nur einen GOtt verehret. Als die Eſthen das hoͤrten, kehrten ſie mit groͤſtem Verdruß von der Burg weg; die Letten aber fielen ihnen in den Ruͤcken, und verwundeten ſehr viele. Sie ſchickten 1207 *) Odempe, caput urſi, oder wie das Revelſche Manuſcript hat, caput urſæ, Baͤrenkopf, duͤrfte viel- leicht nicht jedem gleich, der Abſtammung wegen, begreiflich fallen, indem die Eſthen einen Baͤr Kar- ro, oder Wanna muſt, den alten ſchwarzen nennen. Daß aber das Wort Ott in alten Zeiten ei- nen Baͤr bedeutet, erhellet nicht nur aus dieſer Stelle, indem die Bauren den Ort noch Ottepeh heiſſen; ſondern auch aus dem noch uͤbrig gebliebenen aberglaͤubiſchen Gebrauch dieſes Namens. Denn wenn ſie Haber ſaͤen, pflegen ſie aus Aberglauben das Geſichte nach einer beſondern Gegend zu kehren, damit es der alte Ott nicht ſehe, oder wenn ſie einen Baͤr geſchoſſen, ſtoſſen ſie ihn wol aus Zorn mit dem Fuſſe an, und ſagen: Du alter Ott; weil ſie dieſes ſchaͤdlichen Thieres rechten Namen nicht gerne nennen. Sonſt ſol der Schloßberg von Odempeh der Figur eines Thierkopfs nicht unaͤhn- lich ſeyn. **) Jn meiner Abſchrift ſteht quinque. S

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/101
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/101>, abgerufen am 21.11.2024.