[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.von 1209 bis 1210. §. 9. Das heilige Weihnachtsfest war vor der Thüre, und die Strenge des Win-1209 be- *) Mein Manuscript füget hier die Worte hinzu: & Letthiam & per totam provinciam. **) Auf deutsch die Burtnickische See. ***) Thomas Hiärne macht das zur Provinz Sontagana, wo jetzt die Kirchspiele St. Michaelis und Fickel liegen. Der Zug von Riga aber nach Oesel und andere Stellen zeigens an, daß sie gleich nach Paßirung des Flusses und der Provinz Salis in Sontagana getreten, und müste also wol das Pernauische darunter verstanden werden. X 2
von 1209 bis 1210. §. 9. Das heilige Weihnachtsfeſt war vor der Thuͤre, und die Strenge des Win-1209 be- *) Mein Manuſcript fuͤget hier die Worte hinzu: & Letthiam & per totam provinciam. **) Auf deutſch die Burtnickiſche See. ***) Thomas Hiaͤrne macht das zur Provinz Sontagana, wo jetzt die Kirchſpiele St. Michaelis und Fickel liegen. Der Zug von Riga aber nach Oeſel und andere Stellen zeigens an, daß ſie gleich nach Paßirung des Fluſſes und der Provinz Salis in Sontagana getreten, und muͤſte alſo wol das Pernauiſche darunter verſtanden werden. X 2
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von 1209 bis 1210.
§. 9.
Das heilige Weihnachtsfeſt war vor der Thuͤre, und die Strenge des Win-
ters nahm zu. Alſo ſchickten die Aelteſten von Riga durch ganz Liefland *),
Lettland, durchs ganze Gebiet und an alle Schloͤſſer an der Duͤne und Goiwe,
alle ſolten kommen und ſich fertig halten, ſich an den Nationen der Eſthen zu raͤchen.
Dis Geruͤchte drung nach Pleseekowe, die damals mit uns Frieden hatten, und
es kam ein maͤchtiger Haufen Ruſſen den Unſrigen zu Huͤlfe. Es erſchienen auch
die Landesaͤlteſten Rußin, Caupo, Nunnus und Dabrel ſamt andern, und
marſchirten vor den Rigiſchen und Fremden voraus. Die ganze Armee folgte
nach Metſepole, und zogen nach der See, nachdem ſie von den Liven, ſo man
fuͤr treulos hielte, Geiſſeln genommen. Sie marſchirten Tag und Nacht auf der
Heerſtraſſe laͤngſt der See, und erreichten die erſte Provinz, die Sontagana
hieß. Die Wegehuͤter flohen, als ſie die Armee erblickten, um es den ihrigen an-
zuſagen. Aber die, ſo unter der Armee die ſchnelſten waren, drungen mit den
Kundſchaftern zugleich in die Doͤrfer, und fanden faſt alle in den Dorfſchaften zu
Hauſe. Die Armee theilte ſich durch alle Wege und Doͤrfer, brachte aller Orten
viel Volk um, verfolgte die in den nahegelegenen Provinzen, nahm ihnen Wei-
ber und Knaben weg, und verſamlete ſich bey dem Schloſſe. Den andern und
dritten Tag zogen ſie umher, verwuͤſteten und ſteckten alles in Brand, was ſie
fanden, und erhielten Pferde und unzaͤhlig viel Vieh. Denn der Ochſen und Kuͤhe
waren vier tauſend; auſſer den Pferden, dem andern Vieh, und den Gefangenen,
die niemand zaͤhlen konte. Viele Heiden, die in den Waͤldern und auf dem Eiſe
des Meers mit der Flucht entkommen, froren auch zu todte. Wie ſie nun drey
Schloͤſſer erobert und in Brand geſtecket, fingen ſie den vierten Tag an, mit der
ganzen Beute, aus dem Lande zu ziehen, nahmen ſich Zeit zum Ruͤckwege, theilten
alsdenn alles gleich unter ſich, und wandten ſich mit Freuden wieder nach Lief-
land, und lobten alle den HErrn, der ihnen Rache uͤber ihre Feinde gegeben.
Die Eſthen ſagten nicht ein Wort wegen des Vorwurfs, da ſie den Liven und
Letten anfaͤnglich den Maͤrtyrertod der Jhrigen vorgeruͤckt hatten. Bey folgen-
dem Mondlichte kamen die Liven und Letten wieder mit den Rigiſchen bey der
See Aſtigerwe **) zuſammen, und ſtieſſen auf einen Trup Sacalanen und Un-
gannier, ruͤckten auch an ſie an, und wolten ſich mit denſelben ſchlagen. Dieſe aber wie-
ſen den Ruͤcken und nahmen Reißaus, doch blieb einer von ihnen ſtehen. Der trat zu den
Unſrigen und ſagte aus, daß ein ander ſtarkes Heer von den Provinzen an der See in
ſelbiger Nacht den Strandweg kommen, und in Liefland einfallen wuͤrde. Die
Landesaͤlteſten der Liven eilten auf dieſe Nachricht zu ihren Weibern und Kindern,
ſie vor den Feinden in Sicherheit zu bringen, und jeder zog nach ſeiner Schanze.
Gleich aber morgendes Tages kamen die Eſthen, ſo erſt entwiſchet waren, aus
Sontagana ***) und andern herumliegenden Provinzen, mit einer groſſen Ar-
mee nach Metſepole, und weil alles Volk in den Schloͤſſern ſich aufhielt, ſteck-
ten ſie die leeren Doͤrfer und Kirchen an, veruͤbten auch mit ihren Opfern viele
Leichtfertigkeit um die Kirchen und um die Graͤber der verſtorbenen Chriſten.
Die Rigiſchen kamen hierauf in Thoreida zuſammen, ſie zu verfolgen. Auch
Berthold von Wenden und Rußin mit allen Letten begaben ſich nach der Ro-
pa. Da ſie das hoͤrten, gingen ſie ſchleunig aus dem Lande, und warteten das
Treffen mit den Chriſten nicht ab. Bey dem dritten Mondſcheine machten die
Rigiſchen ſich gefaſt, das Schloß Viliendi in Saccala zu belagern, und be-
riefen die Liven und Letten aus allen Graͤnzen und Schloͤſſern zuſammen, und
be-
1209
*) Mein Manuſcript fuͤget hier die Worte hinzu: & Letthiam & per totam provinciam.
**) Auf deutſch die Burtnickiſche See.
***) Thomas Hiaͤrne macht das zur Provinz Sontagana, wo jetzt die Kirchſpiele St. Michaelis
und Fickel liegen. Der Zug von Riga aber nach Oeſel und andere Stellen zeigens an, daß ſie gleich
nach Paßirung des Fluſſes und der Provinz Salis in Sontagana getreten, und muͤſte alſo wol
das Pernauiſche darunter verſtanden werden.
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