[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.Geschichte des dritten Bischof Alberts, siebenzehntes Jahr, 1214Ordensbrüder von Wenden mit andern Deutschen auch zu ihnen, fielen inUngannien ein, plünderten die Dörfer, steckten Feuer darein, und branten alle Mannspersonen, so viel sie erhaschen konten, lebendig auf, um des Thalibalds Tod zu rächen. Sie legten alle ihre Schlösser in Asche, damit sie keinen Hinterhalt mehr haben möchten. Sie suchten sie in den finstersten Klüften der Wälder auf, daß sie sich vor ihnen nirgends wo verbergen konten, schlepten sie aus den Büschen vor, schlugen sie todt, nahmen ihre Weiber und Kinder mit sich gefangen, entführ- ten Pferde und Vieh, raubten viele Beute und begaben sich wieder in ihr Land. Es begegneten ihnen aber bey ihrem Heimgeben noch andre Letten die zogen nach Ungannien, und fingen es da wieder an, wo jene es gelassen hatten. Denn diese drungen in die Dörfer und Provinzen, da jene nicht hin gelanget waren, und wer jenen noch entkommen, der konte diesen nicht entwischen. Sie ergriffen also viele, hieben alle Mannspersonen nieder, schlepten Weiber und Kinder gefangen mit sich, und entführten viel Vieh und Geraubtes. Wie diese heimkehrten, be- gegneten ihnen unterwegens schon wieder andre Letten, die einen Marsch nach Un- gannien vorhatten, die auch ihres Orts gerne Beute davon tragen, und die Mannsbilder todtschlagen wolten, um den Tod ihrer von den Esthen erschlagnen Eltern und Verwandten zu rächen. Sie brachen in Ungannien ein, plünderten so gut, als die ersten, und machten so gut Gefangene, als die ersten. Denn sie krigten die, so aus dem Gehölze gekrochen, um von ihren Feldern und Dörfern Essen zu holen, beym Felle, verbranten einige zu tode, hieben andern mit ihren Schwerdtern den Hals ab, und thaten ihnen allerhand Marter an, bis sie alle ihr Geld entdeckten, bis sie sie alle zu allen ihren Löchern im Walde geführet, und Weiber und Kinder ihnen in die Hände geliefert. Aber auch so wurden die aufge- brachten Letten nicht besänftiget. Sondern sie nahmen Geld und alle Habselig- keit, Weib und Kind, zuletzt auch den Kopf, der allein nachblieb, durchstrichen alle Provinzen bis an die Embach in Darbeten a), schonten keines, sondern machten nieder, was männliches Geschlechts war, führten Weib und Kind gefan- gen, nahmen sich an ihren Feinden Rache, und kehrten mit der ganzen Beute lustig nach Hause. Jnzwischen versamlete sich Bertold von Wenden mit seinen Leu- ten, und Dietrich des Bischofs Bruder mit seinen Rittern und Knechten, wie auch Thalibalds Söhne mit ihren Letten, rückten mit ihrer Armee in Ungan- nien, nahmen viele von den Esthen gefangen, die vorher vor den Letten entkom- men, machten sie nieder, steckten die noch gebliebenen Dörfer in Brand, und was von den ersten nicht gut genug geschehen war, trieben diese desto besser, zogen in allen Provinzen umher, paßirten die Embach, kamen bis an die Waiga, plün- derten gleichfals das Land jenseit des Flusses, steckten die Dörfer an, schlugen die Männer todt, machten Weib und Kinder zu Gefangenen, verübten allen Scha- den, den sie nur konten, und gingen so dann wieder nach Liefland. Sie beor- derten unverzüglich wieder andre, die nach Ungannien ziehen musten und jenen gleichen Schaden zufügten, und da diese abzogen, wurden wieder frische ausge- schickt, daß also die Letten nicht stille sassen, noch den Esthen in Ungannien Ruhe liessen. Sie begehrten auch selbst keine Ruhe zu haben, bis sie selbigen Sommer nach neun verschiedenen Feldzügen und mit neun Armeen das Land der Esthen verwüstet, verheeret und zerstöret hatten, daß weder Menschen noch Le- bensmittel mehr wo zu finden waren. Denn sie gedachten so lange mit ihnen Krieg zu führen, bis entweder die übrigen kämen und unter einem ewigen Frieden die Taufe empfingen, oder bis auch alle aus dem Lande ausgerottet wären. Also hat- ten des Thalibalds Söhne die Zahl der Vornemsten über hundert vermehret, die sie zur Rache ihres Vaters entweder lebendig verbrant, oder mit andern verschie- denen Martern hingerichtet hatten, ausgenommen die unzählbaren, so jeder Lette mit Hülfe der Deutschen und Liven umgebracht. a) Darbeten auf Rußisch Juriowgrod, von ihrem Erbauer Jaroslav, Castrum Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr, 1214Ordensbruͤder von Wenden mit andern Deutſchen auch zu ihnen, fielen inUngannien ein, pluͤnderten die Doͤrfer, ſteckten Feuer darein, und branten alle Mannsperſonen, ſo viel ſie erhaſchen konten, lebendig auf, um des Thalibalds Tod zu raͤchen. Sie legten alle ihre Schloͤſſer in Aſche, damit ſie keinen Hinterhalt mehr haben moͤchten. Sie ſuchten ſie in den finſterſten Kluͤften der Waͤlder auf, daß ſie ſich vor ihnen nirgends wo verbergen konten, ſchlepten ſie aus den Buͤſchen vor, ſchlugen ſie todt, nahmen ihre Weiber und Kinder mit ſich gefangen, entfuͤhr- ten Pferde und Vieh, raubten viele Beute und begaben ſich wieder in ihr Land. Es begegneten ihnen aber bey ihrem Heimgeben noch andre Letten die zogen nach Ungannien, und fingen es da wieder an, wo jene es gelaſſen hatten. Denn dieſe drungen in die Doͤrfer und Provinzen, da jene nicht hin gelanget waren, und wer jenen noch entkommen, der konte dieſen nicht entwiſchen. Sie ergriffen alſo viele, hieben alle Mannsperſonen nieder, ſchlepten Weiber und Kinder gefangen mit ſich, und entfuͤhrten viel Vieh und Geraubtes. Wie dieſe heimkehrten, be- gegneten ihnen unterwegens ſchon wieder andre Letten, die einen Marſch nach Un- gannien vorhatten, die auch ihres Orts gerne Beute davon tragen, und die Mannsbilder todtſchlagen wolten, um den Tod ihrer von den Eſthen erſchlagnen Eltern und Verwandten zu raͤchen. Sie brachen in Ungannien ein, pluͤnderten ſo gut, als die erſten, und machten ſo gut Gefangene, als die erſten. Denn ſie krigten die, ſo aus dem Gehoͤlze gekrochen, um von ihren Feldern und Doͤrfern Eſſen zu holen, beym Felle, verbranten einige zu tode, hieben andern mit ihren Schwerdtern den Hals ab, und thaten ihnen allerhand Marter an, bis ſie alle ihr Geld entdeckten, bis ſie ſie alle zu allen ihren Loͤchern im Walde gefuͤhret, und Weiber und Kinder ihnen in die Haͤnde geliefert. Aber auch ſo wurden die aufge- brachten Letten nicht beſaͤnftiget. Sondern ſie nahmen Geld und alle Habſelig- keit, Weib und Kind, zuletzt auch den Kopf, der allein nachblieb, durchſtrichen alle Provinzen bis an die Embach in Darbeten a), ſchonten keines, ſondern machten nieder, was maͤnnliches Geſchlechts war, fuͤhrten Weib und Kind gefan- gen, nahmen ſich an ihren Feinden Rache, und kehrten mit der ganzen Beute luſtig nach Hauſe. Jnzwiſchen verſamlete ſich Bertold von Wenden mit ſeinen Leu- ten, und Dietrich des Biſchofs Bruder mit ſeinen Rittern und Knechten, wie auch Thalibalds Soͤhne mit ihren Letten, ruͤckten mit ihrer Armee in Ungan- nien, nahmen viele von den Eſthen gefangen, die vorher vor den Letten entkom- men, machten ſie nieder, ſteckten die noch gebliebenen Doͤrfer in Brand, und was von den erſten nicht gut genug geſchehen war, trieben dieſe deſto beſſer, zogen in allen Provinzen umher, paßirten die Embach, kamen bis an die Waiga, pluͤn- derten gleichfals das Land jenſeit des Fluſſes, ſteckten die Doͤrfer an, ſchlugen die Maͤnner todt, machten Weib und Kinder zu Gefangenen, veruͤbten allen Scha- den, den ſie nur konten, und gingen ſo dann wieder nach Liefland. Sie beor- derten unverzuͤglich wieder andre, die nach Ungannien ziehen muſten und jenen gleichen Schaden zufuͤgten, und da dieſe abzogen, wurden wieder friſche ausge- ſchickt, daß alſo die Letten nicht ſtille ſaſſen, noch den Eſthen in Ungannien Ruhe lieſſen. Sie begehrten auch ſelbſt keine Ruhe zu haben, bis ſie ſelbigen Sommer nach neun verſchiedenen Feldzuͤgen und mit neun Armeen das Land der Eſthen verwuͤſtet, verheeret und zerſtoͤret hatten, daß weder Menſchen noch Le- bensmittel mehr wo zu finden waren. Denn ſie gedachten ſo lange mit ihnen Krieg zu fuͤhren, bis entweder die uͤbrigen kaͤmen und unter einem ewigen Frieden die Taufe empfingen, oder bis auch alle aus dem Lande ausgerottet waͤren. Alſo hat- ten des Thalibalds Soͤhne die Zahl der Vornemſten uͤber hundert vermehret, die ſie zur Rache ihres Vaters entweder lebendig verbrant, oder mit andern verſchie- denen Martern hingerichtet hatten, ausgenommen die unzaͤhlbaren, ſo jeder Lette mit Huͤlfe der Deutſchen und Liven umgebracht. a) Darbeten auf Rußiſch Juriowgrod, von ihrem Erbauer Jaroslav, Caſtrum <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0146" n="114"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,</hi></fw><lb/><note place="left">1214</note>Ordensbruͤder von <hi rendition="#fr">Wenden</hi> mit andern <hi rendition="#fr">Deutſchen</hi> auch zu ihnen, fielen in<lb/><hi rendition="#fr">Ungannien</hi> ein, pluͤnderten die Doͤrfer, ſteckten Feuer darein, und branten alle<lb/> Mannsperſonen, ſo viel ſie erhaſchen konten, lebendig auf, um des <hi rendition="#fr">Thalibalds</hi><lb/> Tod zu raͤchen. 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Geſchichte des dritten Biſchof Alberts, ſiebenzehntes Jahr,
Ordensbruͤder von Wenden mit andern Deutſchen auch zu ihnen, fielen in
Ungannien ein, pluͤnderten die Doͤrfer, ſteckten Feuer darein, und branten alle
Mannsperſonen, ſo viel ſie erhaſchen konten, lebendig auf, um des Thalibalds
Tod zu raͤchen. Sie legten alle ihre Schloͤſſer in Aſche, damit ſie keinen Hinterhalt
mehr haben moͤchten. Sie ſuchten ſie in den finſterſten Kluͤften der Waͤlder auf,
daß ſie ſich vor ihnen nirgends wo verbergen konten, ſchlepten ſie aus den Buͤſchen
vor, ſchlugen ſie todt, nahmen ihre Weiber und Kinder mit ſich gefangen, entfuͤhr-
ten Pferde und Vieh, raubten viele Beute und begaben ſich wieder in ihr Land.
Es begegneten ihnen aber bey ihrem Heimgeben noch andre Letten die zogen nach
Ungannien, und fingen es da wieder an, wo jene es gelaſſen hatten. Denn
dieſe drungen in die Doͤrfer und Provinzen, da jene nicht hin gelanget waren, und
wer jenen noch entkommen, der konte dieſen nicht entwiſchen. Sie ergriffen alſo
viele, hieben alle Mannsperſonen nieder, ſchlepten Weiber und Kinder gefangen
mit ſich, und entfuͤhrten viel Vieh und Geraubtes. Wie dieſe heimkehrten, be-
gegneten ihnen unterwegens ſchon wieder andre Letten, die einen Marſch nach Un-
gannien vorhatten, die auch ihres Orts gerne Beute davon tragen, und die
Mannsbilder todtſchlagen wolten, um den Tod ihrer von den Eſthen erſchlagnen
Eltern und Verwandten zu raͤchen. Sie brachen in Ungannien ein, pluͤnderten
ſo gut, als die erſten, und machten ſo gut Gefangene, als die erſten. Denn ſie
krigten die, ſo aus dem Gehoͤlze gekrochen, um von ihren Feldern und Doͤrfern
Eſſen zu holen, beym Felle, verbranten einige zu tode, hieben andern mit ihren
Schwerdtern den Hals ab, und thaten ihnen allerhand Marter an, bis ſie alle ihr
Geld entdeckten, bis ſie ſie alle zu allen ihren Loͤchern im Walde gefuͤhret, und
Weiber und Kinder ihnen in die Haͤnde geliefert. Aber auch ſo wurden die aufge-
brachten Letten nicht beſaͤnftiget. Sondern ſie nahmen Geld und alle Habſelig-
keit, Weib und Kind, zuletzt auch den Kopf, der allein nachblieb, durchſtrichen
alle Provinzen bis an die Embach in Darbeten
a⁾
, ſchonten keines, ſondern
machten nieder, was maͤnnliches Geſchlechts war, fuͤhrten Weib und Kind gefan-
gen, nahmen ſich an ihren Feinden Rache, und kehrten mit der ganzen Beute luſtig
nach Hauſe. Jnzwiſchen verſamlete ſich Bertold von Wenden mit ſeinen Leu-
ten, und Dietrich des Biſchofs Bruder mit ſeinen Rittern und Knechten, wie
auch Thalibalds Soͤhne mit ihren Letten, ruͤckten mit ihrer Armee in Ungan-
nien, nahmen viele von den Eſthen gefangen, die vorher vor den Letten entkom-
men, machten ſie nieder, ſteckten die noch gebliebenen Doͤrfer in Brand, und was
von den erſten nicht gut genug geſchehen war, trieben dieſe deſto beſſer, zogen in
allen Provinzen umher, paßirten die Embach, kamen bis an die Waiga, pluͤn-
derten gleichfals das Land jenſeit des Fluſſes, ſteckten die Doͤrfer an, ſchlugen die
Maͤnner todt, machten Weib und Kinder zu Gefangenen, veruͤbten allen Scha-
den, den ſie nur konten, und gingen ſo dann wieder nach Liefland. Sie beor-
derten unverzuͤglich wieder andre, die nach Ungannien ziehen muſten und jenen
gleichen Schaden zufuͤgten, und da dieſe abzogen, wurden wieder friſche ausge-
ſchickt, daß alſo die Letten nicht ſtille ſaſſen, noch den Eſthen in Ungannien
Ruhe lieſſen. Sie begehrten auch ſelbſt keine Ruhe zu haben, bis ſie ſelbigen
Sommer nach neun verſchiedenen Feldzuͤgen und mit neun Armeen das Land der
Eſthen verwuͤſtet, verheeret und zerſtoͤret hatten, daß weder Menſchen noch Le-
bensmittel mehr wo zu finden waren. Denn ſie gedachten ſo lange mit ihnen Krieg
zu fuͤhren, bis entweder die uͤbrigen kaͤmen und unter einem ewigen Frieden die
Taufe empfingen, oder bis auch alle aus dem Lande ausgerottet waͤren. Alſo hat-
ten des Thalibalds Soͤhne die Zahl der Vornemſten uͤber hundert vermehret, die
ſie zur Rache ihres Vaters entweder lebendig verbrant, oder mit andern verſchie-
denen Martern hingerichtet hatten, ausgenommen die unzaͤhlbaren, ſo jeder Lette
mit Huͤlfe der Deutſchen und Liven umgebracht.
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a⁾ Darbeten auf Rußiſch Juriowgrod, von ihrem Erbauer Jaroslav, Caſtrum
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