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[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747.

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Gesch. des 3ten Bischof Alberts 25stes Jahr, von 1222 bis 1223.
1222Patherellen und einen sehr starken hölzernen Thurm, den sie an das Schloß näher
brachten, damit sie darunter das Schloß untergraben und von dessen Höhe es bes-
ser bestürmen könten. Die Dänen freueten sich auf diese Nachricht, und kamen
ihnen Dank abzustatten, weil sie sich ihrer erbarmet und ihnen zu Hülfe gekommen.
Nachdem aber wurden viele durch die Steinschleuderer verwundet, und von den
Maschinenmeistern niedergeworfen, die übrigen fingen an hart krank zu werden und
zu sterben. Dazu waren die Minirer schon bis an die Höhe des Schlosses gekom-
men, so daß die Belagerten dachten sie würden mit samt dem Walle in Abgrund
sinken. Sie baten daher die Armee der Deutschen flehentlich sie möchten doch
ihnen das Leben und die Freyheit schenken. Sie schenkten ihnen auch das Leben
und branten das Schloß auf. Alle Pferde, Ochsen, Vieh, Vorrath, Geld,
Kleider und alles, was im Kastel war, hiessen die Deutschen mit sich gehen,
und theilten es mit den Liven und Letten gemeinschaftlich. Den Dänen aber
gaben sie ihre Leute wieder, und liessen die übrigen frey nach ihren Dörfern gehen.
Unterdessen schickten die Deutschen etliche von ihrer Armee an drey andre kleine
herumliegende Schlösser, und bedroheten sie mit Krieg, wo sie sich nicht an sie er-
geben würden. Diese drey benachbarten Schlösser ergaben sich auch gleich in die
Gewalt der Rigischen, und schickten ihnen Tribut und viele Waypen e) in die-
sem Feldzug. Die Armee der Rigischen kehrte nach Gerwen, einige hingegen
gingen aus, die Provinzen zu plündern. Die Gerwischen und Wirländer
aber kamen ihnen entgegen, baten demüthig um Friede, und gelobten an, sie wol-
ten künftig die heiligen Sacramente des christlichen Glaubens nicht mehr schänden.
Sie machten also einen neuen Frieden mit ihnen, nahmen sie zu Gnaden an, und
empfingen Geisseln von denselbigen. Die Dänen aber, die undankbaren Gäste,
beunruhigten doch nachher diese Leute sehr stark, und fingen mit ihnen Krieg an,
weil sie von den Rigischen den Frieden und das Joch des Christenthums ange-
nommen. Die Rigische Armee kehrte hierauf mit Freuden nach Liefland und
lobte JEsum Christum, der sie allezeit frisch und gesund hin und her geführet
hat in allen ihren Unternehmungen. Jnzwischen waren die Gesandten der Rußi-
schen
Könige in Riga, und warteten auf den Verlauf dieser Sachen. Sie
verwunderten sich auch ziemlich daß die Rigischen nie ohne Sieg und mit leerer
2 Sam.
1, 21. 22.
Hand zurückkommen, weil der Pfeil Jonathans nie gefehlet, noch sein Schild im
Kriege abgeschlagen worden, und das Schwerdt Saul nie leer wiederkommen ist,
indem grosse Armeen und tapfere Könige der Russen niemals ein Schloß haben
können durch ihre Eroberung dem christlichen Glauben unterwerfen.

e) Unser Verfasser, der ein aus der Mauer ausgebauetes Getäfel Erkerium und eine Zu-
sammenfügung von Bretern, so um Gärten und Höfe geführet seyn, plancas genent,
hat auch wol die Waffen Waypas *) heissen können. Doch ich wolte lieber, Schafe
und Ochsen und ander zum Unterhalt der Menschen bequemes Vieh darunter verstehen,
es möchte nun im Busche gehen, oder keinen Herrn mehr haben, dergleichen Vieh in
den Schriften der Engelländer Wayf genant wird, wie das Glossarium Cangianum
belehret.


Des
*) Waip, in der mehrern Zahl Waibud bedeutet eine Art Kleider oder Decken von Watmann, welche
die Bauerweiber der Letten und Esthen zum Zierath umzuhängen pflegen.

Geſch. des 3ten Biſchof Alberts 25ſtes Jahr, von 1222 bis 1223.
1222Patherellen und einen ſehr ſtarken hoͤlzernen Thurm, den ſie an das Schloß naͤher
brachten, damit ſie darunter das Schloß untergraben und von deſſen Hoͤhe es beſ-
ſer beſtuͤrmen koͤnten. Die Daͤnen freueten ſich auf dieſe Nachricht, und kamen
ihnen Dank abzuſtatten, weil ſie ſich ihrer erbarmet und ihnen zu Huͤlfe gekommen.
Nachdem aber wurden viele durch die Steinſchleuderer verwundet, und von den
Maſchinenmeiſtern niedergeworfen, die uͤbrigen fingen an hart krank zu werden und
zu ſterben. Dazu waren die Minirer ſchon bis an die Hoͤhe des Schloſſes gekom-
men, ſo daß die Belagerten dachten ſie wuͤrden mit ſamt dem Walle in Abgrund
ſinken. Sie baten daher die Armee der Deutſchen flehentlich ſie moͤchten doch
ihnen das Leben und die Freyheit ſchenken. Sie ſchenkten ihnen auch das Leben
und branten das Schloß auf. Alle Pferde, Ochſen, Vieh, Vorrath, Geld,
Kleider und alles, was im Kaſtel war, hieſſen die Deutſchen mit ſich gehen,
und theilten es mit den Liven und Letten gemeinſchaftlich. Den Daͤnen aber
gaben ſie ihre Leute wieder, und lieſſen die uͤbrigen frey nach ihren Doͤrfern gehen.
Unterdeſſen ſchickten die Deutſchen etliche von ihrer Armee an drey andre kleine
herumliegende Schloͤſſer, und bedroheten ſie mit Krieg, wo ſie ſich nicht an ſie er-
geben wuͤrden. Dieſe drey benachbarten Schloͤſſer ergaben ſich auch gleich in die
Gewalt der Rigiſchen, und ſchickten ihnen Tribut und viele Waypen e) in die-
ſem Feldzug. Die Armee der Rigiſchen kehrte nach Gerwen, einige hingegen
gingen aus, die Provinzen zu pluͤndern. Die Gerwiſchen und Wirlaͤnder
aber kamen ihnen entgegen, baten demuͤthig um Friede, und gelobten an, ſie wol-
ten kuͤnftig die heiligen Sacramente des chriſtlichen Glaubens nicht mehr ſchaͤnden.
Sie machten alſo einen neuen Frieden mit ihnen, nahmen ſie zu Gnaden an, und
empfingen Geiſſeln von denſelbigen. Die Daͤnen aber, die undankbaren Gaͤſte,
beunruhigten doch nachher dieſe Leute ſehr ſtark, und fingen mit ihnen Krieg an,
weil ſie von den Rigiſchen den Frieden und das Joch des Chriſtenthums ange-
nommen. Die Rigiſche Armee kehrte hierauf mit Freuden nach Liefland und
lobte JEſum Chriſtum, der ſie allezeit friſch und geſund hin und her gefuͤhret
hat in allen ihren Unternehmungen. Jnzwiſchen waren die Geſandten der Rußi-
ſchen
Koͤnige in Riga, und warteten auf den Verlauf dieſer Sachen. Sie
verwunderten ſich auch ziemlich daß die Rigiſchen nie ohne Sieg und mit leerer
2 Sam.
1, 21. 22.
Hand zuruͤckkommen, weil der Pfeil Jonathans nie gefehlet, noch ſein Schild im
Kriege abgeſchlagen worden, und das Schwerdt Saul nie leer wiederkommen iſt,
indem groſſe Armeen und tapfere Koͤnige der Ruſſen niemals ein Schloß haben
koͤnnen durch ihre Eroberung dem chriſtlichen Glauben unterwerfen.

e) Unſer Verfaſſer, der ein aus der Mauer ausgebauetes Getaͤfel Erkerium und eine Zu-
ſammenfuͤgung von Bretern, ſo um Gaͤrten und Hoͤfe gefuͤhret ſeyn, plancas genent,
hat auch wol die Waffen Waypas *) heiſſen koͤnnen. Doch ich wolte lieber, Schafe
und Ochſen und ander zum Unterhalt der Menſchen bequemes Vieh darunter verſtehen,
es moͤchte nun im Buſche gehen, oder keinen Herrn mehr haben, dergleichen Vieh in
den Schriften der Engellaͤnder Wayf genant wird, wie das Gloſſarium Cangianum
belehret.


Des
*) Waip, in der mehrern Zahl Waibud bedeutet eine Art Kleider oder Decken von Watmann, welche
die Bauerweiber der Letten und Eſthen zum Zierath umzuhaͤngen pflegen.
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[190/0222] Geſch. des 3ten Biſchof Alberts 25ſtes Jahr, von 1222 bis 1223. Patherellen und einen ſehr ſtarken hoͤlzernen Thurm, den ſie an das Schloß naͤher brachten, damit ſie darunter das Schloß untergraben und von deſſen Hoͤhe es beſ- ſer beſtuͤrmen koͤnten. Die Daͤnen freueten ſich auf dieſe Nachricht, und kamen ihnen Dank abzuſtatten, weil ſie ſich ihrer erbarmet und ihnen zu Huͤlfe gekommen. Nachdem aber wurden viele durch die Steinſchleuderer verwundet, und von den Maſchinenmeiſtern niedergeworfen, die uͤbrigen fingen an hart krank zu werden und zu ſterben. Dazu waren die Minirer ſchon bis an die Hoͤhe des Schloſſes gekom- men, ſo daß die Belagerten dachten ſie wuͤrden mit ſamt dem Walle in Abgrund ſinken. Sie baten daher die Armee der Deutſchen flehentlich ſie moͤchten doch ihnen das Leben und die Freyheit ſchenken. Sie ſchenkten ihnen auch das Leben und branten das Schloß auf. Alle Pferde, Ochſen, Vieh, Vorrath, Geld, Kleider und alles, was im Kaſtel war, hieſſen die Deutſchen mit ſich gehen, und theilten es mit den Liven und Letten gemeinſchaftlich. Den Daͤnen aber gaben ſie ihre Leute wieder, und lieſſen die uͤbrigen frey nach ihren Doͤrfern gehen. Unterdeſſen ſchickten die Deutſchen etliche von ihrer Armee an drey andre kleine herumliegende Schloͤſſer, und bedroheten ſie mit Krieg, wo ſie ſich nicht an ſie er- geben wuͤrden. Dieſe drey benachbarten Schloͤſſer ergaben ſich auch gleich in die Gewalt der Rigiſchen, und ſchickten ihnen Tribut und viele Waypen e⁾ in die- ſem Feldzug. Die Armee der Rigiſchen kehrte nach Gerwen, einige hingegen gingen aus, die Provinzen zu pluͤndern. Die Gerwiſchen und Wirlaͤnder aber kamen ihnen entgegen, baten demuͤthig um Friede, und gelobten an, ſie wol- ten kuͤnftig die heiligen Sacramente des chriſtlichen Glaubens nicht mehr ſchaͤnden. Sie machten alſo einen neuen Frieden mit ihnen, nahmen ſie zu Gnaden an, und empfingen Geiſſeln von denſelbigen. Die Daͤnen aber, die undankbaren Gaͤſte, beunruhigten doch nachher dieſe Leute ſehr ſtark, und fingen mit ihnen Krieg an, weil ſie von den Rigiſchen den Frieden und das Joch des Chriſtenthums ange- nommen. Die Rigiſche Armee kehrte hierauf mit Freuden nach Liefland und lobte JEſum Chriſtum, der ſie allezeit friſch und geſund hin und her gefuͤhret hat in allen ihren Unternehmungen. Jnzwiſchen waren die Geſandten der Rußi- ſchen Koͤnige in Riga, und warteten auf den Verlauf dieſer Sachen. Sie verwunderten ſich auch ziemlich daß die Rigiſchen nie ohne Sieg und mit leerer Hand zuruͤckkommen, weil der Pfeil Jonathans nie gefehlet, noch ſein Schild im Kriege abgeſchlagen worden, und das Schwerdt Saul nie leer wiederkommen iſt, indem groſſe Armeen und tapfere Koͤnige der Ruſſen niemals ein Schloß haben koͤnnen durch ihre Eroberung dem chriſtlichen Glauben unterwerfen. 1222 2 Sam. 1, 21. 22. e⁾ Unſer Verfaſſer, der ein aus der Mauer ausgebauetes Getaͤfel Erkerium und eine Zu- ſammenfuͤgung von Bretern, ſo um Gaͤrten und Hoͤfe gefuͤhret ſeyn, plancas genent, hat auch wol die Waffen Waypas *) heiſſen koͤnnen. Doch ich wolte lieber, Schafe und Ochſen und ander zum Unterhalt der Menſchen bequemes Vieh darunter verſtehen, es moͤchte nun im Buſche gehen, oder keinen Herrn mehr haben, dergleichen Vieh in den Schriften der Engellaͤnder Wayf genant wird, wie das Gloſſarium Cangianum belehret. Des *) Waip, in der mehrern Zahl Waibud bedeutet eine Art Kleider oder Decken von Watmann, welche die Bauerweiber der Letten und Eſthen zum Zierath umzuhaͤngen pflegen.

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Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Erster Theil. Halle, 1747, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik01_1747/222>, abgerufen am 27.11.2024.