Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
ein anständiges Almosen ansehen müssen. Wir berufen uns auf die Erfah-
rung aller geschickten Kenner, ob sie in dergleichen Abschriften was anders
finden, als eine magere Geschichte der alten Zeiten, die ihres gezerreten
und übel ausgedehnten Vortrags halber mit altväterischen Formeln we-
nig oder nichts sagen, und einen lehrbegierigen Leser von einem Blat zum
andern auf ein leeres Jch weis nicht warten lassen. Jn dem vorigen
Jahrhundert, da das Chronikenschreiben in Liefland recht zur epidemi-
schen Krankheit geworden, haben die Verfasser nicht für die gelehrte Welt,
sondern zu ihrem Zeitvertreib geschrieben, oder nur die Absicht gehabt, die
Begebenheiten ihrer Zeiten zu bemerken; daher sie entweder die alte Hi-
storie flüchtig überhüpfen, oder den alten Russow und Henning bald stück-
weise, bald ganz ausschreiben, nach dem einer vor dem andern was zusam-
menhängendes liefern wollen. Selbst Neustädt bindet sich im Anfang
seiner Geschichte an keine Ordnung, und Thomas Hiärne*), der unsern
Livius vorstellet, bringt ausser den kurzen Auszügen aus der gruberi-
schen
Handschrift und den dänischen Geschichtschreibern wenig erhebli-
ches von der Regierung der Erzbischöfe und des Ordens vor. Hierzu
komt noch, daß seine Handschrift in denen Documenten aus dem Huitfeld
und Pontanus durch unlateinische Schreiber oft bis zur Unverständ-
lichkeit gemishandelt worden.

Solchen Hauptmängeln der Handschriften haben gelehrte und tüchti-
ge Männer durch Hervorsuchung der noch vorhandenen oder auswerts be-
findlichen Urkunden abzuhelfen gesucht. Weil aber hierdurch die Historie
ein geraumiges Feld bekommen, und die letzten Jahre von 1560 bis auf
ihre Zeiten an Documenten sehr fruchtbar sind, sie aber den ganzen Um-
fang auf einmal durchzuarbeiten sich vorgesetzet; so hat sie der Tod bey so
weit gestecktem Ziel ohne Uebereilung abholen können.

Der gelehrte rigische Rathsherr, Herr Johan Witte**), hat mit
ausserordentlichem Fleis und erstaunlicher Arbeitsamkeit das Archiv der

Stadt
*) Von diesem arbeitsamen Manne ist in der Vorrede des ersten Theils etwas erwehnet
worden. Seine eigene Handschrift mit Luftens Fortsetzung wird in Riga auf dem
Ritterhause verwahret. Er wandte eine erstaunliche Mühe auf die Historie des Lan-
des, und sein geschriebenes Werk wurde so gültig aufgenommen, daß Oernhielm,
Patkül, Stralenberg
und Nettelbladt in ihren gedruckten Werken sich auf ihn be-
rufen. Nichts desto weniger erkennet ein vornehmes Urtheil seine Ordensgeschichte für
mager und trocken. Jndessen behält sein Fleis einen ewigen Nachruhm. Sein| schon
fertiges Werk bahnte ihm erst den Weg zu Urkunden. Seine Collectanea zeigen,
was von ihm zu hoffen gewesen. Er bediente sich der oxenstiernischen Bibliothek
auf Fyholm. Der schwedische Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie
ertheilte ihm gegen einen eidlichen Revers vom 29sten May 1676 die Freiheit, alle zur
est- und liefländischen Historie gehörige Sachen aus dem Reichsarchiv abzuschreiben,
doch alle Staatsgeheimnisse zu verschweigen. Hiärne würde mit seiner Arbeit alle
pralerischen Menios übertroffen haben, wenn nicht das Vorhaben, die liefländische
Historie auf einmal und diplomatisch in vielen Folianten ans Licht zu stellen, ihn so wie
andere um Zeit und Leben gebracht hätte.
**) Dieser fertige Man ward wegen seiner siebenjährigen Treue und Sorgfalt, die er als
Agent am königlich schwedischen Hofe in Staatssachen bewiesen, 1648 als Archi-
varius und in classe Secretariorum Rigens. gebraucht, wo er sehr gute Dienste gelei-
stet, so dann 1654 am 27sten October zum vogteilichen Gerichtssecretarius, ernennet
und 1656 in den Rath gezogen. Er bekleidete bis an sein Absterben, so am 25sten
Julii 1657 erfolget, die Würde eines Ober- Bau- und Waisenherrn. Daß er 1654
auf die Empfelung des Grafen Erichs Oxenstierna, Präsidentens des Cammercol-
legii, der ihm alle seine Handschriften gegeben, die Stelle eines königlichen Historio-
graphus

Vorrede.
ein anſtaͤndiges Almoſen anſehen muͤſſen. Wir berufen uns auf die Erfah-
rung aller geſchickten Kenner, ob ſie in dergleichen Abſchriften was anders
finden, als eine magere Geſchichte der alten Zeiten, die ihres gezerreten
und uͤbel ausgedehnten Vortrags halber mit altvaͤteriſchen Formeln we-
nig oder nichts ſagen, und einen lehrbegierigen Leſer von einem Blat zum
andern auf ein leeres Jch weis nicht warten laſſen. Jn dem vorigen
Jahrhundert, da das Chronikenſchreiben in Liefland recht zur epidemi-
ſchen Krankheit geworden, haben die Verfaſſer nicht fuͤr die gelehrte Welt,
ſondern zu ihrem Zeitvertreib geſchrieben, oder nur die Abſicht gehabt, die
Begebenheiten ihrer Zeiten zu bemerken; daher ſie entweder die alte Hi-
ſtorie fluͤchtig uͤberhuͤpfen, oder den alten Ruſſow und Henning bald ſtuͤck-
weiſe, bald ganz ausſchreiben, nach dem einer vor dem andern was zuſam-
menhaͤngendes liefern wollen. Selbſt Neuſtaͤdt bindet ſich im Anfang
ſeiner Geſchichte an keine Ordnung, und Thomas Hiaͤrne*), der unſern
Livius vorſtellet, bringt auſſer den kurzen Auszuͤgen aus der gruberi-
ſchen
Handſchrift und den daͤniſchen Geſchichtſchreibern wenig erhebli-
ches von der Regierung der Erzbiſchoͤfe und des Ordens vor. Hierzu
komt noch, daß ſeine Handſchrift in denen Documenten aus dem Huitfeld
und Pontanus durch unlateiniſche Schreiber oft bis zur Unverſtaͤnd-
lichkeit gemishandelt worden.

Solchen Hauptmaͤngeln der Handſchriften haben gelehrte und tuͤchti-
ge Maͤnner durch Hervorſuchung der noch vorhandenen oder auswerts be-
findlichen Urkunden abzuhelfen geſucht. Weil aber hierdurch die Hiſtorie
ein geraumiges Feld bekommen, und die letzten Jahre von 1560 bis auf
ihre Zeiten an Documenten ſehr fruchtbar ſind, ſie aber den ganzen Um-
fang auf einmal durchzuarbeiten ſich vorgeſetzet; ſo hat ſie der Tod bey ſo
weit geſtecktem Ziel ohne Uebereilung abholen koͤnnen.

Der gelehrte rigiſche Rathsherr, Herr Johan Witte**), hat mit
auſſerordentlichem Fleis und erſtaunlicher Arbeitſamkeit das Archiv der

Stadt
*) Von dieſem arbeitſamen Manne iſt in der Vorrede des erſten Theils etwas erwehnet
worden. Seine eigene Handſchrift mit Luftens Fortſetzung wird in Riga auf dem
Ritterhauſe verwahret. Er wandte eine erſtaunliche Muͤhe auf die Hiſtorie des Lan-
des, und ſein geſchriebenes Werk wurde ſo guͤltig aufgenommen, daß Oernhielm,
Patkuͤl, Stralenberg
und Nettelbladt in ihren gedruckten Werken ſich auf ihn be-
rufen. Nichts deſto weniger erkennet ein vornehmes Urtheil ſeine Ordensgeſchichte fuͤr
mager und trocken. Jndeſſen behaͤlt ſein Fleis einen ewigen Nachruhm. Sein| ſchon
fertiges Werk bahnte ihm erſt den Weg zu Urkunden. Seine Collectanea zeigen,
was von ihm zu hoffen geweſen. Er bediente ſich der oxenſtierniſchen Bibliothek
auf Fyholm. Der ſchwediſche Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie
ertheilte ihm gegen einen eidlichen Revers vom 29ſten May 1676 die Freiheit, alle zur
eſt- und lieflaͤndiſchen Hiſtorie gehoͤrige Sachen aus dem Reichsarchiv abzuſchreiben,
doch alle Staatsgeheimniſſe zu verſchweigen. Hiaͤrne wuͤrde mit ſeiner Arbeit alle
praleriſchen Menios uͤbertroffen haben, wenn nicht das Vorhaben, die lieflaͤndiſche
Hiſtorie auf einmal und diplomatiſch in vielen Folianten ans Licht zu ſtellen, ihn ſo wie
andere um Zeit und Leben gebracht haͤtte.
**) Dieſer fertige Man ward wegen ſeiner ſiebenjaͤhrigen Treue und Sorgfalt, die er als
Agent am koͤniglich ſchwediſchen Hofe in Staatsſachen bewieſen, 1648 als Archi-
varius und in claſſe Secretariorum Rigenſ. gebraucht, wo er ſehr gute Dienſte gelei-
ſtet, ſo dann 1654 am 27ſten October zum vogteilichen Gerichtsſecretarius, ernennet
und 1656 in den Rath gezogen. Er bekleidete bis an ſein Abſterben, ſo am 25ſten
Julii 1657 erfolget, die Wuͤrde eines Ober- Bau- und Waiſenherrn. Daß er 1654
auf die Empfelung des Grafen Erichs Oxenſtierna, Praͤſidentens des Cammercol-
legii, der ihm alle ſeine Handſchriften gegeben, die Stelle eines koͤniglichen Hiſtorio-
graphus
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0012"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
ein an&#x017F;ta&#x0364;ndiges Almo&#x017F;en an&#x017F;ehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Wir berufen uns auf die Erfah-<lb/>
rung aller ge&#x017F;chickten Kenner, ob &#x017F;ie in dergleichen Ab&#x017F;chriften was anders<lb/>
finden, als eine magere Ge&#x017F;chichte der alten Zeiten, die ihres gezerreten<lb/>
und u&#x0364;bel ausgedehnten Vortrags halber mit altva&#x0364;teri&#x017F;chen Formeln we-<lb/>
nig oder nichts &#x017F;agen, und einen lehrbegierigen Le&#x017F;er von einem Blat zum<lb/>
andern auf ein leeres <hi rendition="#fr">Jch weis nicht</hi> warten la&#x017F;&#x017F;en. Jn dem vorigen<lb/>
Jahrhundert, da das Chroniken&#x017F;chreiben in <hi rendition="#fr">Liefland</hi> recht zur epidemi-<lb/>
&#x017F;chen Krankheit geworden, haben die Verfa&#x017F;&#x017F;er nicht fu&#x0364;r die gelehrte Welt,<lb/>
&#x017F;ondern zu ihrem Zeitvertreib ge&#x017F;chrieben, oder nur die Ab&#x017F;icht gehabt, die<lb/>
Begebenheiten ihrer Zeiten zu bemerken; daher &#x017F;ie entweder die alte Hi-<lb/>
&#x017F;torie flu&#x0364;chtig u&#x0364;berhu&#x0364;pfen, oder den alten <hi rendition="#fr">Ru&#x017F;&#x017F;ow</hi> und <hi rendition="#fr">Henning</hi> bald &#x017F;tu&#x0364;ck-<lb/>
wei&#x017F;e, bald ganz aus&#x017F;chreiben, nach dem einer vor dem andern was zu&#x017F;am-<lb/>
menha&#x0364;ngendes liefern wollen. Selb&#x017F;t <hi rendition="#fr">Neu&#x017F;ta&#x0364;dt</hi> bindet &#x017F;ich im Anfang<lb/>
&#x017F;einer Ge&#x017F;chichte an keine Ordnung, und <hi rendition="#fr">Thomas Hia&#x0364;rne</hi><note place="foot" n="*)">Von die&#x017F;em arbeit&#x017F;amen Manne i&#x017F;t in der Vorrede des er&#x017F;ten Theils etwas erwehnet<lb/>
worden. Seine eigene Hand&#x017F;chrift mit <hi rendition="#fr">Luftens</hi> Fort&#x017F;etzung wird in <hi rendition="#fr">Riga</hi> auf dem<lb/>
Ritterhau&#x017F;e verwahret. Er wandte eine er&#x017F;taunliche Mu&#x0364;he auf die Hi&#x017F;torie des Lan-<lb/>
des, und &#x017F;ein ge&#x017F;chriebenes Werk wurde &#x017F;o gu&#x0364;ltig aufgenommen, daß <hi rendition="#fr">Oernhielm,<lb/>
Patku&#x0364;l, Stralenberg</hi> und <hi rendition="#fr">Nettelbladt</hi> in ihren gedruckten Werken &#x017F;ich auf ihn be-<lb/>
rufen. Nichts de&#x017F;to weniger erkennet ein vornehmes Urtheil &#x017F;eine Ordensge&#x017F;chichte fu&#x0364;r<lb/>
mager und trocken. Jnde&#x017F;&#x017F;en beha&#x0364;lt &#x017F;ein Fleis einen ewigen Nachruhm. Sein| &#x017F;chon<lb/>
fertiges Werk bahnte ihm er&#x017F;t den Weg zu Urkunden. Seine <hi rendition="#aq">Collectanea</hi> zeigen,<lb/>
was von ihm zu hoffen gewe&#x017F;en. Er bediente &#x017F;ich der <hi rendition="#fr">oxen&#x017F;tierni&#x017F;chen</hi> Bibliothek<lb/>
auf <hi rendition="#fr">Fyholm.</hi> Der <hi rendition="#fr">&#x017F;chwedi&#x017F;che</hi> Reichskanzler <hi rendition="#fr">Magnus Gabriel de la Gardie</hi><lb/>
ertheilte ihm gegen einen eidlichen Revers vom 29&#x017F;ten May 1676 die Freiheit, alle zur<lb/><hi rendition="#fr">e&#x017F;t-</hi> und <hi rendition="#fr">liefla&#x0364;ndi&#x017F;chen</hi> Hi&#x017F;torie geho&#x0364;rige Sachen aus dem Reichsarchiv abzu&#x017F;chreiben,<lb/>
doch alle Staatsgeheimni&#x017F;&#x017F;e zu ver&#x017F;chweigen. <hi rendition="#fr">Hia&#x0364;rne</hi> wu&#x0364;rde mit &#x017F;einer Arbeit alle<lb/>
praleri&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Menios</hi> u&#x0364;bertroffen haben, wenn nicht das Vorhaben, die <hi rendition="#fr">liefla&#x0364;ndi&#x017F;che</hi><lb/>
Hi&#x017F;torie auf einmal und diplomati&#x017F;ch in vielen Folianten ans Licht zu &#x017F;tellen, ihn &#x017F;o wie<lb/>
andere um Zeit und Leben gebracht ha&#x0364;tte.</note>, der un&#x017F;ern<lb/><hi rendition="#fr">Livius</hi> vor&#x017F;tellet, bringt au&#x017F;&#x017F;er den kurzen Auszu&#x0364;gen aus der <hi rendition="#fr">gruberi-<lb/>
&#x017F;chen</hi> Hand&#x017F;chrift und den <hi rendition="#fr">da&#x0364;ni&#x017F;chen</hi> Ge&#x017F;chicht&#x017F;chreibern wenig erhebli-<lb/>
ches von der Regierung der Erzbi&#x017F;cho&#x0364;fe und des Ordens vor. Hierzu<lb/>
komt noch, daß &#x017F;eine Hand&#x017F;chrift in denen Documenten aus dem <hi rendition="#fr">Huitfeld</hi><lb/>
und <hi rendition="#fr">Pontanus</hi> durch <hi rendition="#fr">unlateini&#x017F;che</hi> Schreiber oft bis zur Unver&#x017F;ta&#x0364;nd-<lb/>
lichkeit gemishandelt worden.</p><lb/>
        <p>Solchen Hauptma&#x0364;ngeln der Hand&#x017F;chriften haben gelehrte und tu&#x0364;chti-<lb/>
ge Ma&#x0364;nner durch Hervor&#x017F;uchung der noch vorhandenen oder auswerts be-<lb/>
findlichen Urkunden abzuhelfen ge&#x017F;ucht. Weil aber hierdurch die Hi&#x017F;torie<lb/>
ein geraumiges Feld bekommen, und die letzten Jahre von 1560 bis auf<lb/>
ihre Zeiten an Documenten &#x017F;ehr fruchtbar &#x017F;ind, &#x017F;ie aber den ganzen Um-<lb/>
fang auf einmal durchzuarbeiten &#x017F;ich vorge&#x017F;etzet; &#x017F;o hat &#x017F;ie der Tod bey &#x017F;o<lb/>
weit ge&#x017F;tecktem Ziel ohne Uebereilung abholen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Der gelehrte <hi rendition="#fr">rigi&#x017F;che</hi> Rathsherr, Herr <hi rendition="#fr">Johan Witte</hi><note xml:id="f03" next="#f04" place="foot" n="**)">Die&#x017F;er fertige Man ward wegen &#x017F;einer &#x017F;iebenja&#x0364;hrigen Treue und Sorgfalt, die er als<lb/>
Agent am ko&#x0364;niglich <hi rendition="#fr">&#x017F;chwedi&#x017F;chen</hi> Hofe in Staats&#x017F;achen bewie&#x017F;en, 1648 als Archi-<lb/>
varius und <hi rendition="#aq">in cla&#x017F;&#x017F;e Secretariorum <hi rendition="#i">Rigen&#x017F;.</hi></hi> gebraucht, wo er &#x017F;ehr gute Dien&#x017F;te gelei-<lb/>
&#x017F;tet, &#x017F;o dann 1654 am 27&#x017F;ten October zum vogteilichen Gerichts&#x017F;ecretarius, ernennet<lb/>
und 1656 in den Rath gezogen. Er bekleidete bis an &#x017F;ein Ab&#x017F;terben, &#x017F;o am 25&#x017F;ten<lb/>
Julii 1657 erfolget, die Wu&#x0364;rde eines Ober- Bau- und Wai&#x017F;enherrn. Daß er 1654<lb/>
auf die Empfelung des Grafen <hi rendition="#fr">Erichs Oxen&#x017F;tierna,</hi> Pra&#x0364;&#x017F;identens des Cammercol-<lb/>
legii, der ihm alle &#x017F;eine Hand&#x017F;chriften gegeben, die Stelle eines ko&#x0364;niglichen Hi&#x017F;torio-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">graphus</fw></note>, hat mit<lb/>
au&#x017F;&#x017F;erordentlichem Fleis und er&#x017F;taunlicher Arbeit&#x017F;amkeit das Archiv der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Stadt</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0012] Vorrede. ein anſtaͤndiges Almoſen anſehen muͤſſen. Wir berufen uns auf die Erfah- rung aller geſchickten Kenner, ob ſie in dergleichen Abſchriften was anders finden, als eine magere Geſchichte der alten Zeiten, die ihres gezerreten und uͤbel ausgedehnten Vortrags halber mit altvaͤteriſchen Formeln we- nig oder nichts ſagen, und einen lehrbegierigen Leſer von einem Blat zum andern auf ein leeres Jch weis nicht warten laſſen. Jn dem vorigen Jahrhundert, da das Chronikenſchreiben in Liefland recht zur epidemi- ſchen Krankheit geworden, haben die Verfaſſer nicht fuͤr die gelehrte Welt, ſondern zu ihrem Zeitvertreib geſchrieben, oder nur die Abſicht gehabt, die Begebenheiten ihrer Zeiten zu bemerken; daher ſie entweder die alte Hi- ſtorie fluͤchtig uͤberhuͤpfen, oder den alten Ruſſow und Henning bald ſtuͤck- weiſe, bald ganz ausſchreiben, nach dem einer vor dem andern was zuſam- menhaͤngendes liefern wollen. Selbſt Neuſtaͤdt bindet ſich im Anfang ſeiner Geſchichte an keine Ordnung, und Thomas Hiaͤrne *), der unſern Livius vorſtellet, bringt auſſer den kurzen Auszuͤgen aus der gruberi- ſchen Handſchrift und den daͤniſchen Geſchichtſchreibern wenig erhebli- ches von der Regierung der Erzbiſchoͤfe und des Ordens vor. Hierzu komt noch, daß ſeine Handſchrift in denen Documenten aus dem Huitfeld und Pontanus durch unlateiniſche Schreiber oft bis zur Unverſtaͤnd- lichkeit gemishandelt worden. Solchen Hauptmaͤngeln der Handſchriften haben gelehrte und tuͤchti- ge Maͤnner durch Hervorſuchung der noch vorhandenen oder auswerts be- findlichen Urkunden abzuhelfen geſucht. Weil aber hierdurch die Hiſtorie ein geraumiges Feld bekommen, und die letzten Jahre von 1560 bis auf ihre Zeiten an Documenten ſehr fruchtbar ſind, ſie aber den ganzen Um- fang auf einmal durchzuarbeiten ſich vorgeſetzet; ſo hat ſie der Tod bey ſo weit geſtecktem Ziel ohne Uebereilung abholen koͤnnen. Der gelehrte rigiſche Rathsherr, Herr Johan Witte **), hat mit auſſerordentlichem Fleis und erſtaunlicher Arbeitſamkeit das Archiv der Stadt *) Von dieſem arbeitſamen Manne iſt in der Vorrede des erſten Theils etwas erwehnet worden. Seine eigene Handſchrift mit Luftens Fortſetzung wird in Riga auf dem Ritterhauſe verwahret. Er wandte eine erſtaunliche Muͤhe auf die Hiſtorie des Lan- des, und ſein geſchriebenes Werk wurde ſo guͤltig aufgenommen, daß Oernhielm, Patkuͤl, Stralenberg und Nettelbladt in ihren gedruckten Werken ſich auf ihn be- rufen. Nichts deſto weniger erkennet ein vornehmes Urtheil ſeine Ordensgeſchichte fuͤr mager und trocken. Jndeſſen behaͤlt ſein Fleis einen ewigen Nachruhm. Sein| ſchon fertiges Werk bahnte ihm erſt den Weg zu Urkunden. Seine Collectanea zeigen, was von ihm zu hoffen geweſen. Er bediente ſich der oxenſtierniſchen Bibliothek auf Fyholm. Der ſchwediſche Reichskanzler Magnus Gabriel de la Gardie ertheilte ihm gegen einen eidlichen Revers vom 29ſten May 1676 die Freiheit, alle zur eſt- und lieflaͤndiſchen Hiſtorie gehoͤrige Sachen aus dem Reichsarchiv abzuſchreiben, doch alle Staatsgeheimniſſe zu verſchweigen. Hiaͤrne wuͤrde mit ſeiner Arbeit alle praleriſchen Menios uͤbertroffen haben, wenn nicht das Vorhaben, die lieflaͤndiſche Hiſtorie auf einmal und diplomatiſch in vielen Folianten ans Licht zu ſtellen, ihn ſo wie andere um Zeit und Leben gebracht haͤtte. **) Dieſer fertige Man ward wegen ſeiner ſiebenjaͤhrigen Treue und Sorgfalt, die er als Agent am koͤniglich ſchwediſchen Hofe in Staatsſachen bewieſen, 1648 als Archi- varius und in claſſe Secretariorum Rigenſ. gebraucht, wo er ſehr gute Dienſte gelei- ſtet, ſo dann 1654 am 27ſten October zum vogteilichen Gerichtsſecretarius, ernennet und 1656 in den Rath gezogen. Er bekleidete bis an ſein Abſterben, ſo am 25ſten Julii 1657 erfolget, die Wuͤrde eines Ober- Bau- und Waiſenherrn. Daß er 1654 auf die Empfelung des Grafen Erichs Oxenſtierna, Praͤſidentens des Cammercol- legii, der ihm alle ſeine Handſchriften gegeben, die Stelle eines koͤniglichen Hiſtorio- graphus

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/12
Zitationshilfe: [Lettus, Henricus]: Der Liefländischen Chronik Andrer Theil. Halle (Saale), 1753, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lettus_chronik02_1753/12>, abgerufen am 23.11.2024.