Levezow, Konrad: Iphigenia in Aulis. Halle, 1805.
Und soll der Knechtschaft Joch, das schmähliche Der fremden Dienstbarkeit, allmählig sich An uns're Nacken schmiegen? Soll denn kein Gefühl der Schande mehr den muth'gen Geist Zur Rachethat bewegen, die mit Blut Des Frevlers wäscht das Mahl der Schande von Der Ehre Kleinod, von dem heiß errungnen Durch tapfrer Männer Kraft? - Dein einzig Kind Soll leben, und dein Volk soll - untergehn? Klytämnestra. Wer hilft aus diesem Zwiespalt mir der Pflicht Und Liebe das gepreßte Herz? - Ich selbst Vermag es nicht. Ich bin ein schwaches Weib. Entfernt von der Gefahr, wähnt' ich mich einst Wohl stark. Der Sicherheit entbehr' ich nun. Jetzt bebt die Mutter für ihr Kind, das sie Gebar. Es war mein Stolz, mein Glück; war einst
Und soll der Knechtschaft Joch, das schmaͤhliche Der fremden Dienstbarkeit, allmaͤhlig sich An uns're Nacken schmiegen? Soll denn kein Gefuͤhl der Schande mehr den muth'gen Geist Zur Rachethat bewegen, die mit Blut Des Frevlers waͤscht das Mahl der Schande von Der Ehre Kleinod, von dem heiß errungnen Durch tapfrer Maͤnner Kraft? – Dein einzig Kind Soll leben, und dein Volk soll – untergehn? Klytaͤmnestra. Wer hilft aus diesem Zwiespalt mir der Pflicht Und Liebe das gepreßte Herz? – Ich selbst Vermag es nicht. Ich bin ein schwaches Weib. Entfernt von der Gefahr, waͤhnt' ich mich einst Wohl stark. Der Sicherheit entbehr' ich nun. Jetzt bebt die Mutter fuͤr ihr Kind, das sie Gebar. Es war mein Stolz, mein Gluͤck; war einst <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#AGA"> <p><pb facs="#f0155" n="147"/> Und soll der Knechtschaft Joch, das schmaͤhliche<lb/> Der fremden Dienstbarkeit, allmaͤhlig sich<lb/> An uns're Nacken schmiegen? Soll denn kein<lb/> Gefuͤhl der Schande mehr den muth'gen Geist<lb/> Zur Rachethat bewegen, die mit Blut<lb/> Des Frevlers waͤscht das Mahl der Schande von<lb/> Der Ehre Kleinod, von dem heiß errungnen<lb/> Durch tapfrer Maͤnner Kraft? – Dein einzig<lb/> Kind<lb/> Soll leben, und dein Volk soll – untergehn?</p> </sp><lb/> <sp who="#KLY"> <speaker><hi rendition="#g">Klytaͤmnestra</hi>.</speaker><lb/> <p>Wer hilft aus diesem Zwiespalt mir der Pflicht<lb/> Und Liebe das gepreßte Herz? – Ich selbst<lb/> Vermag es nicht. Ich bin ein schwaches Weib.<lb/> Entfernt von der Gefahr, waͤhnt' ich mich einst<lb/> Wohl stark. Der Sicherheit entbehr' ich nun.<lb/> Jetzt bebt die Mutter fuͤr ihr Kind, das sie<lb/> Gebar. Es war mein Stolz, mein Gluͤck; war<lb/> einst<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [147/0155]
Und soll der Knechtschaft Joch, das schmaͤhliche
Der fremden Dienstbarkeit, allmaͤhlig sich
An uns're Nacken schmiegen? Soll denn kein
Gefuͤhl der Schande mehr den muth'gen Geist
Zur Rachethat bewegen, die mit Blut
Des Frevlers waͤscht das Mahl der Schande von
Der Ehre Kleinod, von dem heiß errungnen
Durch tapfrer Maͤnner Kraft? – Dein einzig
Kind
Soll leben, und dein Volk soll – untergehn?
Klytaͤmnestra.
Wer hilft aus diesem Zwiespalt mir der Pflicht
Und Liebe das gepreßte Herz? – Ich selbst
Vermag es nicht. Ich bin ein schwaches Weib.
Entfernt von der Gefahr, waͤhnt' ich mich einst
Wohl stark. Der Sicherheit entbehr' ich nun.
Jetzt bebt die Mutter fuͤr ihr Kind, das sie
Gebar. Es war mein Stolz, mein Gluͤck; war
einst
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