Levezow, Konrad: Iphigenia in Aulis. Halle, 1805.
Die Flur, den Hain. Das aufgeschreckte Wild Flieht muthlos vor dir her; und das erhitzte, Unaufgehaltne Roß reißt dich, geblendet, Im Taumel der entflammten Leidenschaft, Weit mit sich - in Dianens heilgen Hain. Agamemnon. Wie? - Zu Dianens heilgem Hain? - Dorthin Hat nur ein böser Dämon mich getrieben! - Kalchas. Auf einmal sieht dein spähend Aug' ein schön Geflecktes Reh auf grüner, kräuterreicher Au'. Nichts fürchtend, schuldlos, wie ein Lamm, pflückt es Mit mildem Zahn den balsamreichen Halm. Du hemmst des Rosses Flug, den Blick dir weidend An dieses Thieres wundergleichem Bau, An seines schön gefleckten Felles Glanz. Doch bald erwacht die Mordbegier in deiner Brust.
Die Flur, den Hain. Das aufgeschreckte Wild Flieht muthlos vor dir her; und das erhitzte, Unaufgehaltne Roß reißt dich, geblendet, Im Taumel der entflammten Leidenschaft, Weit mit sich – in Dianens heilgen Hain. Agamemnon. Wie? – Zu Dianens heilgem Hain? – Dorthin Hat nur ein boͤser Daͤmon mich getrieben! – Kalchas. Auf einmal sieht dein spaͤhend Aug' ein schoͤn Geflecktes Reh auf gruͤner, kraͤuterreicher Au'. Nichts fuͤrchtend, schuldlos, wie ein Lamm, pfluͤckt es Mit mildem Zahn den balsamreichen Halm. Du hemmst des Rosses Flug, den Blick dir weidend An dieses Thieres wundergleichem Bau, An seines schoͤn gefleckten Felles Glanz. Doch bald erwacht die Mordbegier in deiner Brust. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#KAL"> <p><pb facs="#f0032" n="24"/> Die Flur, den Hain. Das aufgeschreckte Wild<lb/> Flieht muthlos vor dir her; und das erhitzte,<lb/> Unaufgehaltne Roß reißt dich, geblendet,<lb/> Im Taumel der entflammten Leidenschaft,<lb/> Weit mit sich – in Dianens heilgen Hain.</p> </sp><lb/> <sp who="#AGA"> <speaker><hi rendition="#g">Agamemnon</hi>.</speaker><lb/> <p>Wie? – Zu Dianens heilgem Hain? – Dorthin<lb/> Hat nur ein boͤser Daͤmon mich getrieben! –</p> </sp><lb/> <sp who="#KAL"> <speaker><hi rendition="#g">Kalchas</hi>.</speaker><lb/> <p>Auf einmal sieht dein spaͤhend Aug' ein schoͤn<lb/> Geflecktes Reh auf gruͤner, kraͤuterreicher Au'.<lb/> Nichts fuͤrchtend, schuldlos, wie ein Lamm,<lb/> pfluͤckt es<lb/> Mit mildem Zahn den balsamreichen Halm.<lb/> Du hemmst des Rosses Flug, den Blick dir weidend<lb/> An dieses Thieres wundergleichem Bau,<lb/> An seines schoͤn gefleckten Felles Glanz.<lb/> Doch bald erwacht die Mordbegier in deiner Brust.<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0032]
Die Flur, den Hain. Das aufgeschreckte Wild
Flieht muthlos vor dir her; und das erhitzte,
Unaufgehaltne Roß reißt dich, geblendet,
Im Taumel der entflammten Leidenschaft,
Weit mit sich – in Dianens heilgen Hain.
Agamemnon.
Wie? – Zu Dianens heilgem Hain? – Dorthin
Hat nur ein boͤser Daͤmon mich getrieben! –
Kalchas.
Auf einmal sieht dein spaͤhend Aug' ein schoͤn
Geflecktes Reh auf gruͤner, kraͤuterreicher Au'.
Nichts fuͤrchtend, schuldlos, wie ein Lamm,
pfluͤckt es
Mit mildem Zahn den balsamreichen Halm.
Du hemmst des Rosses Flug, den Blick dir weidend
An dieses Thieres wundergleichem Bau,
An seines schoͤn gefleckten Felles Glanz.
Doch bald erwacht die Mordbegier in deiner Brust.
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