Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864."Sie irren, Adele! Es sind mir viele weidergekommen, denen ich das Fenster öffnete." "Ja! Im Winter! aus Noth!" meinte Adele. "Die Noth hat überhaupt mehr Antheil an den häuslichen Tugenden und guten Eigenschaften, als man denkt! Die Vögel sind wie die große Masse der Frauen. Sie suchen ein Unterkommen gegen Frost und Hunger, und sind liebevoll und treu aus Angst vor Noth!" "Wie hart und ungerecht gegen Ihr eigenes Geschlecht!" sagte Samuel. "Die Männer nennen es immer Härte," entgegnete sie, "wenn eine Frau den Muth hat, aufrichtig über ihr Geschlecht und seine Erniedrigung zu sprechen. Die Frauen und die Ehe sind eben das, wozu eine Welt ohne Liebe und eine Welt voll Sklaverei sie machten. Glauben Sie mir, Samuel, in jeder Stunde preise ich meinen Schöpfer dafür, daß er mir mit meinem Talente “Sie irren, Adele! Es sind mir viele weidergekommen, denen ich das Fenster öffnete.” “Ja! Im Winter! aus Noth!” meinte Adele. “Die Noth hat überhaupt mehr Antheil an den häuslichen Tugenden und guten Eigenschaften, als man denkt! Die Vögel sind wie die große Masse der Frauen. Sie suchen ein Unterkommen gegen Frost und Hunger, und sind liebevoll und treu aus Angst vor Noth!” “Wie hart und ungerecht gegen Ihr eigenes Geschlecht!” sagte Samuel. “Die Männer nennen es immer Härte,” entgegnete sie, “wenn eine Frau den Muth hat, aufrichtig über ihr Geschlecht und seine Erniedrigung zu sprechen. Die Frauen und die Ehe sind eben das, wozu eine Welt ohne Liebe und eine Welt voll Sklaverei sie machten. Glauben Sie mir, Samuel, in jeder Stunde preise ich meinen Schöpfer dafür, daß er mir mit meinem Talente <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0205" n="195"/> <p> “Sie irren, Adele! Es sind mir viele weidergekommen, denen ich das Fenster öffnete.”</p> <p> “Ja! Im Winter! aus Noth!” meinte Adele. “Die Noth hat überhaupt mehr Antheil an den häuslichen Tugenden und guten Eigenschaften, als man denkt! Die Vögel sind wie die große Masse der Frauen. Sie suchen ein Unterkommen gegen Frost und Hunger, und sind liebevoll und treu aus Angst vor Noth!”</p> <p> “Wie hart und ungerecht gegen Ihr eigenes Geschlecht!” sagte Samuel.</p> <p> “Die Männer nennen es immer Härte,” entgegnete sie, “wenn eine Frau den Muth hat, aufrichtig über ihr Geschlecht und seine Erniedrigung zu sprechen. Die Frauen und die Ehe sind eben das, wozu eine Welt ohne Liebe und eine Welt voll Sklaverei sie machten. Glauben Sie mir, Samuel, in jeder Stunde preise ich meinen Schöpfer dafür, daß er mir mit meinem Talente </p> </div> </body> </text> </TEI> [195/0205]
“Sie irren, Adele! Es sind mir viele weidergekommen, denen ich das Fenster öffnete.”
“Ja! Im Winter! aus Noth!” meinte Adele. “Die Noth hat überhaupt mehr Antheil an den häuslichen Tugenden und guten Eigenschaften, als man denkt! Die Vögel sind wie die große Masse der Frauen. Sie suchen ein Unterkommen gegen Frost und Hunger, und sind liebevoll und treu aus Angst vor Noth!”
“Wie hart und ungerecht gegen Ihr eigenes Geschlecht!” sagte Samuel.
“Die Männer nennen es immer Härte,” entgegnete sie, “wenn eine Frau den Muth hat, aufrichtig über ihr Geschlecht und seine Erniedrigung zu sprechen. Die Frauen und die Ehe sind eben das, wozu eine Welt ohne Liebe und eine Welt voll Sklaverei sie machten. Glauben Sie mir, Samuel, in jeder Stunde preise ich meinen Schöpfer dafür, daß er mir mit meinem Talente
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Sophie - A Digital Library of Works by German-Speaking Women: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in der Syntax von "Sophie".
(2013-02-04T11:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
archive.org: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-02-04T11:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2013-02-04T11:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |