Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.den Augen. Dieser geputzte Mann, mit der gezierten Vornehmheit, mit den übersättigen und doch genusseslüsternen Mienen, das also war Hellwig! -- Sie hatte ihn nur wiedererkannt, um ihn fast bis zur Unkenntlichkeit verwandelt zu finden. Jetzt begriff sie die Aenderung seiner Gesinnung, die sich dem Publikum in Hellwig's Schriften in so ausfälliger Weise kundgethan hatte. Jetzt zweifelte sie nicht mehr, daß er sein Talent verloren, daß träge Genußsucht ihn herabgezogen habe. Und diesen Hellwig hatte sie geliebt! so sehr geliebt! Er war ihr Ideal gewesen und war es auch geblieben. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen. In das Fenster gelehnt, schaute sie auf die Straße hinaus, ohne irgend einen Gegenstand mit dem Auge zu erfassen. "Armer Samuel!" seufzte sie mit einem Male, und als sie das Wort von ihren Lippen den Augen. Dieser geputzte Mann, mit der gezierten Vornehmheit, mit den übersättigen und doch genusseslüsternen Mienen, das also war Hellwig! — Sie hatte ihn nur wiedererkannt, um ihn fast bis zur Unkenntlichkeit verwandelt zu finden. Jetzt begriff sie die Aenderung seiner Gesinnung, die sich dem Publikum in Hellwig’s Schriften in so ausfälliger Weise kundgethan hatte. Jetzt zweifelte sie nicht mehr, daß er sein Talent verloren, daß träge Genußsucht ihn herabgezogen habe. Und diesen Hellwig hatte sie geliebt! so sehr geliebt! Er war ihr Ideal gewesen und war es auch geblieben. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen. In das Fenster gelehnt, schaute sie auf die Straße hinaus, ohne irgend einen Gegenstand mit dem Auge zu erfassen. “Armer Samuel!” seufzte sie mit einem Male, und als sie das Wort von ihren Lippen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0229" n="219"/> den Augen. Dieser geputzte Mann, mit der gezierten Vornehmheit, mit den übersättigen und doch genusseslüsternen Mienen, das also war Hellwig! —</p> <p> Sie hatte ihn nur wiedererkannt, um ihn fast bis zur Unkenntlichkeit verwandelt zu finden. Jetzt begriff sie die Aenderung seiner Gesinnung, die sich dem Publikum in Hellwig’s Schriften in so ausfälliger Weise kundgethan hatte. Jetzt zweifelte sie nicht mehr, daß er sein Talent verloren, daß träge Genußsucht ihn herabgezogen habe.</p> <p> Und diesen Hellwig hatte sie geliebt! so sehr geliebt! Er war ihr Ideal gewesen und war es auch geblieben. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen. In das Fenster gelehnt, schaute sie auf die Straße hinaus, ohne irgend einen Gegenstand mit dem Auge zu erfassen.</p> <p> “Armer Samuel!” seufzte sie mit einem Male, und als sie das Wort von ihren Lippen </p> </div> </body> </text> </TEI> [219/0229]
den Augen. Dieser geputzte Mann, mit der gezierten Vornehmheit, mit den übersättigen und doch genusseslüsternen Mienen, das also war Hellwig! —
Sie hatte ihn nur wiedererkannt, um ihn fast bis zur Unkenntlichkeit verwandelt zu finden. Jetzt begriff sie die Aenderung seiner Gesinnung, die sich dem Publikum in Hellwig’s Schriften in so ausfälliger Weise kundgethan hatte. Jetzt zweifelte sie nicht mehr, daß er sein Talent verloren, daß träge Genußsucht ihn herabgezogen habe.
Und diesen Hellwig hatte sie geliebt! so sehr geliebt! Er war ihr Ideal gewesen und war es auch geblieben. Sie konnte den Gedanken kaum ertragen. In das Fenster gelehnt, schaute sie auf die Straße hinaus, ohne irgend einen Gegenstand mit dem Auge zu erfassen.
“Armer Samuel!” seufzte sie mit einem Male, und als sie das Wort von ihren Lippen
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