Lewald, Fanny: Adele. 2. Ausg. Berlin, 1864.Es kam kein Schlaf auf seine Augen. Früh am Morgen stand er übernächtig auf, Adele nach der Eisenbahn zu geleiten. War sie dann fort, so blieb ihm Zeit für Alles, für seine Geschäfte, seinen Mißmuth, seinen Schmerz. Er war nur eben fertig, als Adele ihn fragen ließ, ob er sich wohl befinde, und mit ihr gemeinsam das Frühstück nehmen wolle? Er ging hinüber, ihr Zimmer war aufgeräumt, der Frühstückstisch gedeckt. Samuel sah sich nach dem Gepäcke um, es mußte schon fortgetragen sein, und er wußte ihr dafür Dank, daß sie ihm für die halbe Stunde den Anblick der Koffer entzogen hatte, die ihn an ihre Trennung mahnen mußten. Adele trat ihm heiter entgegen. Sie hatte sich Alles im Sinn zurechtgelegt, es war ihr so natürlich vorgekommen, ihren beiderseitigen Irrthum aufzuklären. Jetzt, da er neben ihr war, verging ihr plötzlich aller Muth. Samuel saß schweigend an ihrer Seite, sie Es kam kein Schlaf auf seine Augen. Früh am Morgen stand er übernächtig auf, Adele nach der Eisenbahn zu geleiten. War sie dann fort, so blieb ihm Zeit für Alles, für seine Geschäfte, seinen Mißmuth, seinen Schmerz. Er war nur eben fertig, als Adele ihn fragen ließ, ob er sich wohl befinde, und mit ihr gemeinsam das Frühstück nehmen wolle? Er ging hinüber, ihr Zimmer war aufgeräumt, der Frühstückstisch gedeckt. Samuel sah sich nach dem Gepäcke um, es mußte schon fortgetragen sein, und er wußte ihr dafür Dank, daß sie ihm für die halbe Stunde den Anblick der Koffer entzogen hatte, die ihn an ihre Trennung mahnen mußten. Adele trat ihm heiter entgegen. Sie hatte sich Alles im Sinn zurechtgelegt, es war ihr so natürlich vorgekommen, ihren beiderseitigen Irrthum aufzuklären. Jetzt, da er neben ihr war, verging ihr plötzlich aller Muth. Samuel saß schweigend an ihrer Seite, sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0265" n="255"/> <p> Es kam kein Schlaf auf seine Augen. Früh am Morgen stand er übernächtig auf, Adele nach der Eisenbahn zu geleiten. War sie dann fort, so blieb ihm Zeit für Alles, für seine Geschäfte, seinen Mißmuth, seinen Schmerz.</p> <p> Er war nur eben fertig, als Adele ihn fragen ließ, ob er sich wohl befinde, und mit ihr gemeinsam das Frühstück nehmen wolle? Er ging hinüber, ihr Zimmer war aufgeräumt, der Frühstückstisch gedeckt. Samuel sah sich nach dem Gepäcke um, es mußte schon fortgetragen sein, und er wußte ihr dafür Dank, daß sie ihm für die halbe Stunde den Anblick der Koffer entzogen hatte, die ihn an ihre Trennung mahnen mußten.</p> <p> Adele trat ihm heiter entgegen. Sie hatte sich Alles im Sinn zurechtgelegt, es war ihr so natürlich vorgekommen, ihren beiderseitigen Irrthum aufzuklären. Jetzt, da er neben ihr war, verging ihr plötzlich aller Muth.</p> <p> Samuel saß schweigend an ihrer Seite, sie </p> </div> </body> </text> </TEI> [255/0265]
Es kam kein Schlaf auf seine Augen. Früh am Morgen stand er übernächtig auf, Adele nach der Eisenbahn zu geleiten. War sie dann fort, so blieb ihm Zeit für Alles, für seine Geschäfte, seinen Mißmuth, seinen Schmerz.
Er war nur eben fertig, als Adele ihn fragen ließ, ob er sich wohl befinde, und mit ihr gemeinsam das Frühstück nehmen wolle? Er ging hinüber, ihr Zimmer war aufgeräumt, der Frühstückstisch gedeckt. Samuel sah sich nach dem Gepäcke um, es mußte schon fortgetragen sein, und er wußte ihr dafür Dank, daß sie ihm für die halbe Stunde den Anblick der Koffer entzogen hatte, die ihn an ihre Trennung mahnen mußten.
Adele trat ihm heiter entgegen. Sie hatte sich Alles im Sinn zurechtgelegt, es war ihr so natürlich vorgekommen, ihren beiderseitigen Irrthum aufzuklären. Jetzt, da er neben ihr war, verging ihr plötzlich aller Muth.
Samuel saß schweigend an ihrer Seite, sie
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