Lewald, Fanny: Für und wider die Frauen. Berlin, 1870.welche ich im März des Jahres 1848 in Paris in Masse über die Boulevards ziehen sah, um sich nach dem Hotel de Ville zu begeben, verlangten von dem eben dort versammelten Gouvernement provisoire nicht etwa "den idealen Mann", oder gar die Erlaubniß, sich nach eigenem Ermessen in freier Liebe heute dem und morgen jenem Manne überlassen zu dürfen; sie forderten vielmehr nichts als Erhöhung ihres Arbeitslohnes auf die Höhe des Arbeitslohnes der Männer, um sich durch den Ertrag ihrer Arbeit anständig ernähren, für sich und die Ihren mit ihrer Hände Arbeit sorgen zu können, ohne sich gelegentlich aus bitterer Noth zur Prostitution erniedrigen zu müssen. Mit diesem Verlangen der Frauen nach gerechtem Lohn für gute Arbeit war die Frage der Gleichstellung der Frauen in ihre rechte Bahn geleitet. Von da ab konnte man mit Ehren von der Emancipation der Frauen zu Arbeiterinnen und Staatsbürgern sprechen, besonders da sie -- ich wiederhole diese neulich in einem meiner Briefe gemachte Bemerkung ganz absichtlich -- dem Staate von dem Ertrage ihrer Arbeit so gut wie die Männer Steuern zu entrichten hatten und haben; und es war thöricht und kleinlich, daß man sich gerade in Deutschland so leidenschaftlich gegen die Emancipation erbitterte, weil ein paar, in eben jener Revolutions- und Reactionszeit oftmals genannte Frauen, durch ihr kurz geschnittenes Haar, durch das Rauchen von Cigarretten, welche ich im März des Jahres 1848 in Paris in Masse über die Boulevards ziehen sah, um sich nach dem Hôtel de Ville zu begeben, verlangten von dem eben dort versammelten Gouvernement provisoire nicht etwa »den idealen Mann«, oder gar die Erlaubniß, sich nach eigenem Ermessen in freier Liebe heute dem und morgen jenem Manne überlassen zu dürfen; sie forderten vielmehr nichts als Erhöhung ihres Arbeitslohnes auf die Höhe des Arbeitslohnes der Männer, um sich durch den Ertrag ihrer Arbeit anständig ernähren, für sich und die Ihren mit ihrer Hände Arbeit sorgen zu können, ohne sich gelegentlich aus bitterer Noth zur Prostitution erniedrigen zu müssen. Mit diesem Verlangen der Frauen nach gerechtem Lohn für gute Arbeit war die Frage der Gleichstellung der Frauen in ihre rechte Bahn geleitet. Von da ab konnte man mit Ehren von der Emancipation der Frauen zu Arbeiterinnen und Staatsbürgern sprechen, besonders da sie — ich wiederhole diese neulich in einem meiner Briefe gemachte Bemerkung ganz absichtlich — dem Staate von dem Ertrage ihrer Arbeit so gut wie die Männer Steuern zu entrichten hatten und haben; und es war thöricht und kleinlich, daß man sich gerade in Deutschland so leidenschaftlich gegen die Emancipation erbitterte, weil ein paar, in eben jener Revolutions- und Reactionszeit oftmals genannte Frauen, durch ihr kurz geschnittenes Haar, durch das Rauchen von Cigarretten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0105" n="95"/> welche ich im März des Jahres 1848 in Paris in Masse über die Boulevards ziehen sah, um sich nach dem <hi rendition="#aq">Hôtel de Ville</hi> zu begeben, verlangten von dem eben dort versammelten <hi rendition="#aq">Gouvernement provisoire</hi> nicht etwa »den idealen Mann«, oder gar die Erlaubniß, sich nach eigenem Ermessen in freier Liebe heute dem und morgen jenem Manne überlassen zu dürfen; sie forderten vielmehr nichts als Erhöhung ihres Arbeitslohnes auf die Höhe des Arbeitslohnes der Männer, um sich durch den Ertrag ihrer Arbeit anständig ernähren, für sich und die Ihren mit ihrer Hände Arbeit sorgen zu können, ohne sich gelegentlich aus bitterer Noth zur Prostitution erniedrigen zu müssen.</p> <p>Mit diesem Verlangen der Frauen nach gerechtem Lohn für gute Arbeit war die Frage der Gleichstellung der Frauen in ihre rechte Bahn geleitet. Von da ab konnte man mit Ehren von der Emancipation der Frauen zu Arbeiterinnen und Staatsbürgern sprechen, besonders da sie — ich wiederhole diese neulich in einem meiner Briefe gemachte Bemerkung ganz absichtlich — dem Staate von dem Ertrage ihrer Arbeit so gut wie die Männer Steuern zu entrichten hatten und haben; und es war thöricht und kleinlich, daß man sich gerade in Deutschland so leidenschaftlich gegen die Emancipation erbitterte, weil ein paar, in eben jener Revolutions- und Reactionszeit oftmals genannte Frauen, durch ihr kurz geschnittenes Haar, durch das Rauchen von Cigarretten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [95/0105]
welche ich im März des Jahres 1848 in Paris in Masse über die Boulevards ziehen sah, um sich nach dem Hôtel de Ville zu begeben, verlangten von dem eben dort versammelten Gouvernement provisoire nicht etwa »den idealen Mann«, oder gar die Erlaubniß, sich nach eigenem Ermessen in freier Liebe heute dem und morgen jenem Manne überlassen zu dürfen; sie forderten vielmehr nichts als Erhöhung ihres Arbeitslohnes auf die Höhe des Arbeitslohnes der Männer, um sich durch den Ertrag ihrer Arbeit anständig ernähren, für sich und die Ihren mit ihrer Hände Arbeit sorgen zu können, ohne sich gelegentlich aus bitterer Noth zur Prostitution erniedrigen zu müssen.
Mit diesem Verlangen der Frauen nach gerechtem Lohn für gute Arbeit war die Frage der Gleichstellung der Frauen in ihre rechte Bahn geleitet. Von da ab konnte man mit Ehren von der Emancipation der Frauen zu Arbeiterinnen und Staatsbürgern sprechen, besonders da sie — ich wiederhole diese neulich in einem meiner Briefe gemachte Bemerkung ganz absichtlich — dem Staate von dem Ertrage ihrer Arbeit so gut wie die Männer Steuern zu entrichten hatten und haben; und es war thöricht und kleinlich, daß man sich gerade in Deutschland so leidenschaftlich gegen die Emancipation erbitterte, weil ein paar, in eben jener Revolutions- und Reactionszeit oftmals genannte Frauen, durch ihr kurz geschnittenes Haar, durch das Rauchen von Cigarretten,
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